Rostow am Don. Auch Brasilien stolpert und kommt zum WM-Auftakt gegen den Außenseiter nur zu einem 1:1-Remis

    Noch einmal wuschelte sich Neymar da Silva Santos Júnior durch seine blondierten Haare, ehe der Star der brasilianischen Seleção am Sonntagabend in den Katakomben der Rostow-Arena verschwand. Lediglich 1:1 hatten er und seine Kollegen gegen die Schweiz gespielt, was wohl auch daran lag, dass eben jener Mann mit der Spaghetti­frisur auf seine angestammte Rolle als Hauptdarsteller verzichtet hatte.

    Noch am Vorabend von Neymars erstem Pflichtspiel seit seinem Haarriss im Mittelfuß Ende Februar hatte Nationaltrainer Tite die Erwartungen gleichermaßen gebremst und angeheizt. Neymar sei noch nicht bei 100 Prozent, sagte der 57 Jahre alte Coach, um nahezu im gleichen Atemzug zu frohlocken: „Aber er ist in sehr guter Verfassung. Er ist so gut, dass er ein großes Spiel machen wird.“

    Dreieinhalb Monate hatte ganz Brasilien um den Mittelfuß der Nation gezittert. Und der brasilianische Patient? Zeigte sich bei Facebook (mehr als 60 Millionen Follower) mit dem Daumen hoch, bei Instagram (mehr als 92 Millionen Follower) grinsend und versprühte auch via Twitter (mehr als 40 Millionen Follower) Optimismus.

    In der Rostow-Arena waren es dann immerhin 43.109 Follower, die schon früh Neymars Hackentrick Nummer eins (12.) und Hackentrick Nummer zwei (14.) beklatschen durften. Doch für den ersten Moment der Ekstase sorgte mit Philippe Coutinho ausgerechnet derjenige, der den Superstar der Seleção in dessen Verletzungszeit vertreten hatte. Coutinhos Schuss aus 20 Metern küsste noch einmal kurz den rechten Innenpfosten, ehe die zu diesem Zeitpunkt verdiente Führung perfekt war (20.).

    Valon Behrami fiel nicht nur mit seiner Frisur auf

    Doch so hübsch das brasilianische „Joga bonito“ der ersten Minuten auch anzuschauen war, so sehr stellte sich die Schweizer Bundesliga-Auswahl auf das Spiel der Südamerikaner ein. Gleich acht Eidgenossen aus der Startelf sind oder waren in Deutschland beschäftigt. Und der auffälligste unter ihnen war nicht nur wegen seiner arg gewöhnungsbedürftigen Streifenhörnchen-Frisur der frühere HSV-Profi Valon Behrami (2014-15 in Hamburg).

    Neymars Frisurenbruder im Geiste fand zunehmend daran Gefallen, als Zerstörer alter Schule den Schweizer Spielverderber zu mimen. Besonders Neymar entwickelte sich mehr und mehr zum Lieblingsopfer des robusten Schweiz-Albaners. Der teuerste Spieler der Welt konnte kaum einen Zweikampf gegen den früheren Hamburger gewinnen. Doch für das eigene Spiel nach vorne sollte Behramis Lust am Kaputtmachen nicht wirklich helfen, wodurch es nach insgesamt 45 Lala-Minuten bei der brasilianischen Ein-Tore-Führung blieb.

    Wer nun aber dachte, dass Brasilien nach den Straucheln der WM-Topfavoriten (Spaniens Unentschieden, Argentiniens Remis und Deutschlands Auftaktpleite) nun die eigenen Titelambitionen gleich von Anfang an unterstreichen werden würde, der sah sich getäuscht.

    Nach einem Eckball des früheren Münchners Xherdan Shaquiri stieg Hoffenheims Steven Zuber völlig unbedrängt im Fünfmeterraum am höchsten und köpfte mit der ersten Schweizer Chance überhaupt zum 1:1 ein.

    Und Neymar? Der 26-Jährige versuchte weiterhin viel, aber ihm gelang wenig – auch im zweiten Durchgang durfte er sich vor allem von der (ab und an über der Grenze des Erlaubten liegenden­) Rüpelhaftigkeit Behramis überzeugen.

    Immerhin zwei Zauberpässe gönnte sich Brasiliens genesener Mittelfuß, aus denen aber genauso wenig ein Siegtreffer wie später aus einem Kopfball des 26-Jährigen entstehen wollte. Als dann sogar noch Jesus ein Strafstoß verwehrt wurde, war klar, dass der Fußballgott an diesem Abend nicht mehr aufseiten Brasiliens sein würde. Que surpresa! Welch Überraschung – es blieb beim 1:1. Nur die Schweiz jubelte.

    Brasilien: Alisson – Danilo, Thiago Silva, Miranda, Marcelo – Casemiro (60. Fernandinho) – Paulinho (67. Renato Augusto), Coutinho - Willian, Neymar – Jesus (79. Firmino). Schweiz: Sommer – Lichtsteiner (87. Lang), Schär, Akanji, Rodriguez – Behrami (71. Zakaria), Xhaka – Shaqiri, Dzemaili, Zuber - Seferovic (80. Embolo). Tore: 1:0 Coutinho (20.), 1:1 Zuber (50.). Zuschauer: 43.109. Schiedsrichter: Cesar Ramos (Mexiko). Gelb: Casemiro - Lichtsteiner, Schär, Behrami.