Sotschi. Der Torjäger von Real Madrid trifft beim 3:3 in einem begeisternden Gruppenspiel gegen Spanien dreifach

    Immerhin vier Minuten Zuschlag gönnte Schiedsrichter Gianluca Rocchi den restlos begeisterten Zuschauern im Fischt-Stadion, ehe der einzige italienische WM-Teilnehmer am späten Freitagabend das Unvermeidbare vollzog: Signore Rocchi pfiff ein Spiel ab, das manch einer am liebsten ewig weiter verfolgt hätte. 3:3 spielten am Ende die in dieser Woche so arg gebeutelten Spanier gegen Cristiano Ronaldos Portugiesen – doch das Ergebnis schien an diesem denkwürdigen Fußballabend fast zweitrangig.

    Mehr als denkwürdig war bereits der erste Tusch des Spiels. Da war in den Stunden vor dem Anpfiff über Ronaldos Steuerprozess, eine schwindelerregende Nachzahlung von 18,8 Millionen Euro und eine Haftstrafe von zwei Jahren auf Bewährung für den Ballartisten von Real Madrid berichtet worden. Und dann dauerte es handgestoppte 133 Sekunden, ehe genau dieser wohl beste Fußballer (und trotzdem einer der größten Steuerbetrüger) des Planeten seinen ersten großen Auftritt hatte. Ronaldos Übersteiger, Nachos Sense, ein folgerichtiger Elfmeterpfiff – und schon stand es im Duell der Iberer 1:0 für den kleinen Bruder Portugal. Torschütze natürlich: Ronaldo.

    Spanien, das auch unter Zwei-
    Tage-Trainer Fernando Hierro beeindruckend auftrat, musste sich nur kurz schütteln. Der Interimscoach, der erst am Mittwoch Nationaltrainer Julen Lopetegui nach dessen Holterdipolter-Zusage bei Real Madrid und dem anschließenden Rauswurf ersetzte, hatte auf große Überraschungen verzichtet. „La furia roja“, die ganz in Weiß auflief, begann wie erwartet mit einer sehr variablen 4-2-3-1-Taktik. Portugal setzte auf das klassische Ronaldo-und-dann-mal-schauen-System.

    Doch obwohl der portugiesische Superstar bei jedem Ballkontakt mit lauten „Ahs“ und „Ohs“ gefeiert wurde, waren es nach dem furiosen Start nun die Spanier, die das Geschehen auf dem Rasen übernahmen. Insbesondere der 1,88 Meter große Kleiderschrank Diego Costa von Atlético Madrid, der zunächst Gegenspieler Pepe mit Mitteln am Rande der Legalität abschüttelte und dann die halbe portugiesische Hintermannschaft virtuos umkurvte. 1:1 nach 24 Minuten – und das sollte es noch lange nicht gewesen sein.

    Die 43.866 begeisterten Zuschauer hatten kaum Zeit, Luft zu holen. Nur zwei Minuten später musste erstmals bei dieser WM die Torlinientechnik bemüht werden, als Reals Isco den Ball mit voller Wucht an die Unterkante der Latte drosch, von wo aus der Ball nachgewiesen auf und nicht hinter die Linie prallte. Dann war es erneut Ronaldo, der das Stadion rechtzeitig vor dem Halbzeitpfiff noch einmal zum Kochen brachte. Sein Schuss ins Glück darf zwar gerne in die Kategorie „haltbar“ (oder besser „krasser Torwartfehler von David De Gea“) eingeordnet werden, aber das war dem fünfmaligen Weltfußballer schnurz. Dem Portugiesen gelang mit seinen Toren ein Kunststück, das zuvor nur Miroslav Klose, Uwe Seeler und Pelé schafften: sich in vier WM-Turnieren hintereinander in die Torschützenliste einzutragen.

    Das mit dem In-die-Torschützenliste-Eintragen hatte an diesem Abend allerdings auf der Gegenseite auch Diego Costa ziemlich gut drauf: So dauerte es gerade mal zehn Minuten nach dem Wiederanpfiff, ehe der gebürtige Brasilianer eine butterweiche Busquets-Vorlage ziemlich unbrasilianisch zum erneuten Ausgleich über die Linie drückte (55.). Und die lange Zeit gute Laune Ronaldos sollte nur drei Minuten später erneut auf eine harte Probe gestellt werden, als Nacho seinen Fehler aus der ersten Aktion des Spiels wiedergutmachte. Und wie. Volley und mit vollem Risiko nutzte der Defensivmann beide Pfosten zum Pingpong, ehe der Ball erneut im Tor lag (58.).

    Doch so konnte dieses herausragende Spiel nicht zu Ende gehen. Zwei Minuten vor dem Ende sollte die verdiente Zugabe folgen. Anlauf Ronaldo zum Freistoß, Schuss – und Tor zum 3:3-Endstand. Was für ein Treffer, was für ein Finish, was für ein Spiel! Olé!

    Portugal: Rui Patricio – Cedric, Pepe, Jose Fonte, Guerreiro – William, Moutinho – Bernardo Silva (69. Quaresma), Guedes (80. Andre Silva), Bruno Fernandes (68. Joao Mario) – Ronaldo.Spanien: De Gea – Nacho, Piqué, Ramos, Jordi Alba – Busquets, Koke – David Silva (86. Lucas Vazquez), Isco, Iniesta (70. Thiago) – Costa (77. Aspas).Tore: 1:0 Ronaldo (4./Foulelfmeter), 1:1 Costa (24.), 2:1 Ronaldo (44.), 2:2 Costa (55.), 2:3 Nacho (58.), 3:3 Ronaldo (88.). Zuschauer: 43.866. Schiedsrichter: Rocchi (Italien). Gelb: Bruno Fernandes – Busquets.