Hamburg. Morgen startet die 124. Kieler Woche. Mehr als 200 Hamburger Segler sind dabei, einige mit Titelchancen

    Als Hamburger bei der Kieler Woche zu starten, das bringt beinahe eine historische Verpflichtung mit sich: Als die erste „Kieler Regatta“ 1882 auf der Kieler Förde ausgetragen wurde, zählten mit Hermann Wentzel und Hermann Droege auch zwei Hanseaten vom Norddeutschen Regatta Verein an der Alster zu jenen fünf weitsichtigen Segelenthusiasten, die zum Ende des vorletzten Jahrhunderts das heute größte Regattafest der Welt begründeten.

    Vor 136 Jahren wetteiferten Mannschaften auf 20 Jachten in drei Klassen in nur einem Rennen um die Pokale. Heute sind es bei der 124. Edition der Kieler Woche 4000 Aktive mit 1900 Booten, die 400 Wettfahrten austragen – und damit für einen neuen Teilnehmerrekord sorgen werden. Unter ihnen sind mehr als 200 Hamburger Segler, die für einen der Vereine an Elbe und Alster starten. Die meisten entsenden die großen Clubs der Stadt. So wie der Norddeutsche Regatta Verein (rund 70), der Mühlenberger Segel-Club (50), der Hamburger Segel-Club (45) und der Blankeneser Segel-Club (25). Kieler-Woche-Organisationsleiter Dirk Ramhorst sagt: „Ohne die Hamburger Vereine könnten wir eine Veranstaltung wie die Kieler Woche nicht stemmen. Ihre Beteiligung ist neben der von KYV und VSaW existenziell.“

    Sowohl der NRV als auch der HSC sind neben dem Kieler Jacht-Club und dem Verein Seglerhaus am Wannsee aktiver Teil des Vereins-Quartetts, das die Kieler Woche mit seinen Mitgliedern in Wettfahrtleitungen, Organisationsteams, Regatta-Service und Betreuung der Aktiven beflügelt. Der hanseatische Einfluss auf die vom Kieler Jacht-Club federführend ausgerichtete Regattawoche ist groß.

    Max und Karl Gurgel siegten vor Kiel 2012, 2014 und 2016

    Ihre Leidenschaft für die Kieler Woche wollen die Elb- und Alstersegler auch in Erfolge umsetzen. Sie zählen in mehreren Disziplinen bei den „Big Boats“, in den Feldern der internationalen Bootsklassen in der ersten Hälfte der Kieler Woche und auch bei den Olympia-Seglern ab 20. Juni zu den Co-Favoriten. Einer der erfolgreichsten Seesegler der vergangenen Jahre ist der Physiker und Vmax-Yachting-Unternehmer Max Gurgel, der mit seinem Bruder Karl und Crews vom Hamburger Segel-Club 2012, 2014 und 2016 Siege erringen konnte. Die Gurgels und ihre „Gang“ starten mit der „X-Day“ beim Welcome Race, dem Kiel Cup und dem Senatspreis, bevor sie im Anschluss an die Kieler Woche zur Weltmeisterschaft nach Holland fahren.

    Podestplätze hat auch die Hamburger Skipperin Kirsten „Kirsche“ Harmstorf mit ihrer reinen Frauen-Mannschaft auf der „Tutima“ im Visier. Die Seglerinnen haben sich in den vergangenen Jahren mit ihrem pinken Boot und der auffälligen pinken Bekleidung in die Spitzengruppe der deutschen Seesegler vorgearbeitet, gelten als erfolgreicher Leuchtturm für weiblichen Leistungssport auf dem Wasser. Die Zielsetzung für die Kieler Woche bringt Harmstorf für ihre Crew auf den Punkt: „Wir wollen aufs Treppchen! Wir haben einiges am Boot optimiert und hoffen, dass unser Konzept aufgeht. Für uns ist diese Kieler Woche die Generalprobe für die anschließende Weltmeisterschaft in Holland.“

    Was für die Offshore-Segler gilt, passt auch für die Olympioniken, die erst ab 20. Juni mit ihren zehn Disziplinen in die Kieler Woche einsteigen. Die Segel-Nationalmannschaft kämpft bei ihrem Heimspiel nicht nur um Kieler-Woche-Titel, sondern auch um die Startplätze für die im August in Aarhus stattfindende WM, deren Revier mit dem der Kieler Förde vergleichbar ist. Gleich mehrere Teams unter Hamburger Vereinsflagge kommen für Kieler-Woche-Siege in Frage. Allen voran Philipp Buhl. Der Allgäuer ist zwar im Segelclub Alpsee-Immenstadt groß geworden, inzwischen aber auch Mitglied im prominenten Kader des NRV Olympic Teams in Hamburg, wo man den erfolgreichen und sympathischen Aktivensprecher der German Sailing Teams schätzt und fördert. Buhl hat erst vor wenigen Tagen das Weltcup-Finale der olympischen Lasersegler vor Marseille mit großen kämpferischen Qualitäten gewonnen. Der 28-jährige freut sich auf die Kieler Woche, sagt: „Kiel ist für mich immer etwas Besonderes. Das Heimatrevier! Wie hier Segeln auch für die Fans präsentiert wird, das ist weltweit einmalig.“ Gemeint sind damit unter anderem die täglichen Live-Übertragungen auf dem Großbildschirm in der Audi-Arena im Olympiazentrum Kiel-Schilksee, wo sich Tausende Zuschauer und Segler aus 60 Nationen treffen um die spannenden Rennen zu verfolgen.

    Neben Buhl sind eine Reihe weiterer Top-Segler aus dem NRV Olympic Team im „KiWo“-Einsatz: Die Rio-Bronzemedaillengewinner Erik Heil und Thomas Plößel feiern nach längerer Studienpause ihr Comeback, wollen sich auf der Förde für die WM in Form bringen. Johannes Polgar, der es im neuen „fliegenden“ Katamaran Nacra17 mit Vorschoterin Carolina Werner noch einmal olympisch wissen will, geht in Kiel genauso auf Punkte-Jagd wie seine jungen Club-Kameradinnen Fabienne Oster und Anastasiya Winkel, die in diesem Jahr vor Hyères in Frankreich erstmals in ein Medaillenrennen vorstoßen konnten. Bei der weltgrößten Regatta vor Kiel wollen sie alle zeigen, dass sie auf dem Weg nach ganz oben sind.