Montreal.

    Winnie Harlow macht selten eine unglückliche Figur. Doch oben auf dem Ausguck an der Ziellinie des Circuit de Gilles Villeneuve nutzte dem kanadischen Model alle berufsmäßige Coolness nichts. Dabei hatte die 23-Jährige eigentlich nichts falsch gemacht, die schwarz-weiß-karierte Fahne geschwenkt, die man ihr in die Hand gedrückt hatte. Nur eben nicht nach den für den Großen Preis von Kanada vorgesehenen 70 Runden, sondern schon einen Umlauf früher. Gewertet wurden schließlich nur 68 Runden.

    Nicht auszudenken, was geschehen wäre, wenn der Führende Sebastian Vettel nicht auf sein Lenkraddisplay geguckt und gleich vom Gas gegangen, Verfolger Valtteri Bottas aber drauf geblieben wäre. Dann hätte die Formel 1 zum Ende des ersten Saisondrittels keinen neuen Tabellenführer, Vettel nicht seinen Jubiläumssieg, die Vermarkter und der Verband einen Skandal. So aber feierte Ferrari beim siebten WM-Lauf den bislang eindeutigsten Triumph über Titelverteidiger Mercedes.

    Die Scuderia präsentiert sich auf der Île de Notre-Dame mit neuer Stärke, Vettels Fahrt zu seinem 50. Grand-Prix-Erfolg war ebenso unantastbar wie der Gewinn der Pole-Position am Sonnabend. Und plötzlich ist er da, der Gedanke beim großen Sieger. Nicht der an den 50. Karrieresieg, sondern der an sein Vorbild, seinen väterlichen Freund.

    Die Tränen schießen Sebastian Vettel in die Augen, als er sich an den letzten Ferrari-Erfolg in Kanada erinnert, 2004 von Montreal-Rekordsieger Michael Schumacher herausgefahren. „Ich musste auf den letzten Runden viel an Michael denken. Es ist so schade, dass er heute nicht dabei sein konnte. Für mich ist es unglaublich in dieser Position zu sein, das gleiche Auto wie er zu fahren. Es war schwer, die Augen auf der Strecke zu halten“, sagte er. Mit Botschaften, gibt Sebastian Vettel offen zu, sei er für gewöhnlich schlecht. Aber dann gelingt ihm doch eine: „Ferrari lebt noch, ich bin unglaublich stolz, Teil dieser Geschichte zu sein.“