Hamburg. Bernhard Peters wollte den HSV in eine bessere Zukunft führen. Was ihm mit dem Nachwuchs gelang, bleibt ihm mit den Profis verwehrt. Nach vier Jahren steht der Direktor Sport vor dem Aus

    Die Fünfjahresauswertung soll im Sommer 2019 erfolgen. So sah es der Plan des Bernhard Peters vor. In fünf Jahren, so sagte es der Direktor Sport und Nachwuchschef des HSV zu seinem Amtsantritt, solle der gesamte Club aus dem Volkspark wieder über eine eigene fußballerische Identität verfügen. „Eine Philosophie, aus der heraus vom Kinder- über den Jugend- bis hin zum Profibereich eine unverwechselbare Handschrift entwickelt wird“, sagte Peters in jenem Sommer 2014.

    Ob der HSV-Funktionär im Sommer 2019 die Fünfjahresbilanz persönlich ziehen wird, ist im Sommer 2018 fraglicher denn je. Der streitbare Peters steht in Hamburg vor dem Aus. Nicht zum ersten Mal. Doch diesmal scheint es kaum ein Zurück zu geben. Zu deutlich war die Botschaft, die der neue Sportvorstand Ralf Becker dem 58-Jährigen vor drei Tagen persönlich mitgeteilt hat. Peters habe sich künftig aus allen Belangen der Bundesligamannschaft herauszuhalten und solle sein Büro entsprechend auch im Nachwuchsleistungszentrum beziehen. Für alle strategischen Fragen der HSV-Profis sei Becker zuständig. Peters habe dabei nicht mehr mitzureden. Eindeutiger ging es nicht.

    Nun warten alle im Club darauf, wie Peters auf Beckers Ansage reagiert. Bislang wollte sich der Direktor nicht äußern. Noch nicht. Er wird es tun müssen. Er wird sagen müssen, ob er sich mit der Rolle als Verantwortlicher für den Nachwuchs zufriedengibt. Oder ob er den HSV im Sommer 2018 verlässt. „Wenn der HSV mich eines Tages nicht mehr möchte, ist das eben die Entscheidung. Dann geht woanders eine neue Tür auf“, sagte Peters – im Sommer 2017. Zu diesem Zeitpunkt stand seine Arbeit in Hamburg mal wieder auf dem Prüfstein.

    Dass der langjährige Hockey-Bundestrainer nur wenige Monate später einen neuen Vertrag bis 2020 unterzeichnete, hatte vor allem damit zu tun, dass eine fußballerische Identität in der Jugend schon nach drei Jahren zu erkennen war. Die Nachwuchsteams der U 21, U 19 und U 17 waren zusammen plötzlich so erfolgreich wie nie. Und Peters wurde als Vater des Erfolgs verkauft.

    Doch ist er das auch? Peters hat viele Unterstützer. Aber auch einige Kritiker. Clubintern werden ihm große Verdienste in der Entwicklung und Umsetzung des Campus-Konzeptes nachgesagt. Das neue Nachwuchsleistungszentrum, das im Sommer 2017 nach nur zwei Jahren Bauzeit eröffnet wurde, gilt heute als eines der modernsten Deutschlands. Auch in der Auswahl und Ausbildung der eigenen Nachwuchstrainer setzte Peters beim HSV Schwerpunkte – und machte sich gleichzeitig Feinde. Ehemalige Profis wie Otto Addo, Thorsten Judt oder Rodolfo Cardoso hatten unter Peters als Trainer keine Zukunft mehr. Stattdessen setzte er auf unbekanntere Namen.

    So durchliefen Pit Reimers (34/U 14 – U 17), Daniel Petrowsky (41/U 16 – U 19) oder Christian Titz (47/U 17 – Bundesligamannschaft) mehrere Stufen der Nachwuchsabteilung. Peters wird von eigenen Mitarbeitern als erfolgsbesessen bezeichnet. Als extrem fordernd. Als ein Mann, der nie zufrieden ist und immer mehr wolle. Der seine Mitarbeiter mit seiner Art nerven könne – und sie mit genau dieser Art besser mache.

    „Ich nehme das ganz bewusst in Kauf, kritisch zu wirken und damit als Besserwisser zu gelten“, sagte Peters vor drei Jahren in seinem ersten Abendblatt-Interview. „Im Fußball gibt es viele eingefahrene Strukturen. Und da lege ich sehr gern den Finger in die Wunde. Wenn Sie das dann einen Besserwisser nennen, dann legen sie mich gerne in der Schublade ab.“

    Nicht nur Peters Art wirkt oft fremd. Auch seine Wortwahl kommt in der Fußball-Branche ungewöhnlich daher. Positionstechnik, Entscheidungsstabilität, Analysestruktur, Trainerrahmenkonzeption – Begriffe, die kaum jemand sonst benutzt. Peters gilt als Querdenker, einerseits. Aber auch als Querkopf – andererseits. In jedem Fall aber als ein Mann, der überzeugt ist von seiner Philosophie und seinen Ideen. „Ich bin für nicht viel anderes im Leben zu gebrauchen, aber das kann ich“, sagte er im Sommer 2017 über die Nachwuchsarbeit.

    Als die fußballerische Identität der HSV-Jugend ein Jahr später unter Titz auch in der Bundesliga zu erkennen war und für Begeisterung sorgte, wähnte sich Peters offenbar in der richtigen Position. Als eine Art Interims-Sportdirektor arbeitete Peters nach der Entlassung von Jens Todt ganz dicht an der Bundesligamannschaft. Die übergeordnete Fußball-Identität mit Wiederkennungsmerkmalen schien beim HSV im Frühsommer 2018 implementiert zu sein.

    Doch im Hintergrund suchte der neue Aufsichtsratschef Bernd Hoffmann, seit einer Woche Vorstandsvorsitzender, nach einem neuen Sportvorstand. Der genervte Peters ging in die Offensive – und gab dem Abendblatt ein Interview, das selbst clubintern für Unverständnis sorgte. Darin schlug er am Tag des 33. Spieltags vor, einen übergeordneten Sportvorstand zu installieren, der sich um die Strategie des HSV kümmern sollte. Und der seinen Namen tragen könnte. „Der HSV, den wir gerade sehen, ist keine zufällige Erscheinung, sondern gewachsen“, warb der Direktor Sport für seine Position.

    Dass sich Peters mit diesem Vorstoß ins Abseits manövrieren sollte, dürfte ihm bewusst gewesen sein, als er sich für das Interview entschied. Dass sich Ralf Becker vor seiner Verpflichtung skeptisch hinsichtlich einer Zusammenarbeit mit Peters geäußert hatte, lag allerdings nicht nur an dessen Interview. Intern soll Peters Politik betrieben haben. Und das habe auch Becker mitbekommen.

    Dass Peters nun dem neuen Sportvorstand die strategische Ausrichtung überlässt und trotzdem weiter als Nachwuchschef arbeitet, ohne Einfluss in die Belange der Bundesligamannschaft zu haben, ist selbst unter Mitarbeitern kaum vorstellbar. Die Auswertung des Fünfjahresplans, das ist deutlich wahrscheinlicher, wird im Sommer 2019 ohne Peters stattfinden.