Eppan. Nach dem Test gegen Österreich am Sonnabend muss Bundestrainer Joachim Löw vier Spieler aus dem Aufgebot für Russland streichen

    Als wäre alles nicht schon bedeutsam genug, kommt nun auch noch die Kanzlerin und verleiht diesen Tagen in Südtirol offiziell den Rang eines Staatsaktes. Angela Merkel hat sich für den Sonntag in Eppan an der Weinstraße angemeldet, wo sich die deutschen Fußballer auf die WM in Russland (14. Juni bis 15. Juli) vorbereiten. Unter strenger Geheimhaltung wird gepasst, geflankt und geschossen. Merkels Besuch soll „ohne große Inszenierung“ ablaufen, wie Nationalmannschaftsdirektor Oliver Bierhoff ankündigte: „Es ist schön von ihr zu hören, wie sie die Situation für die Mannschaft beim Turnier sieht.“

    Die Begegnung bringt das Körbchen der zu erwartenden Erkenntnisse dieses Wochenendes womöglich zum Bersten. Denn zuvor steht noch ein Fußballspiel an. Am Sonnabend (18 Uhr/ZDF) gastiert der Weltmeister in Klagenfurt beim Nachbarn Österreich. Es ist der erste öffentlich einsehbare Test der Mannschaft von Bundestrainer Joachim Löw, seit er seinen Kader zwischen den Burgen und Bergen Norditaliens zusammengezogen hat. Zudem handelt es sich um das vorletzte Spiel vor der WM und das letzte vor der Bekanntgabe seines Aufgebots.

    Bis Montagmittag (12 Uhr) muss der Deutsche Fußball-Bund (DFB) die 23 Namen der Spieler beim Weltverband Fifa hinterlegen, die er einen Monat lang in Russland einzusetzen gedenkt.

    Offiziell ist ja zum Beispiel nicht, dass der von einer Serie von Mittelfußbrüchen genesene Torwart und Kapitän Manuel Neuer (32) mit zur WM fährt, was nach Auskunft der sportlichen Leitung gleichbedeutend wäre mit seinem festgeschriebenen Status als Nummer eins.

    Gleichwohl wird es sich mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit so entwickeln. „Manuel kommt nicht in die Spur, er ist schon längst in der Spur“, berichtigte Bierhoff eine für seinen Geschmack falsche Formulierung und diagnostizierte, dass bei Neuer nach acht Monaten Verletzungspause „keine Blockade“ zu erkennen sei.

    Bei dem Mann, der gehofft hatte, anstelle Neuers im deutschen Tor zu stehen, Marc-André ter Stegen (26) vom FC Barcelona, hat Bierhoff das Gefühl, „dass er das sehr sportlich nimmt“. Aber, natürlich, sagt Löw, abzuwarten sei die Partie gegen Österreich, der finale Belastungstest Neuers, der anschließend in einem Gespräch „offen und ehrlich“ darlegen soll, ob er sich imstande sieht, „eine Topleistung bei der WM abzuliefern“, so Löw.

    Dieses Gespräch wird am Sonntagabend stattfinden, ebenso wie die abschließenden Diskussionen im Trainerteam über das Personal. Am Montagmorgen zwischen 9 und 11 Uhr ist dann der Zeitpunkt gekommen, zu dem niemand Kontakt mit Herrn Löw haben möchte. „Wenn der Spieler von mir zu dieser Zeit angerufen wird, hat er schon das Gefühl, dass es nicht so gut aussieht“, ahnt Löw, der die Kandidaten in sein Zimmer bittet und ihnen die Entscheidung kurz erklärt. „Das persönliche Gespräch tut mir manchmal ein bisschen weh. Da bricht eine kleine Welt zusammen“, sagt Löw.

    Da Neuer dabei zu sein scheint, geraten die Welten der beiden Dritttorhüter Bernd Leno (Stammkraft in Leverkusen) und Kevin Trapp (Reservist in Paris) in akute Gefahr. Einer von ihnen wird gehen müssen. Zudem hat Löw in jedem weiteren Bereich des Spielfelds mindestens einen Mann zu viel, sodass die Verteidiger Jonathan Tah (Leverkusen) und Matthias Ginter (Mönchengladbach), der vielseitig einsetzbare Mittelfeldspieler Sebastian Rudy (FC Bayern) sowie die Offensivmänner Julian Brandt (Leverkusen) und Nils Petersen (Freiburg) zu jenen gezählt werden, die wahrscheinlich am meisten zittern müssen.

    Die Münchner Vielspieler Thomas Müller und Mats Hummels verbleiben zu Zwecken der mentalen Entspannung in Eppan, alle anderen reisen mit, die meisten sollen spielen. Torjäger Petersen, der überraschend nominiert worden war und damit den Prototyp des Wackelkandidaten darstellt, wird nach derzeitigem Plan zu seinem Debüt kommen. „Nach einer Eingewöhnungszeit von drei, vier Tagen ist er zuletzt immer besser geworden“, lobt Löw den mit 15 Treffern besten deutschen Schützen der Bundesliga. Garantien gibt es aber keine. Nicht einmal für Spieler, die dem Schmerz einer späten Auslese schon ausgesetzt waren wie Brandt und Rudy vor der EM 2016. „Wenn es einen zum zweiten Mal erwischen sollte, ist es umso schwerer“, sagt Bierhoff, „aber wir haben die Verpflichtung, die beste Mannschaft nach Russland zu schicken.“ Da wird‘s erst richtig wichtig.

    Voraussichtliche Aufstellungen: Österreich: Lindner – Bauer, Prödl, Dragovic, Hinteregger – Schöpf, Baumgartliner, Grillitsch, Alaba – Burgstaller, Arnautovic. Deutschland: Neuer – Kimmich, Rüdiger, Süle, Hector – Khedira, Gündogan – Brandt, Özil, Draxler – Werner. Schiedsrichter: Kralovec (Tschechien).