Berlin/Essen. Die deutschen Fußballer starten in die WM-Vorbereitung. Joachim Löw hat in Südtirol mehrere Probleme zu lösen

    Von diesem Mittwoch an ist Joachim Löw wieder ein glücklicher Trainer. Der 58-Jährige reist dann in die Gemeinde Eppan nach Südtirol. An der Weinstraße zwischen Bozen und Salurn gibt es Obstwiesen und ein Bergpanorama, gutes Essen, nette Leute, italienisches Lebensgefühl. Der Genussmensch Löw passt hier gut her.

    Glücklich ist er aber vor allem deshalb, weil er in Eppan wieder das sein kann, was er am liebsten ist: ein richtiger Trainer mit einer richtigen Mannschaft in einem richtigen Traineralltag. Bis zum 7. Juni bereitet sich die deutsche Fußballnationalmannschaft im Hotel Weinegg und auf dem Trainingszen­trum des FC Südtirol auf die WM-Endrunde in Russland vor (14. Juni bis 15. Juli). Wie schon bei seinen anderen beiden WM-Teilnahmen hat sich Löw erneut für diese Region entschieden.

    Bei allen Annehmlichkeiten, die der Job als Bundestrainer mitbringt, bedauerte Löw stets, dass er selten den täglichen Kontakt mit den Spielern hat. In Eppan wird dieser ausgeprägt sein, denn auf Löw warten einige Baustellen. Er muss eine Entscheidung in der Torwartfrage um Manuel Neuer treffen, vier Streichkandidaten benennen, eine Startelf für den Auftakt gegen Mexiko (17. Juni) finden und eine Atmosphäre zwischen Teamgeist und produktiver Konkurrenz schaffen. Nicht zuletzt wird er an einer Geheimwaffe arbeiten. „Im Trainingslager geht es darum, die Basis zu legen für das WM-Turnier, das uns alles abverlangen wird“, sagte Löw.

    Anders als acht Nationalspieler wird Kapitän Neuer von Beginn an in Südtirol dabei sein. Löw gewährte dem Bayern-Quintett um Mats Hummels, Joshua Kimmich, Thomas Müller, Niklas Süle und dem angeschlagenen Jerome Boateng nach dem verlorenen Pokalfinale einen Kurzurlaub. Sie reisen wie Marc-André ter Stegen, der noch beim FC Barcelona gefragt war, und Antonio Rüdiger, der mit dem FC Chelsea am Wochenende den FA-Cup gewann, erst am Freitag an. Toni Kroos, der am Sonnabend mit Real Madrid das Champions-League-Finale gegen Liverpool spielt, wird erst in der kommenden Woche erwartet.

    Auf Löws Arbeitsliste ganz oben steht: Entscheidung bei Neuer. Der Bayern-Torwart muss in Eppan den Nachweis erbringen, dass er nach seinem Mittelfußbruch in WM-Form ist. In Südtirol wird der 32-Jährige zwei Extramöglichkeiten für Spielpraxis bekommen. Die deutsche U-20-Nationalelf reist an, um in zwei internen Tests als Sparringspartner zu dienen. Auch beim offiziellen Testspiel gegen Österreich in Klagenfurt (2. Juni) hat Neuer die Chance, sich zu zeigen.

    Bis zum 4. Juni muss Löw aus 27 Spielern seine finale Auswahl treffen und den 23er-Kader beim Weltverband Fifa hinterlegen. Ein Torwart und drei Feldspieler müssen noch aussortiert werden. In der Vergangenheit dienten bisweilen die vergebenen Rückennummern als Hinweis auf die möglichen Streichkandidaten. Diesmal bekam Leverkusens Verteidiger Jonathan Tah die 24, der überraschend nominierte Freiburger Angreifer Nils Petersen die 25, der Münchner Innenverteidiger Süle die 26 und PSG-Torwart Kevin Trapp die 27. Dass Süle gestrichen wird, ist aber unwahrscheinlich. Er wäre der Ersatzmann, sollte Boateng (Muskelverletzung) nicht rechtzeitig fit werden.

    Die angenehmste Baustelle für Löw ist die Suche nach einem zweiten defensiven Mittelfeldspieler neben Kroos und einem linken Flügelspieler für die Startelf. Hier hat er ein Überangebot. Sami Khedira oder Ilkay Gündogan für die Mitte sowie Marco Reus, Leroy Sané, Julian Draxler und auch Julian Brandt für links. Schließlich wird Löw an der Geheimwaffe Standardsituationen arbeiten. 2014 ließ er seine Spieler eigene Varianten für Freistöße und Ecken in Südtirol entwerfen. In Brasilien fiel dann ein Drittel aller 18 deutschen Tore nach ruhenden Bällen.