Aktion vorm Weißen Haus, fankultureller Austausch – für den Zweitligaclub geht es in Amerika um mehr als nur um Kontaktpflege mit Sponsoren

    Aus dem Dauerregen von Washington in die sommerliche Wärme von Detroit – die Delegation des FC St. Pauli verbesserte sich im Rahmen ihrer USA-Reise mit dem ersten Standortwechsel rein wettertechnisch gewaltig. Vor allem der geplante Stadtbummel in der US-Hauptstadt Washington war wegen des Regens doch deutlich getrübt und verkürzt worden. Statt zu Fuß das Areal zwischen dem Lincoln Memorial, dem Weißen Haus und dem Capitol zu erkunden, waren jeweils nur kurze Stopps möglich. Und selbst in den wenigen Minuten, in denen die Spieler und Betreuer ihren Bus verlassen hatten, wurden sie reichlich durchnässt.

    Für ein klares Statement reichte es dennoch. Vor dem Weißen Haus postierte sich die Truppe und setzte sich mit einer regenbogenfarbenen St.-Pauli-Fahne sowie entsprechenden Mützen in Szene, um passend zum internationalen Aktionstag gegen Homophobie und für Vielfalt zu demonstrieren. „Wenn er es gesehen hat, wird ja vielleicht auch Präsident Donald Trump demnächst dieses Thema zu seinem eigenen machen“, sagte Ewald Lienen süffisant, der als Technischer Direktor die Rolle des „Außenministers“ und „Wertebotschafters“ innehat. Er nahm an der Aktion allerdings nicht teil,
    weil er mit einer kleineren Gruppe
    vom deutschen Botschafter empfangen wurde.

    Lasse Sobiech jonglierte beim Botschaftsempfang

    Lienen führte in den ersten Tagen der USA-Reise die Delegation auch deshalb an, weil Präsident Oke Göttlich erst am Freitagnachmittag in Detroit dazukam. Beim Empfang im Residenzgebäude der deutschen Botschaft war dabei sogar der Ball im Spiel. Vize-Kapitän Lasse Sobiech ließ es sich nicht nehmen, in der Empfangshalle einen Fußball mit Füßen, Beinen und dem Kopf zu jon­glieren, obwohl an der Wand große Porzellanvasen standen. „Die wertvollen Bilder hingen ja zum Glück ganz weit oben“, frotzelte Lienen später.

    Beeindruckt hatte sich Lienen derweil vom Besuch in der Firmenzentrale von Under Armour in Baltimore gezeigt. Der erst 1996 gegründete Sportbekleidungskonzern ist seit zwei Jahren Ausrüster des FC St. Pauli. Neben der an den Wänden manifestierten Firmenphilosophie und „sehr zugewandten Mitarbeitern“ fielen Lienen auch scheinbare Nebensächlichkeiten positiv auf. „Die Fußböden sind aus Sohlen von ausgedienten Sportschuhen hergestellt. Dazu stehen überall Container, in die die Mitarbeiten den Müll sortiert einwerfen“, berichtete er über die eher ungewöhnliche Nachhaltigkeit.

    „Für die Mitarbeiter stehen in der Zentrale auch ein Basketballfeld und ein riesengroßes Gym zur Verfügung, das aber auch für Interessierte von außen zugänglich ist. Überhaupt tut Under Armour sehr viel für die Community in Baltimore. So hat die Firma zehn Millionen Dollar für ein Brustkrebszentrum gespendet und unterstützt einen Verein, der sich nachmittags nach der Schule um Kinder und Jugendliche kümmert. „Hier bekommen sie etwas zu essen, können Sport treiben und werden gefördert“, berichtete Lienen.

    In einem Land, in dem es von staatlicher Seite keine soziale Unterstützung wie in Deutschland gebe, sei so ein Engagement von Firmen von besonderer Bedeutung. Diese Einschätzung kann auch als Botschaft an diejenigen St.-Pauli-Anhänger gewertet werden, die von vornherein die Partnerschaft ihres Clubs zu Under Armour aufgrund der Nähe des Unternehmens zum Militär und zur Jagd kritisch gesehen haben. „Es war wichtig, sich alles vor Ort anzuschauen. Ich habe selten zuvor bei einem großen Konzern so ein gutes Gefühl gehabt“, sagte Lienen, der bekanntlich nicht im Verdacht steht, unkritisch gegenüber Reichen und Mächtigen zu sein.

    In Detroit stand am Freitagmorgen zunächst ein Besuch des Motown-Musik-Museums auf dem Programm, ehe es später am Tag ein erstes Treffen mit den nordamerikanischen Fanclubs gab, die in Detroit ihr Jahrestreffen mit 500 Kiezclub-Anhängern veranstalten. In dem von außen unscheinbaren Häusern entstand einst das Plattenlabel Motown mit Musikgrößen wie den Temptations, den Su­premes oder Stevie Wonder.

    Hier in der Metropole des US-Bundesstaates Michigan wird an diesem Sonnabend auch erstmals der Ball richtig rollen. Für 18 Uhr Ortszeit (24 Uhr MESZ) ist das Freundschaftsspiel gegen das ortsansässige Viertliga-Team des Detroit City FC angesetzt. „Ich bin schon von einem amerikanischen Journalisten gefragt worden, welchen sportlichen Wert wir dem Spiel beimessen. Da musste ich ihn leider enttäuschen. Das steht nach unserer Saison sicherlich nicht im Vordergrund“, sagte Ewald Lienen. Gleiches gilt drei Tage später für das Spiel gegen die zweite Mannschaft des MLS-Clubs Portland Timber.

    Grundsätzlich dient St. Paulis USA-Reise Zielen auf drei unterschiedlichen Ebenen. Im geschäftlichen Bereich steht die Kontaktpflege mit den Partnern Under Armour und auch Levi’s im Vordergrund. Dazu kommt der Austausch im fankulturellen Bereich. In unterschiedlichsten Städten Nordamerikas gibt es Fanclubs, die ihre Vertreter nach Detroit entsandt haben.

    Enger Austausch mit Detroit City FC geplant

    Dritter Aspekt ist der vereinspolitische Austausch mit dem gastgebenden De­troit City FC, der mit seiner Einladung an den FC St. Pauli diese Reise ursprünglich initiiert hatte. Der Club ist – für amerikanische Verhältnisse ungewöhnlich – als Verein und nicht als Franchise-Unternehmen wie alle Proficlubs organisiert. „Der FC ist als Verein aus dem Boden gestampft worden, um etwas für die Community zu tun“, berichtet Ewald Lienen. „Er versteht sich als Heimat für Menschen aus aller Herren Länder, die hier in Detroit zusammengekommen sind.“ Ziel des Vereins sei es, sich in dem Stadtteil gegenseitig zu helfen und Werte vorzuleben.

    Am Freitagabend kam zum Abschluss noch mal die Musik ins Spiel. Es gab ein Clubkonzert mit der dem FC St. Pauli und dessen politischen Überzeugungen zugeneigten Band ­„Rise against“ aus Chicago.