Hamburg. Nach dem erstmaligen Abstieg steigen die Mitgliederzahlen im Volkspark deutlich. 12.000 Dauerkarten sind schon weg. Warum eigentlich?

    Es lief die 75. Minute im Spiel zwischen dem HSV und Borussia Mönchengladbach, als Sebastian Stolpe am vergangenen Sonnabend eine Entscheidung traf. Der erstmalige Abstieg der Hamburger war zu diesem Zeitpunkt besiegelt, weil Wolfsburg gegen Köln mit 3:1 führte. Im Volksparkstadion stimmten 50.000 Zuschauer „Mein Hamburg lieb ich sehr“ von Abschlach an. Für Sebastian Stolpe ein Gänsehautmoment. Es war der Moment, in dem er entschied, Mitglied beim HSV zu werden. „Es war eine emotionale Entscheidung“, sagt Stolpe. „Ich will alles dafür tun, dass der HSV wieder hochkommt.“

    So wie dem 34-jährigen Fahrlehrer aus Harburg erging es vielen anderen HSV-Fans auch. Das Spiel gegen Mönchengladbach war erst wenige Minuten zu Ende, da gingen auf der Geschäftsstelle des HSV e.V. die ersten Anmeldungen ein. Im Minutentakt ploppten E-Mails auf in den Posteingängen der drei Mitarbeiter, die sich beim HSV um das Mitgliederwesen kümmern. Bis Donnerstag registrierte der HSV über die Seite www.raute-dich.de bereits 3000 Neuanmeldungen. So viele wie seit Jahren nicht in so einem kurzen Zeitraum. Die meisten von ihnen schließen sich dem Supporters Club an, der größten Abteilung des Vereins. „Das ist sensationell. Ich bin überwältigt. Damit hätte ich nach dieser schmerzhaften Stunde nicht gerechnet“, sagte Abteilungsleiter Timo Horn. „Es zeigt, wie verrückt der HSV sein kann.“

    Während der Gesamtverein durch die Neuanmeldungen zum 1. Juni erstmals die 80.000-Marke überschreitet, werden dem Supporters Club zum ersten Mal mehr als 60.000 Mitglieder angehören. „Das ist für mich ein überragendes Zeichen der HSV-Fans“, sagte Vereinschef Bernd Hoffmann. „Bereits im Volksparkstadion hat man deutlich gemerkt, dass die überwältigende Mehrheit der Zuschauer zur Mannschaft und dem Verein steht.“

    Wie wichtig die Mitglieder im HSV noch immer sind, hat Hoffmann selbst erfahren. Im Februar ließ er sich auf der Mitgliederversammlung des e.V. von den Stimmberechtigten mit knapper Mehrheit zum neuen Vereinspräsidenten wählen und rückte somit in den Aufsichtsrat der HSV Fußball AG, dessen Vorsitz er anschließend übernahm.

    Eine Mitgliedschaft im HSV kostet im Jahr 48 Euro (ermäßigt 32 Euro). Neben dem Stimm- und Mitspracherecht erhalten neue Mitglieder aber auch das Vorkaufsrecht für alle Heim- und Auswärtsspiele sowie die Möglichkeit zum Kauf einer Dauerkarte zum Mitgliedspreis (20 Euro günstiger). Am Donnerstag begann der HSV mit dem Vorverkauf der Dauerkarten für die kommende Zweitligasaison. Zunächst haben alle bisherigen 26.000 Dauerkarteninhaber der vergangenen Saison die Möglichkeit, sich ein neues Jahres-Abo zu sichern. 12.000 Dauerkarten waren am Donnerstag bereits vergriffen.

    Ab dem 6. Juni beginnt dann die Verkaufsphase für Mitglieder. 2000 HSV-Fans haben sich bereits auf die Warteliste setzen lassen. Auch Sebastian Stolpe will sich wieder eine Dauerkarte kaufen. Als Jugendlicher hatte er schon einmal für fünf Jahre eine Dauerkarte. Dann flaute seine Liebe ein wenig ab. „Ich bin in all den Jahren immer Fan vom HSV gewesen. Mit der Vereinspolitik, mit der Transferpolitik und mit den ständigen Trainerwechseln konnte ich mich aber nur schwer identifizieren.“

    Als Christian Titz im März Trainer der HSV-Profis wurde, stieg auch Stolpes Begeisterung für den HSV wieder. „Ich bin ein Fan von Fußball mit jungen Spielern. Was Christian Titz mit der Mannschaft macht, den Fußball den er spielen lässt, das ist der Fußball den ich liebe“, sagt der Fan, der auch selbst als Trainer der E-Jugend von Viktoria Harburg mit jungen Fußballern arbeitete.

    In den vergangenen zwei Wochen reifte bereits sein Entschluss, Mitglied zu werden und sich eine Dauerkarte zu kaufen. Zunächst musste er aber seine Frau überzeugen. Die beiden haben eine zweijährige Tochter. „Die neuen Anstoßzeiten in der Zweiten Liga kamen mir in den Verhandlungen entgegen“, sagt Stolpe und lacht.

    Auch nach Stuttgarts Abstieg stieg die Mitgliederzahl

    Dass die HSV-Fans gerade nach dem Abstieg den Entschluss fassen, sich als neues Mitglied anzumelden, ist ein Phänomen, dass schon andere Clubs erlebten. Auch beim VfB Stuttgart stieg die Zahl der Mitglieder nach dem Abstieg vor zwei Jahren deutlich in die Höhe. Der VfB erklärte sich den Zuwachs durch eine Art Solidaritätsbekundung. Aktuell liegt die Mitgliederzahl in Stuttgart bei 61.000. Der Verein strebt das große Ziel der 100.000 Mitglieder an.

    Auch der HSV arbeitet seit einiger Zeit an dieser Zahl. Nach dem Abstieg ist er seinem Ziel ein deutliches Stück nähergekommen. „In den vergangenen Wochen hat sich durch Personalentscheidungen eine positive Grundstimmung entwickelt. Es gibt wieder eine positive Kommunikation nach außen, sagt Supporters-Chef Timo Horn. Seine Erklärung: „Viele haben die Haltung: Jetzt erst recht. In schwierigen Zeiten rückt man noch enger zusammen.“