Dortmund. Nationalspieler Emre Can lehnte Einladung des türkischen Staatspräsidenten Erdogan ab

    Die Möglichkeit einer schwerer wiegenden Sanktionierung hat Joachim Löw nicht in Erwägung gezogen. „Keine Sekunde“, sagte der Bundestrainer, habe er darüber nachgedacht, seine in den öffentlichen Fokus gerückten Nationalspieler Mesut Özil (FC Arsenal London) und Ilkay Gündogan (Manchester City) zur Strafe aus dem Kader für die WM in Russland zu verbannen. Zustimmung für ihre mindestens unbedachte Handlung bedeutete das allerdings nicht.

    „Wir haben den Spielern vonseiten des Verbandes zu verstehen gegeben, dass das keine glückliche Aktion war. Wenn man für Deutschland spielt, vertritt man auch deutsche Werte“, sagte der 58-Jährige über die beiden türkischstämmigen Spieler, die bei einer Veranstaltung in London mit dem umstrittenen türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdogan zusammentrafen, ihm handsignierte Trikots schenkten und mit ihm für ein Foto posierten. Doch Löw wollte nicht allzu harsch richten. „Ein bisschen Verständnis habe ich, weil ich weiß, dass bei Spielern mit Migrationshintergrund zwei Herzen in der Brust schlagen. Aber die Spieler haben uns zu verstehen gegeben, dass sie kein politisches Statement abgeben wollten.“ Ihr Kollege Emre Can, ebenfalls türkischstämmig, beim FC Liverpool unter Vertrag, schlug Erdogans Einladung aus. Reinhard Grindel, Präsident des Deutschen Fußball-Bundes, erneuerte seine Kritik („Es wäre besser, es hätte dieses Foto nicht gegeben“), aber er wünschte sich auch einen fairen Umgang mit dem Vorfall. „Beiden Spielern ist bewusst, dass sie einen Fehler gemacht haben, aber wir müssen das Maß wahren. Einiges von dem, was ich gelesen habe, war übertrieben.“

    Doch längst ist die Sache zu einem Politikum geworden. Selbst Bundeskanzlerin Angela Merkel meldete sich zu Wort und ließ ausrichten, dass dies eine Situation gewesen sei, „die Fragen aufwarf und zu Missverständnissen einlud“. Als Nationalspieler hätten die beiden Vorbildfunktion. Claudia Roth (Die Grünen), Vizepräsidentin des Bundestages, nahm die Spieler in Schutz: „So falsch ich die Fotos finde: Wir sollten nicht höhere Ansprüche an zwei Fußballer stellen als an unsere Regierung.“ Ihr wirft sie ebenfalls Fehler im Umgang mit Erdogan vor. Auch in der Türkei sind die Fotos ein Thema. Der türkische Fußballverband bezog empört Stellung zu Grindels Aussagen. Dessen „verleumderische“ Kommentare hätten bei ihm „große Traurigkeit“ ausgelöst, sagte Verbandschef Yildirim Demiroren. (dlb)