Dortmund. Fußballbundestrainer plant die WM-Vorbereitung mit Bayern-Torhüter Neuer und verlängert seinen Vertrag um zwei Jahre bis 2022

    Diese Sache mit dem Nominieren, sagte Joachim Löw, sei „viel komplexer, als manche das glauben“. Über viele Wochen würden Personalien besprochen, Positionen wie Puzzleteile ineinandergeschoben. Und dann gehöre es leider eben zum Job, „manchmal auch Träume platzen zu lassen“, sagte der Bundestrainer.

    Am Dienstag, als Löw im Deutschen Fußball-Museum in Dortmund seinen vorläufigen Kader für die Weltmeisterschaft in Russland (14. Juni bis 15. Juli) benannte, da überraschte der 58-Jährige mal wieder. Mit Fantasie und Härte. Der Freiburger Stürmer Nils Petersen ist – wie der seit Monaten verletzte Kapitän Manuel Neuer – mit dabei, der Finaltorschütze von 2014, Mario Götze, nicht. Damit verfügt der Fast-Absteiger aus dem Breisgau über ebenso viele deutsche Nationalspieler wie Dortmund (Marco Reus) und Schalke (Leon Goretzka). Bei Hertha BSC gab es großen Jubel: Linksverteidiger Marvin Plattenhardt steht wie erwartet im Aufgebot.

    27 Spieler benannte Löw insgesamt. 14 davon gewannen im vergangenen Jahr den Confed-Cup, die WM-Generalprobe in Russland, nur noch neun Weltmeister von 2014 sind dabei. Shkodran Mustafi, André Schürrle und Benedikt Höwedes hat es schon erwischt. Und die Zahl könnte sich noch verringern. Am 4. Juni muss der Bundestrainer den finalen 23-Mann-Kader nominieren. Die Eindrücke aus dem Trainingslager in Eppan (Südtirol) – vom 23. Mai an – werden ihm hilfreich sein.

    Petersen, der Überraschungsmann, gehört zu jenen, die zurück auf die Streichliste geraten könnten. Doch vorerst lobt Löw: „Nils hat in einer Mannschaft, die wahrlich nicht viele Chancen herausspielt, 15 Tore erzielt.“ Der 29-Jährige ist damit zweitbester Schütze der Bundesliga und stach mit dieser Quote den Münchner Sandro Wagner aus. „Mein Gefühl ist, dass er mit der Aufgabe wächst“, sagt Löw über Petersen: „Von ihm verspreche ich mir einiges, vor allem als Joker.“

    Das Gegenteil trifft auf Götze zu. Der Dortmunder hat eine wechselhafte Saison hinter sich, hoffte aber noch, wenigstens im vorläufigen Kader vorspielen zu dürfen. Aber Löw verzichtete auf diese Möglichkeit. „Für ihn persönlich tut es mir leid. Er hat wahnsinnige Qualität“, sagte Löw über den 25-Jährigen, „aber es war nicht unbedingt seine Saison.“ Wenn man so will, handelt es sich um einen historischen Akt: Erstmals schafft es der Schütze des entscheidenden Tores nicht in den Kader der Folge-WM. Helmut Rahn war 1958 dabei, An­dreas Brehme 1994. Gerd Müller erklärte nach dem Titel 1974 seinen Rücktritt.

    Für die Mission Titelverteidigung in Russland hätte es Löw wohl als fatales Zeichen gewertet, über Monate zu mahnen, dass das Leistungsprinzip nicht außer Kraft zu setzen sei, um dann einen Spieler zu nominieren, der im Verein nicht immer eine tragende Rolle einnahm. Götze auszusortieren garantiert Löw die volle Aufmerksamkeit, dass es ihm ernst ist mit seiner Botschaft. Alle Spieler sind gleich – nur einer ist vielleicht doch noch ein bisschen gleicher: Manuel Neuer.

    Der Kapitän erhält bis zum 4. Juni Zeit, umfassende Gesundheit und volle Einsatzfähigkeit unter Beweis zu stellen. Wegen des dritten Mittelfußbruchs in Folge hat der Torwart seit September kein Spiel mehr bestritten, nimmt aber seit dieser Woche wieder voll am Trainingsbetrieb des FC Bayern teil. Das gibt Löw die Hoffnung. Unendlich ist seine Geduld nicht: „Ohne Spielpraxis kann niemand ins Turnier gehen“, legt Löw fest. Neuer muss seine volle Belastbarkeit spätestens bis zum Test gegen Österreich am 2. Juni nachgewiesen haben. Für „Ende Mai, Anfang Juni“ kündigte der Bundestrainer ein offenes Gespräch mit Neuer an.

    Gespräche hat es auch über die Zukunft Löws gegeben. Am Dienstag verkündete der Deutsche Fußball-Bund (DFB), dass dessen Vertrag, der bis 2020 datiert war, vorzeitig bis 2022 verlängert wurde. Das gilt auch für Löws Trainerteam um Andreas Köpke, Marcus Sorg und Thomas Schneider. Noch darüber hinaus geht die geplante Amtszeit von DFB-Direktor Oliver Bierhoff: Er soll bis mindestens 2024 bleiben. „Wir haben damit eine langfristige Weichenstellung für ein bewährtes Team, das aber nie satt ist“, sagte DFB-Präsident Reinhard Grindel. Und Löw sagte: „Das ist für uns etwas ganz Besonderes, aber auch eine große Verantwortung.“

    Das vorläufige Aufgebot

    Tor: Manuel Neuer (32), Bayern München 74 Länderspiele/0 Tore; Kevin Trapp (27), Paris St. Germain 3/0; Bernd Leno (26), Bayer Leverkusen 6/0; Marc-André ter Stegen (26), FC Barcelona 19/0.
    Abwehr:
    Marvin Plattenhardt (26), Hertha BSC 6/0; Jonas Hector (27), 1. FC Köln 36/3; Matthias Ginter (24), Borussia Mönchengladbach 17/0; Antonio Rüdiger (25), FC Chelsea 23/1; Jonathan Tah (22), Bayer Leverkusen 3/0; Mats Hummels (29), 63/5; Jerome Boateng (29), 70/1; Joshua Kimmich (23), 27/3; Niklas Süle (22), 9/0, alle FC Bayern.
    Mittelfeld:
    Sami Khedira (31), Juventus Turin 73/7; Julian Draxler (24), Paris St. Germain 42/6; Toni Kroos (28), Real Madrid 82/12; Mesut Özil (29), FC Arsenal 89/22; Leroy Sané (22), Manchester City 11/0; Julian Brandt (22), Bayer Leverkusen 14/1; Ilkay Gündogan (27), Manchester City 24/4; Leon Goretzka (23), Schalke 14/6; Marco Reus (28), Borussia Dortmund 29/9; Thomas Müller (28), 90/38; Sebastian Rudy (28), beide Bayern München 24/1.
    Angriff:
    Nils Petersen (29), SC Freiburg 0; Timo Werner (22), RB Leipzig 12/7; Mario Gomez (32), VfB Stuttgart 73/31.

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