Hamburg. Das Deutsche Derby in Klein Flottbek ist speziell, weil schwer für Reiter und Tier. Die Qualifikation dominieren Ausländer.

Im Deutschen Derby ist alles möglich. Zwar steht dieser Satz auf dem Index verpönter Binsenweisheiten weit vorne, doch bewahrheitet er sich immer wieder – wie Vorjahressieger Pato Muente und Zera als krasse Außenseiter eindrucksvoll bewiesen. Auch Gilbert Tillmanns Triumph vor fünf Jahren mit dem eigentlich schon aussortierten Karnevalspferd Hello Max ist in Klein Flottbek in vortrefflicher Erinnerung. Der angeblich problematischste Parcours weltweit steckt eben voller Tücken, die besonders couragierte Pferde und ein spezielles Training erfordern. Und jede Menge Fortune natürlich.

Weit mehr Geschick als Glück hatte der 48 Jahre alte Ire Dermott Lennon. Nach seinem Erfolg in der ersten Derbyqualifikation am Mittwoch dirigierte er Gelvins Touch auch in Durchgang zwei am Freitagnachmittag in meisterhafter Manier zum Sieg. „Mein Schimmel hatte reichlich Mumm“, sagte Lennon nach der Siegerehrung. „Dieser Parcours macht ihm Spaß.“ Beide sind Favoriten für das Blaue Band.

Italiener muss im Finale passen

Das Gespann hatte fast fünf Sekunden Vorsprung vor dem Zweitplatzierten Luca Maria Moneta im Sattel des 17-jährigen Wallachs Neptune Brecourt. Allerdings muss der Italiener im Finale passen: Wegen eines familiären Unglücksfalls mit seiner Schwester hetzte er nach der Prüfung von Flottbek zum Flughafen Fuhlsbüttel. Dritte wurde – wie schon zwei Tage zuvor – die Britin Holly Smith auf Quality Old Joker. Bester Deutscher war Hendrik Sosath aus Lemwerder bei Bremen mit Quel Chanel auf Rang sieben. Die Ränge eins bis sechs belegten Teilnehmer aus dem Ausland. Auch Mittwoch hatten die Gäste auf den Plätzen eins bis drei das Gros der Preisbörse kassiert.

„Vielleicht hat noch nicht jeder Teilnehmer alles verraten“, mutmaßte Turnierchef Volker Wulff, der sich am Freitag über mehr als 20.000 Zuschauer freute. Insgesamt kamen an den ersten drei Tagen 45.000 Besucher. Im Finale am Sonntag ab 14.20 Uhr geht es nicht nur über die ganz schweren Sprünge, sondern auch um 120.000 Euro und unbezahlbaren Ruhm. Nicht nur Wulff traut im 89. Wettstreit um das legendäre Blaue Band einer Frau den Coup zu. In der zweiten Qualifikation waren drei Frauen unter den besten zehn Reitern. Die Vielseitigkeits-Weltmeisterin Sandra Auffarth aus Niedersachsen schien mit ihrer Fuchsstute Nupafeed’s La Vista längst nicht alles gezeigt zu haben.

Meyer-Zimmermann schont Stute

Insgeheim meint Volker Wulff mit seiner Prognose jedoch Janne Friederike Meyer-Zimmermann. Die Lokalmatadorin hatte ihre Stute Anna in Qualifikation eins wegen einer leichten Sommergrippe geschont. Am Freitag verbuchte sie im Sattel der elfjährigen Braunen einen Abwurf. „Anna hatte mehr Energie und Kraft als erwartet“, sagte Meyer-Zimmermann, „und der Fehler geht auf meine Kappe.“ Der Rückhalt und die Begeisterung des Publikums könnte den beiden im Finale Flügel verleihen.

Dennoch fiel auf: Von den einheimischen Stars wagten nur wenige das Risiko Derby. Zu wenige. „Früher stellte sich im Derby meist nur die Frage, ob ein Mecklenburger oder ein Holsteiner gewinnt“, stellte Altmeister Paul Schockemöhle fest, der Sportkoordinator des Pferdefestivals. Bei der enormen Anzahl hoch dotierter internationaler Prüfungen wäge ein Aktiver ab, ob sich eine gezielte Vorbereitung auf ein so kompliziertes Springen wie das Derby rechne – oder ob man lieber „drei oder vier Grands Prix“ reite und für die Besitzer unter Umständen mehr verdiene. An diesem Sonnabend stehen um 12.15 Uhr die Global Champions League und um 15.45 Uhr die Global Champions Tour auf dem Programm. Das 60. Deutsche Dressurderby beginnt am Sonntag um elf Uhr.