Hamburg. Dank Global Champions Tour und -League reitet die Weltspitze in Klein Flottbek. Wie funktioniert dieser Wettbewerb?

Dass er nicht nur Pferde rasant durch einen Parcours zu steuern weiß, das bewies Nicola Philippaerts auf der Ehrenrunde. Den C-Klasse-Wagen, den er im Mercedes-Benz-Championat gewonnen hatte, lenkte der 24 Jahre alte Belgier mit demselben Schwung durch die Ehrenrunde, der ihm zuvor beim Ritt über die 14 Hindernisse den Sieg gebracht hatte. Auf seinem elfjährigen Wallach H&M Harley vd Bisschop siegte das Hobby-Model fehlerfrei in 69.37 Sekunden vor der Portugiesin Luciana Diniz auf Lennox (71,32) und dem Iren Shane Breen auf Can Ya Makan (71.77).

Das Hauptspringen des Himmelfahrtstags markierte auch den Auftakt für die Serie, die die Stars der Szene nach Hamburg bringt: die Global Champions Tour (GCT) und die Global Champions League (GCL). Dass man mehrere Semester Pferdesportwissenschaften studiert haben muss, um den Modus zu verstehen, ist zwar ein Gerücht, kompliziert ist er aber fraglos. In Kurzform erklärt: Die GCT ist eine Individualwertung, die GCL ein Teamwettbewerb. Im Mercedes-Benz-Championat starteten zunächst die 19 in der GCL gemeldeten Teams mit je zwei Reitern, deren Ergebnisse auch für die Individualwertung zählten, und anschließend 14 weitere Einzelreiter.

Am Sonnabend (12.10 Uhr) starten in der zweiten Qualifikation zunächst die Einzelreiter, anschließend die Teams in umgekehrter Reihenfolge ihres Abschneidens vom Donnerstag, als die St.Tropez Pirates gewannen. Am Ende steht der Sieger der Teamwertung fest, außerdem die 35 Einzelreiter, die im Großen Preis von Hamburg, der sportlich hochwertigsten und mit 300.000 Euro höchstdotierten der insgesamt 32 Springprüfungen der Derbywoche, starten dürfen. Dieser wird am Sonnabend um 15.45 Uhr ausgetragen.

Welchen Wert die 2006 ins Leben gerufene und vor drei Jahren um den Teamwettbewerb ergänzte Serie für den Standort Hamburg hat, kann Derbychef Volker Wulff einleuchtend erläutern. „Die Global Champions Tour lockt die Weltklasse an und trägt deshalb entscheidend zur sportlichen Qualität unserer Veranstaltung bei. Das Derby am Sonntag ist als emotionaler Höhepunkt dann die perfekte Abrundung“, sagt er. Tatsächlich ist die Anziehungskraft der Global-Champions-Serie vor allem finanzieller Natur. Dank des Schweizer Uhrenherstellers Longines als Namenssponsor können die Macher in diesem Jahr 35 Millionen Euro an Preisgeldern ausschütten. Die Einführung der GCL hat zudem einem größeren Kreis an Athleten die Teilnahme an der 17 Stationen umfassenden Serie ermöglicht. Jede Mannschaft besteht aus fünf Reitern. Einer davon muss unter 25 Jahren alt sein, nur zwei müssen unter den besten 250 der Weltrangliste stehen. Dass aktuell 90 Prozent der Teilnehmer aus dieser Region des Rankings kommen, unterstreicht die sportliche Qualität.

Trotzdem herrscht in der Springreitwelt keine uneingeschränkte Zustimmung. So klagte zuletzt der deutsche Verband FN darüber, dass es immer schwieriger werde, die Nationenpreisturniere – vergleichbar mit Länderspielen im Teamsport - adäquat zu besetzen, weil die Konkurrenz durch die GCT/GCL-Events zu stark sei. Marco Danese, Sportdirektor der beiden Serien, sagt: „Wir respektieren die Nationenpreise, verpflichten keinen Reiter, bei uns zu starten, wenn er nicht möchte. Der Reiter entscheidet. Aber natürlich ist unsere Serie finanziell oft lukrativer.“

Derbychef Wulff springt Danese bei – und hat ein anderes Problem erkannt. „Die GCT macht nicht einmal 20 Prozent der mehr als 100 Topturniere weltweit aus. Wir in Deutschland sollten vielmehr darüber nachdenken, ob unsere generelle Qualität noch ausreicht“, sagt er. Vor 15 Jahren kamen fünf der besten zehn Reiter der Welt aus Deutschland, heute stehen gerade einmal vier Deutsche in den Top 50 der Rangliste. „Dort sollten wir ansetzen“, sagt Wulff, „und nicht über Neuerungen klagen. Die Welt wartet nicht auf Deutschland.“ Den auslaufenden Kontrakt mit der GCT/GCL will er schnellstmöglich verlängern, entsprechende Absichtserklärungen gibt es.

Nachdem in diesem Jahr erstmals ein großes Finale ausgetragen wird – Mitte Dezember kämpfen in Prag die 16 Einzelsieger im Super Grand Prix um 1,25 Millionen und die 16 besten Teams in Play-offs sogar um zehn Millionen Euro Preisgeld – soll das Format der Serie in den kommenden Jahren nicht mehr verändert werden. Einzig eine Aufstockung auf 20 Events ist für 2019 geplant. „Das ist das Limit. Wir wollen, dass die Fans sich besser an das Format gewöhnen und sich auch noch mehr mit ihrem Hometeams identifizieren. Solche Entwicklungen brauchen Zeit“, sagt Sportdirektor Danese.

Optimierungen sind zweifellos vonnöten. Dass beispielsweise für das Team Hamburg, das vor dieser Saison seinen Namen wegen eines Sponsorenwechsels von Diamonds in Giants ändern musste, kein einziger deutscher Reiter startet, sei unglücklich. „Natürlich wünscht sich jedes Team lokale Reiter, daran arbeiten wir. Aber im Profisport geht es eben auch um Qualität, jedes Team will die Besten“, sagt er. Den Fans diese zu liefern, das ist die Aufgabe der Global-Champions-Serie.