Wolfsburg. Trainer Bruno Labbadia ist in Wolfsburg Opfer von Hass und Häme. Er sagt: Ich habe so etwas noch nie erlebt

Sein Blick ist ernster geworden, die Sorgenfalten tiefer – die Arbeit beim VfL Wolfsburg hat deutliche Verschleißspuren bei Bruno Labbadia hinterlassen. Seit elf Wochen ist der 52 Jahre alte Ex-Profi für den abstiegsbedrohten Club aus der VW-Stadt verantwortlich. In dieser Zeit ist der VfL in der Fußball-Bundesliga von Rang 14 auf den Relegationsplatz 16 abgestürzt. Der erfahrene Trainer ist Ende Februar offenbar zu einer unlösbaren Mission angetreten, am Wochenende droht den Wolfsburgern der erstmalige Erstliga-Abstieg. Labbadia – Risiko statt Retter.

Dass seine Mannschaft erst einen Sieg aus den zehn Liga-Partien unter seiner Führung geholt hat, „nagt definitiv“ an ihm, musste der Trainer nach der 1:4-Packung in Leipzig zugeben. Es war der nächste spielerische wie kämpferische Offenbarungseid einer fehlerhaft zusammengestellten Ansammlung hoch bezahlter Profis, die auch Labbadia als dritter Trainer der Saison bisher nicht ins Laufen bekommen hat. Im Gegenteil: Sein Punktschnitt liegt mit 0,6 Zählern pro Spiel deutlich unter dem seiner Vorgänger Andries Jonker (1,47) und Martin Schmidt (1,18).

Er hat es im Gegensatz zu seinen zuvor positiv ausgegangenen Rettungsmissionen in Stuttgart und Hamburg nun in Wolfsburg nicht geschafft, ein Wir-Gefühl zu erzeugen und die Fans hinter sein Team zu bringen. Im Gegenteil: Von den Rängen kommt bisher nur Häme. Der Song: „Wir steigen ab, wir kommen nie wieder – wir haben Bruno Labbadia“ ist zum Gassenhauer unter den Zuschauern geworden. Nur: Woher kommt diese Abneigung?

Er ist zum obersten Repräsentanten des Clubs geworden, weil kein anderer mehr da ist, der diese Rolle ausfüllen kann oder will. Finanz-Geschäftsführer Wolfgang Hotze verzichtet seit jeher auf öffentliche Auftritte. Sein Kollege Tim Schumacher (Recht, Beschaffung, Personal), der sich sommers wie winters auf den Präsentationsfotos mit den Neuzugängen positioniert, tauchte in Leipzig völlig ab. Einen Sportdirektor gibt’s beim VfL seit der Entlassung Olaf Rebbes nicht. Einen Geschäftsführer Sport seit Klaus Allofs’ Aus im Dezember 2016 schon längst nicht mehr. Und die Mannschaft hat im Umbruch des Sommers fast all ihre Köpfe verloren: Marcel Schäfer, Diego Benaglio, Luiz Gustavo, Mario Gomez – alle weg.

In der öffentlichen Wahrnehmung steht Labbadia also alleine da. Im Fe­bruar hatte er, wie er sagte, „ausgeruht und mit großer Lust auf die anspruchsvolle Aufgabe“, beim VfL einen Vertrag bis 2019 unterschrieben. Allerdings muss er mittlerweile erkannt haben, dass seine Mannschaft in einem desolaten Fitnesszustand ist, da sein Vor-Vorgänger Jonker im Sommer offenbar nicht ausreichend an der körperlichen Basis arbeiten ließ. In Kombination mit der intern wie extern kritisch beäugten medizinischen Abteilung könnte sich so die ungewöhnlich hohe Anzahl an Muskelverletzungen erklären. Auch, dass der Kader besonders in der Offensive mit zu vielen ähnlichen Spielertypen gespickt ist und keine Hierarchie erkennbar ist, ist nicht Labbadias Fehler.

Und doch: Die Häme prasselt auf den unglücklichen Trainer. „Das ist schade“, sagte Mittelfeldspieler Maximilian Arnold zu Recht. „Ich glaube, er ist derjenige, der am wenigsten etwas dafür kann.“ Der Trainer selbst hat so etwas „noch nie erlebt. Ich identifiziere mich mit dem Club und gebe das, was ich habe. Und dann will man natürlich lieber ein Stück Liebe haben“, sagte Labbadia – mit ernstem Blick und tiefen Sorgenfalten im Gesicht.