Leipzig/Wolfsburg. Hamburgs Hoffnung ist die Schwäche des VfL Wolfsburg. Kölns Trainer kündigt Abschied mit Anstand an

Am Sonntagvormittag deutete nicht mehr allzu viel darauf hin, dass sich der VfL Wolfsburg in den turbulentesten Tagen seiner Bundesliga-Historie befindet. Rund 30 Fans waren zum Auslaufen bei herrlichem Sonnenschein gekommen und bekundeten nur einige Male ihren Unmut. Wenig deutete darauf hin, dass die VfL-Profis einen Tag zuvor beim 1:4 (0:2) bei RB Leipzig die nächste Nichtleistung abgeliefert hatten, den Abwärtstrend der vergangenen Wochen mit der dritten Niederlage in Serie fortsetzten und sich bei der Ankunft in Wolfsburg dem Zorn von rund 250 aufgebrachten Anhängern nicht stellten.

Der erste Abstieg im 21. Bundesliga-Jahr ist in der Autostadt so real wie nie zuvor. Vor allem am als Retter geholten Trainer Bruno Labbadia arbeiten sich die Wolfsburger Fans mit ihrem Spott ab und versagten dem Trainer weiter die Unterstützung, nach der sich dieser durchaus sehnt.

Für Labbadia war die Partie in Leipzig die zehnte als VfL-Coach, in der es bei nur einem Sieg die sechste Niederlage setzte. Wieder einmal hatte seine Mannschaft gute Ansätze gezeigt, doch mit der ersten gelungenen Offensivaktion ließen die Leipziger die VfL-Bemühungen und das ohnehin geringe Selbstvertrauen wie ein Kartenhaus zusammenfallen. Die Wolfsburger William und Robin Knoche patzten vor dem 0:1, ausgerechnet Jungstar Felix Uduokhai unterlief ein erster schlimmer Fehler vor dem zweiten Tor. In Halbzeit zwei gingen die Gäste volles Risiko und kamen durch Daniel Didavi immerhin zum Anschluss. Kurz nachdem Landry Dimata wenige Minuten später per Kopf das 2:2 verpasst hatte, erzielte RB nach einem weiteren Uduokhai-Fehler das 3:1 und legte auch noch das vierte Tor nach. Immer garniert von individuellen Fehlern der Grün-Weißen.

Von da an hatten auch die 3000 mitgereisten Wolfsburger Fans ihr Team aufgegeben, skandierten wie schon bei Labbadias Debüt „Wir steigen ab, wir kommen nie wieder – aber wir haben Bruno Labbadia“. Der Coach sagte, er habe es nicht gehört, aber später mitbekommen. Es ist ein Liebesentzug, den er nicht versteht: „So selbstbewusst kann ich sein: Wenn man meine Vita anguckt, kann ich es mir nicht erklären.“ Eine Mannschaft vor dem Abstieg zu retten, war in den vergangenen Jahren das, „was ich top hinbekommen habe. Aber ich muss es hinnehmen.“

Mit dem VfB Stuttgart und dem Hamburger SV hatte er schon aussichtslosere Missionen gemeistert. Beim VfL will es hingegen nicht gelingen. Dabei ist der dritte Trainer des VfL in dieser Saison tatsächlich am wenigsten für die Fehlentwicklungen im Club haftbar zu machen. Individuelle Fehler, Formkrisen und zahlreiche Verletzungen sorgen für begrenzte personelle Möglichkeiten. Für alle außersportlichen Probleme, die den VfL mit Geschäftsführer-Suche und weiterem plagen, ist Labbadia ohnehin der falsche Ansprechpartner.

Dennoch gewährte er einen seltenen Einblick hinter seine Fassade. Trotz aller Widrigkeiten demonstriert er ansonsten Stärke und versucht voranzugehen: „Als Mensch“, so Labbadia zu den Schmähgesängen, „gefällt einem das nicht. Wenn ich mit den Clubs arbeite, dann identifiziere ich mich auch mit ihnen, und dann will man lieber, ich sage es mal so, ein Stück Liebe haben.“

Die Rettungsmaßnahmen, die der 52-Jährige bisher in Wolfsburg traf, griffen allerdings nicht. Auch in Leipzig zeigte die Mannschaft insgesamt zu wenig, der Effekt des Kurztrainingslagers vorweg ist verpufft. Der VfL stärkte dem Coach in Person von Geschäftsführer Tim Schumacher nach dem Spiel den Rücken, ein Trainerwechsel vor dem letzten Spieltag sei kein Thema. Für Labbadia ohnehin nicht, „weil die Verantwortlichen sehen, was wir alles tun“.

Damit bekommt er im Bundesliga-Finale gegen den bereits abgestiegenen 1. FC Köln eine weitere, vielleicht letzte Chance, sich – wenn auch nicht die Liebe –, zumindest den Respekt der Wolfsburger Fans zu verdienen. Bei einem Sieg gegen Köln und einer gleichzeitigen Niederlage des SC Freiburg können die Wölfe sogar noch das rettende Ufer mit Rang 15 erreichen.

Dass die bereits abgestiegenen Kölner am letzten Spieltag möglicherweise nicht mehr mit dem allergrößten Einsatz antreten könnten, will in Wolfsburg niemand hören. Und auch nicht in Köln. „Wir wollen noch einmal so auftreten wie gegen die Bayern“, sagte FC-Trainer Stefan Ruthenbeck nach dem 1:3 gegen den Meister, bei dem Köln bis zur 60. Minute führte. „Wir sind in der Pflicht. Deutschland wird schauen, wie wir uns in Wolfsburg verkaufen“, sagte Ruthenbeck und verspricht: „Es gilt, sich zu wehren. Die Fans sollen sagen können: Respekt, der FC ist mit Anstand abgestiegen.“