Hamburg. Trotz des 0:3 in Frankfurt hofft das Titz-Team auf ein Wunder – mit Kölner Hilfe

Am Sonntagvormittag passte im Volkspark fast alles zusammen: blauer Himmel, strahlender Sonnenschein und beste Sommerlaune. Der rote Eiswagen von „Eis Long“ war bereits vor den ersten HSV-Profis vorgefahren. Eine Kugel Kirsch-Joghurt, Eierpunsch oder Cocos-Milch für einen Euro, Extrasahne für 90 Cent. Und als um kurz vor 11.30 Uhr auch noch HSV-Trainer Christian Titz die Treppe zum Trainingsplatz runterjoggte, brandete Applaus auf. Erst klatschten nur ein oder zwei Anhänger, dann wurde der Beifall immer lauter. Ein Fan aus Titz’ Heimat Mannheim klatschte am lautesten. „Make Hamburg great again“, stand auf seinem gelben T-Shirt. Das einzige Problem an der geballten Sommersonne-gute-Laune-Stimmung rund um den Trainingsplatz: Es gab gar keinen Anlass.

Nur 18 Stunden zuvor hatte der HSV 0:3 in Frankfurt verloren und damit die allerletzte Chance verstreichen lassen, den Abstieg im Saisonfinale doch noch aus eigener Kraft zu verhindern. „Ich muss zugeben, dass ich ein Stück weit verärgert bin, weil wir das Spiel nicht so gestalten konnten, wie wir uns das vorgenommen hatten“, gab Trainer Titz am Sonntagmittag ehrlich zu, nachdem er alle Autogrammwünsche erfüllt und weitere Interviewrunden überstanden hatte. „Wir haben einige Male nicht gut verteidigt und dann leider auch in der Höhe verdient verloren.“

0:3 also gegen die Eintracht. Im selbst ernannten Abstiegshalbfinale. Doch vom traurigen Ende des Abstiegskampfes wollte Titz am Tag danach trotzdem nichts wissen. „Ja, wir haben das Spiel verloren. Und ja, wir können das auch nicht mehr ändern“, sagte Titz, erhob die Stimme und ballte die Hände entschlossen zu Fäusten. „Aber trotzdem schauen wir jetzt nur noch nach vorne.“ Ein kurzer Blick von rechts nach links. „Im Fußball ist bekanntermaßen alles möglich. Wir wollen unser letztes Spiel im eigenen Stadion unbedingt gewinnen – und dann schaun mer mal.“

Der HSV ist abhängig von einem Köln-Sieg in Wolfsburg

Titz’ kaiserlicher Ausblick auf den letzten Spieltag war vor allem deswegen möglich, weil neben dem HSV auch Abstiegskonkurrent Wolfsburg am Sonnabend eine kräftige Packung verabreicht bekam (siehe Seite 22). So verspielte der HSV in Frankfurt zwar die theoretische Möglichkeit, sich durch zwei Siege in den letzten beiden Spielen direkt zu retten. Aber durch Wolfsburgs 1:4 in Leipzig bleibt den Hamburgern zumindest eine letzte Resthoffnung auf die Relegation – ein Sieg im endgültigen Abstiegsfinale gegen Mönchengladbach und eine gleichzeitige Niederlage des VfL gegen Schlusslicht 1. FC Köln vorausgesetzt.

„Ich habe die letzten Spiele von Köln gesehen. Die geben immer noch alles“, sagte Rückkehrer Nicolai Müller (siehe unten), für den nach seinem überstandenen Kreuzbandriss das Glas ohnehin eher halb voll als halb leer war. Auch Gotoku Sakai wollte trotz des schwachen Auftritts in Frankfurt nicht schwarzmalen: „Ich traue uns drei Punkte gegen Gladbach zu“, sagte er. „Und gleichzeitig traue ich den Kölnern zu, dass sie in Wolfsburg gewinnen.“

Doch während man an diesem Wochenende gute Gründe für Zweiteres finden konnte, könnte am kommenden Wochenende vor allem Ersteres zum Problem werden. Denn anders als in den Vorwochen hat der HSV gegen die Eintracht keine neue Hoffnung im Abstiegskampf schüren können – ganz im Gegenteil.

Dabei hätte die Geschichte des Sonnabends auch ganz anders verlaufen können. Denn für den größten Gesprächsstoff nach dem Abpfiff sorgte ausgerechnet ein Hamburger Tor, das aber gar keines war. Oder besser: das im Nachhinein keines war. Tatsuya Ito hatte das Nicht-Tor beim Stand von 0:0 in der 25. Minute erzielt – und die 5000 mitgereisten Hamburger kurzzeitig in Ekstase versetzt. Allerdings nur für wenige Sekunden, da Videorichter Günter Perl Hauptschiedsrichter Deniz Aytekin über Funk signalisierte, dass Ito ganz knapp im Abseits gestanden haben soll.

„Da es sich um eine faktische Entscheidung handelte – es gibt nur Abseits oder kein Abseits – war es auch nicht nötig, dass ich mir die Situation noch einmal auf dem Monitor anschaue“, sagte Aytekin nach der Partie. „Diese Szene ist ein Beweis dafür, dass uns die technischen Hilfsmittel weiterhelfen – auch wenn es knapp war. Die Fakten waren nun mal: Abseits. Wenn man sich die Bilder jetzt noch einmal im Fernsehen mit der Linie anschaut, dann sieht man auch, dass es Abseits war.“

Diskussionen umannulliertes Ito-Abseitstor

Doch genau an dieser Stelle wollte Trainer Titz widersprechen: „Ich habe jetzt verschiedene Einstellungen mit verschiedenen Linien gesehen. Wir können – Stand heute – gar nicht sagen, ob es nun Abseits oder kein Abseits war.“ Und so trefflich man wohl noch Stunden über die Szene der Szenen diskutieren konnte, wollte Titz das Abseitstor nicht als Entschuldigung für die Niederlage gelten lassen. „Für Schiedsrichter und Linienrichter ist es ja schwierig, so eine Situation zu erkennen. Und man muss fairerweise sagen, dass es auch nach der Entscheidung noch 0:0 stand und wir ganz einfach die Gegentore dann schlecht verteidigt haben.“

0:0 wird es Sonnabend um 15.30 Uhr auch in Hamburg und in Wolfsburg stehen. „Die Nerven werden am kommenden Wochenende entscheiden“, orakelte Christian Titz, der auf Psychotricks in dieser Finalwoche verzichten will. Sein unmissverständlicher Arbeitsauftrag für das HSV-VfL-Doppelwunder ist aus Fan-Sicht ohnehin schon längst benannt: „Make Hamburg great again!“