Hamburg. Querschnittsgelähmter aus Hamburg startet zwei Jahre nach Unfall bei Lauf in München

500 Meter! Das ist ja keine Strecke für ein Langlaufevent, eigentlich. Wenn man allerdings vor einem Jahr nur virtuell mit Hilfe einer Liveübertragung auf eine Hightech-Brille daran teilnehmen konnte, in einem Rehazentrum 800 Kilometer entfernt, dann sind 500 Meter ein großes Ziel. „Ich hoffe, ich schaffe es, ich will das wirklich“, sagt Michael Wiese (44).

Der Hamburger ist seit einem Unfall vor knapp zwei Jahren inkomplett querschnittsgelähmt. Halswirbel. Erste Diagnose: Dauerpflegefall. „Glück im Unglück“ habe er gehabt, sagt er jetzt. Wenn noch ein kleiner Teil der Nervenzellen intakt ist, kann die Mobilität zumindest teilweise zurückerlangt werden. Diese Chance hatte er.

Es braucht viel Training, viel Hilfe, harte Arbeit – ein langer Weg, ein Ex­tremsport, wenn man so will. Die Motivation und Bereitschaft zum Quälen muss da sein. Wiese kannte das. Er war ja schließlich Marathonläufer, Triathlet, Bergsteiger – all dieser Ausdauerwahnsinn halt, der einen Normalsportler fassungslos zurücklässt. Jetzt hilft ihm diese Einstellung. „Objektiv muss ich zufrieden sein“, sagt er, „subjektiv bin ich es nicht.“ Da muss noch mehr gehen.

Am 1. Mai hat er seine Krücke weggestellt, nimmt jetzt einen „normalen“ Gehstock. Vom Rollstuhl über Rollator bis zur Krücke sind die Erfolgsetappen sichtbar. „Das ist wichtig für mich zu sehen, dass der ganze Aufwand nicht vergebens ist.“ Seit einem halben Jahr wohnt er in seiner eigenen Wohnung in einem integrativen Projekt in Barmbek. „Alte, Junge, Dicke, Dünne und eben auch ich“ leben dort. „Gerade hat ein Nachbar angerufen und gefragt, ob er noch etwas tun kann“, erzählt der Versicherungskaufmann, der auch das Glück hat, dass ihm sein Arbeitgeber einen Job freihält – „wenn ich wieder gesund bin.“

500 Meter – am Sonntag also wird Michael Wiese in München um 12 Uhr am Start des „Wings for Life!“ World Runs stehen. Einer weltweiten Laufveranstaltung, die Spenden und Startgelder für die Rückenmarksforschung sammelt. Natürlich dient er dort als Vorbild für das, was möglich ist, „auch wenn das nicht meinem Hamburger Charakter entspricht“. Obwohl, einmal, in einem Rehazentrum, da hat ein Schlaganfallpatient ihn als „Vorbild“ bezeichnet, „und das hat mich doch gefreut“.