Hamburg. Trainer Markus Kauczinski greift häufig auf Spieler zurück, die zuvor lange verletzt waren. Miyaichi lässt sein Knie in Japan untersuchen

Um 13.52 Uhr verkündete der FC St. Pauli ganz modern via Twitter sein tägliches Verletzten-Update. Der Kiezclub, der sich auch in dieser Woche komplett abschottet, erklärte kurz und knapp, dass Johannes Flum nach seinen immer wiederkehrenden Achillessehnenproblemen ins Mannschaftstraining eingestiegen sei. Kapitän Bernd Nehrig sowie Urgestein Jan-Philipp Kalla trainierten individuell, die Verteidiger Christopher Avevor und Philipp Ziereis machten Teile des Mannschaftstrainings mit.

Es ist der ganz normale St.-Pauli-Wahnsinn. Seit Saisonbeginn hatten weder der im Dezember entlassene Cheftrainer Olaf Janßen noch sein Nachfolger Markus Kauczinski ein komplettes Team zur Verfügung. Und so muss der 48 Jahre alte Übungsleiter im Abstiegskampf der Zweiten Liga improvisieren. „Jobsharing“ nennt Kauczinski selbst das Personalmodell, das bei St. Pauli mittlerweile Alltag ist.

Heißt übersetzt: Der Trainer muss bei der Vielzahl an Rekonvaleszenten genau überlegen, welcher Spieler wie viele Minuten in den Beinen hat. Beim 3:0-Sieg gegen Greuther Fürth verzichtete Kauczinski beispielsweise auf einen Startelfeinsatz von Waldemar Sobota, der nach seinem Plantarfaszienriss wieder einsatzbereit war, zuvor aber nur wenig mit dem Team auf dem Platz gestanden hatte. Zudem waren mit Abwehrchef Lasse Sobiech, Mittelfeldmotor Christopher Buchtmann sowie Spielmacher Mats Möller Daehli drei weitere Spieler auf dem Platz, die aus einer Verletzung kamen. „Wenn ich weiß, dass drei, vier Spieler keine 90 Minuten durchhalten, funktioniert das nicht. Man will bei den Auswechslungen dann auch nicht zu früh seine letzte Patrone verschießen, weil man nie weiß, was noch passiert. Deshalb muss ich da taktieren“, erklärt Kauczinski.

In der prekären Situation versucht St. Pauli, seine wenigen Stützen in jedem Spiel aufzubieten, egal, wie oft sie unter der Woche trainieren. Es ist auch ein deutliches Zeichen an die Spieler in der zweiten Reihe: Ein 80 Prozent fitter Leistungsträger hat einen größeren Wert als ein komplett gesunder Ergänzungsspieler. St. Pauli wird sich in der Aufarbeitung der Saison auch die Frage gefallen lassen müssen, ob die Anzahl der Verletzten auch mit der frühen Wiedereingliederung der Profis nach Verletzungen zusammenhängt.

Unterdessen wurde die für Donnerstag bei Kniespezialist Heinz-Jürgen Eichhorn angesetzte Arthroskopie bei Ryo Miyaichi kurzfristig abgesagt. Der Japaner ist nicht wie geplant nach Straubing gereist. Stattdessen wird der 25-Jährige seine am vergangenen Sonnabend im U-23-Spiel gegen den VfB Oldenburg erlittene Knieverletzung in Japan genauer untersuchen lassen.

Am Montag reist der tief enttäuschte Offensivspieler in seine Heimat. Dort will der Publikumsliebling den Kopf freibekommen und weitere Untersuchungen absolvieren, um final zu klären, ob sein bereits im Juni 2017 gerissenes Kreuzband im rechten Knie erneut beschädigt ist.