Madrid. Nach Halbfinalaus gegen Real herrscht in München Ärger über zu viele Fehler

Als der Puls langsam runterging und die meisten Zuschauer das Estadio Santiago Bernabéu schon verlassen hatten, mussten sich die Bayern-Fans noch die Siegesfeier von Real Madrid anschauen. Aus Sicherheitsgründen wurden sie nicht aus ihrem Block gelassen. Woran dachten sie wohl in diesen Minuten? An die Chancen von Lewandowski, Müller, Tolisso? An die Paraden von Madrids Torwart Keylor Navas, den Patzer von Sven Ulreich? An das nicht geahndete Handspiel von Marcelo? An die dämliche 1:2-Niederlage vom Hinspiel? Oder dachten sie einfach nur: schon wieder Spanien?

Zum fünften Mal hintereinander war ihr Team an einer Mannschaft aus der Primera División gescheitert – so eine Serie gab es in der ganzen Europacup-Geschichte noch nie. Und dass diesmal das Gefühl zurückblieb, „es verdient gehabt zu haben“ (Mats Hummels), machte es ja nicht unbedingt besser. 20:9 Torschüsse wiesen die Statistiken für die Bayern aus, 57:43 Prozent Ballbesitz – und doch nur ein 2:2. Doch am Ende zog Real Madrid ins Finale ein. Dort treffen die Spanier auf den FC Liverpool. Der Mannschaft von Trainer Jürgen Klopp unterlag nach dem 5:2-Sieg im Hinspiel dem AS Rom mit 2:4 (2:1). Ein Eigentor von James Milner (15. Minute), Edin Dzeko (52.) und Radja Nainggolan (86., 89.) sorgten für die erste Niederlage in dieser Champions-League-Saison für Liverpool, für die Sadio Mané (9.) und Georginio Wijnaldum (26.) trafen.

Man konnte das alles unter dem „Heldentod“ verbuchen, den Karl-Heinz Rummenigge schon vorher prophezeit hatte. Seiner martialischen Metaphorik blieb er auch bei der nächtlichen Rede während des Sponsorenbanketts insofern treu, als er vermisste, „Real in den Abgrund gestoßen“ zu haben. Ansonsten geizte er nicht mit Komplimenten: Der FC Bayern habe „das beste Spiel seit fünf Jahren gemacht“, „die ganze Welt“ zolle Respekt, und insgesamt suche Bayerns Saison „ihresgleichen“, als Comeback nach schwachem Saisonstart. Rummenigge übernahm damit die euphorische und angesichts des bevorstehenden Abschieds auch emotionale Lesart von Trainer Jupp Heynckes­. Dieser hatte den Spielern gedankt und erklärt, „den FC Bayern schon viele Jahre nicht mehr in dieser Verfassung gesehen zu haben“.

Doch es gab auch noch ein anderes Interpretationsmuster als das der unglücklichen Helden. Es wurde von den Spielern vertreten, und es handelte von „Unvermögen“. So formulierte es Mats Hummels, er spielte damit auf die Patzer von Rafinha vor dem 1:2 in München an und nun auf den von Ulreich zum 2:1 von Benzema. „Man kann von mir aus sagen, dass Bayern die bessere Mannschaft war“, erklärte Reals Toni Kroos. „Aber trotzdem hatte ich nie Zweifel daran, dass wir ins Finale kommen.“

„Sieger-Gen“, nennt man so eine Überzeugung in München gern. Das der Bayern setzt sich zuletzt nur noch zwischen Flensburg und Berchtesgaden durch. In Europa werden sie zunehmend zu einer Art Leverkusen – raus nach starkem Fußball, unter Mitleid und Schulterklopfen.