München. Deutscher Nationalspieler kokettiert außerdem mit Wechsel. Bayern droht nach 1:2 eine Uefa-Strafe. Gnabry ohne Absprache im Stadion.

Dieser Fehlpass war einer zuviel: Nach einem Blackout von Rafinha steht der FC Bayern München in der Champions League vor dem Aus. Der Brasilianer leitete im Halbfinal-Hinspiel gegen Real Madrid mit einem fatalen Querpass den 2:1-Siegtreffer des spanischen Titelverteidigers durch Marco Asensio ein (57.). Zuvor hatte Marcelo (44.) die Bayern-Führung durch Joshua Kimmich (28.) egalisiert. Im Rückspiel am kommenden Dienstag in Madrid benötigt der deutsche Meister somit einen 2:1-Sieg für die Verlängerung oder einen Sieg mit mindestens drei eigenen Treffern für die Final-Qualifikation innerhalb der regulären Spielzeit.

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Auch Hamann kritisiert Lewandowski

Auch Dietmar Hamann übt öffentlich Kritik an Robert Lewandowski. "Wo war Lewandowski, als es gegen Real Madrid wirklich drauf ankam? Nicht da!", schrieb der Champions-League-Sieger von 2005 in seiner Kolumne 'Hamanns Top 3' auf skysport.de.

"Wenn man sich anschaut, was Ronaldo generell in K.o.-Spielen liefert, sollte das der Maßstab sein. Er steht nunmal da vorne drin, um die Tore zu erzielen und zwar nicht nur gegen Leverkusen und Dortmund", schrieb der ehemalige Bayern-Profi.

Auch Robben fehlt, Martínez muss aussetzen

Der FC Bayern muss das Halbfinal-Rückspiel definitiv ohne Nationalspieler Jérôme Boateng bestreiten. Der Innenverteidiger hat gegen die Spanier eine „strukturelle Verletzung der Adduktoren-Muskulatur im linken Oberschenkel“ erlitten, wie der Verein am Donnerstag mitteilte.

Arjen Robben musste gegen Real mit Oberschenkelbeschwerden vom Platz. Auch mit dem Holländer kann Trainer Jupp Heynckes für das Rückspiel am kommenden Dienstag aktuell nicht planen. Javi Martínez müsse wegen einer Schädelprellung zwei Tage mit dem Teamtraining aussetzen. Der Spanier dürfte damit in Madrid wieder zur Verfügung stehen.

Die Bayern machten in einer Mitteilung keine detaillierten Angaben, auch nicht zur Ausfalldauer von Boateng. Der 29 Jahre alte Weltmeister dürfte aber mehrere Wochen pausieren müssen. Die deutsche Nationalmannschaft startet am 23. Mai in die Vorbereitung auf die Weltmeisterschaft in Russland, die am 14. Juni beginnt.

Gnabry ohne Hoffenheim-Absprache im Stadion

Bayern-Leihgabe Serge Gnabry ist mit einem offensichtlichen Ausflug nach München zum Champions-League-Spiel gegen Real Madrid bei seinem Hoffenheimer Trainer Julian Nagelsmann auf Verständnis gestoßen. „Ich finde es grundsätzlich gut, wenn sich meine Spieler für Fußball interessieren. Ich frage ihn mal, ob er müde heute ist. Aber ich glaube nicht“, sagte Nagelsmann am Donnerstag gelassen auf die Frage eines Reporters, ob das nicht unprofessionell sei. Die Hoffenheimer treten mit Gnabry bereits an diesem Freitag (20.30 Uhr/Eurosport) in der Bundesliga gegen Hannover 96 an.

Abgesprochen sei das jedenfalls nicht gewesen, sagte Nagelsmann: „Es wäre noch schöner, wenn jeder Spieler seine Freizeit mit mir abspricht.“ Er finde so einen Ausflug nicht dramatisch: „Wenn ich nach München fahre, brauche ich ungefähr zweieinhalb Stunden. Also sitzt er zweieinhalb Stunden. Dann läuft er ein bisschen im VIP-Bereich rum und schaut sich das Spiel an. Ich glaube nicht, dass das jetzt so extrem anstrengend ist.“

Gnabry ist beim Tabellenfünften der Mann der Stunde: Der 22 Jahre alte Angreifer hat in den vergangenen sieben Spielen sieben Tore erzielt und gilt mittlerweile auch als Kandidat für die WM in Russland. Dessen Chancen im Nationalteam wollte Nagelsmann allerdings nicht bewerten. „Unfassbar, dass ihr diese Frage jede Woche stellt“, sagte der 30-Jährige bei der Pressekonferenz am Donnerstag nur. Bundestrainer Joachim Löw habe noch nicht angerufen.

U21-Europameister Gnabry kehrt nach Saisonende zum FC Bayern zurück, der ihn vor einem Jahr von Werder Bremen verpflichtet und dann an Hoffenheim ausgeliehen hat.

Boateng droht sogar das WM-Aus

Bittere Nachricht für den FC Bayern und Bundestrainer Joachim Löw: Weltmeister Jérôme Boateng hat sich gegen Real nach Informationen der "Sport Bild" eine Muskelverletzung im Oberschenkel zugezogen und soll vier bis sechs Wochen ausfallen. Die Saison wäre für den 29-Jährigen damit beendet, sogar die WM-Teilnahme in Gefahr.

Jérôme Boateng humpelte nach einer halben Stunde unter Geleit von Mannschaftsarzt Dr. Hans-Wilhelm Müller-Wohlfahrt vom Spielfeld
Jérôme Boateng humpelte nach einer halben Stunde unter Geleit von Mannschaftsarzt Dr. Hans-Wilhelm Müller-Wohlfahrt vom Spielfeld © Imago/MIS

Boateng hatte sich nach einem Sprint an den Oberschenkel gefasst und musste in der 34. Minute ausgewechselt werden. Trainer Jupp Heynckes war nach dem Spiel noch vage geblieben. "Bei Jérôme ist es etwas Muskuläres, er wird wohl ausfallen", sagte er. Am Donnerstag unterzog sich der Innenverteidiger einer genaueren Untersuchung.

Boateng war wegen einer schweren Oberschenkelverletzung erst im vergangenen Jahr von Mai bis September ausgefallen. Bei der EM 2016 hatte er sich einen Muskelbündelriss zugezogen und danach lange gefehlt. Zuletzt hatte er wieder an seine starken Leistungen anknüpfen können.

Auch Arjen Robben musste gegen Real ausgewechselt werden. Seine Verletzung scheint aber nicht so schwerwiegend zu sein, ein Einsatz im Rückspiel in Madrid am Dienstag ist noch nicht ausgeschlossen.

Zwei Angeschlagene auch bei Real Madrid

Auch Real musste verletzungsbedingt wechseln. Isco blieb zur Pause wegen Schulterproblemen in der Kabine, Dani Carvajal musste wegen einer Oberschenkelblessur vom Platz (67.). Zumindest Carvajal habe ihm aber gesagt, dass es "nichts Schlimmes" sei, sagte Trainer Zinedine Zidane.

Verbale Prügel für Lewandowski

Der bayerische Chancen-Wucher war nach dem Spiel ein großes Thema – auch für Jupp Heynckes. "Wir hatten eine Fülle von überragenden Torchancen, die wir leider nicht genutzt haben", sagte Münchens Trainer. "Wir waren nicht hungrig genug."

Geprügelter Hund: Robert Lewandowski hätte dem Spiel noch einmal eine Wende geben können
Geprügelter Hund: Robert Lewandowski hätte dem Spiel noch einmal eine Wende geben können © Imago/Revierfoto

Exemplarisch hob Heynckes dabei Robert Lewandowski hervor. "Tolisso hat wunderbar in die Tiefe gespielt, das ist normalerweise ein Tor", sagte Heynckes mit Blick auf die Großchance für Lewandowski, der in der 88. Minute allerdings neben das Tor zielte.

Auch Oliver Kahn pickte sich den polnischen Stürmer heraus. "Ich sehe ihn in diesen Spielen irgendwie zu wenig", sagte der ZDF-Experte: "Er wird diesem Status, den er gerne haben möchte, in diesen Spielen nicht gerecht."

Auch die spanische Zeitung "AS" befand: "Lewandowski erwischte keinen guten Tag." Dennoch machte Heynckes seiner Mannschaft Mut: "Ich habe selten eine Madrider Mannschaft gesehen, sie so viel zugelassen hat. Deshalb geben wir nicht auf."

Pressestimmen zu Bayern gegen Real

Marca (Spanien)

"Der Champion schaut bereits auf Kiew. Real jetzt im Vorteil dank der Tore von Marcelo und Asensio. Real befindet sich mittlerweile in einem Status, bei dem man schlechter spielt als Bayern und trotzdem in München gewinnt. Bitter für Bayern die schnellen Ausfälle von Robben und Boateng. Ribery war der große deutsche Albtraum, Keylor Navas rettete zweimal glänzend gegen ihn. Real kann sich mit dem Resultat glücklich schätzen. Kroos hat schon bessere Tage gehabt."

AS (Spanien)

"Real ist unzerbrechlich. Tore von Marcelo und Asensio und sonst wenig. Ohne gut zu spielen, überlebte Real das Tor von Kimmich. Real überstand den wütenden Angriffen der Bayern. Auch so gewinnt Real Madrid. Bale und Benzema auf der Bank, das Ende einer Ära. Lewandowski erwischte keinen guten Tag. Sehr gutes Resultat von Real, sonst gibt es kaum was zu beschönigen. Ribery ist zehn Jahre jünger geworden. Er zeigte sich frech, hartnäckig und schnell. Beeindruckend die offensive Ausrichtung von Heynckes von Beginn an. Der schwere Patzer von Rafinha bringt Bayern in die Bredouille. Trotzdem: Es bleibt spannend, und im Rückspiel ist noch alles möglich."

Sport (Spanien)

"Real Madrid dreht das Spiel gegen Bayern und streichelt am Finale. Real war abgezockter und nutzte die schweren Fehler der Deutschen um das Spiel zu drehen. Real steht mit anderthalb Füßen im Finale von Kiew. Die anfängliche Verletzung von Robben zerbrach Heynckes' Schlachtplan. Diesmal war von Ronaldo recht wenig zu sehen, er hatte wenig Ballkontakte. An fast allen gefährlichen Torszenen der Bayern war Ribery beteiligt. Bayern muss jetzt die Heldentat im Bernabeu-Stadion suchen."

El Mundo Deportivo (Spanien)

"Real ist näher am Finale von Kiew nach dem Sieg in München. Die Weißen nutzten ihre Chancen gegen ein Bayern, das viel mehr verdient hätte. Mit sehr wenig holt sich Real einen Erfolg, der Gold wert ist. Bayern musste mit den Verletzungen von Robben und Boateng schwer schlucken. Real wieder im Glück, so wie immer. Das ist für Real aber noch nicht durch, das werden jetzt nochmal 90 emotionsreiche Minuten in Madrid."

El Pais (Spanien)

"Real fliegt mit dem Autopiloten. Bayern hatte Real bis zum Schluss in den Seilen. Real ließ zu viel zu und bot außer der Tore kaum etwas, was einen Sieger ausmacht. Diesmal war nichtmal Ronaldo anwesend. So ist Fußball, nunmal unerklärlich."

Gazzetta dello Sport (Italien)

"FC Bayern macht sich Illusionen, doch Real verzeiht nicht. Die Spanier bestrafen die pechverfolgten Bayern beim kleinsten Fehler. Real hat Lehren aus aus dem Juve-Spiel gezogen, spielt mit größerer Aufmerksamkeit und weniger Überlegenheit. Ronaldo kann sich sogar ein Match als normaler Spieler erlauben und bleibt ohne Treffer, nachdem er in dieser Champions League in 11 Spielen in Folge getroffen hatte."

Corriere dello Sport (Italien)

"Wieder einmal droht Real Madrid, für den FC Bayern die Endstation sein. Im Heimstadion werden die Bayern durch die Hiebe von Marcelo und Asensio versenkt. Auf der Bayern-Bank wechseln sich die Coaches aus, doch nicht einmal Heynckes scheint den Sieg zu schaffen, von dem bereits Guardiola und Ancelotti geträumt hatten."

Tuttosport (Italien)

"Wenn Real siegt, auch wenn Cristiano Ronaldo nicht trifft, können die Spanier mit Recht vom Champions-League-Sieg träumen. Real versenkt FC Bayern vor dessen Fans und bezeugt einmal mehr, der klare Favorit dieses Turniers zu sein."

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Odense als Bayern-Vorbild?

Die Statistik spricht nicht gerade für den FC Bayern: Erst einmal in der Champions-League-Historie konnte ein Team im Halbfinale eine Heimniederlage im Rückspiel noch drehen. 1996 hatte Ajax Amsterdam mit Trainer Louis van Gaal zuhause gegen Panathinaikos Athen 0:1 verloren, in Griechenland dann aber 3:0 gewonnen.

Bisher war der deutsche Rekordmeister zweimal am Vorhaben gescheitert, in der Königsklasse nach einer Heimniederlage das Finale noch zu erreichen: In der vergangenen Saison schieden die Münchner nach einem 1:2 gegen Real aus (2:4 n.V.). 1991 hatte der Rekordmeister gegen Roter Stern Belgrad ebenfalls 1:2 zuhause verloren. Ein 2:2 in Belgrad durch eine Eigentor von Klaus Augenthaler (90.) bedeutete dann das Aus.

Ein Beispiel nehmen könnte sich der FC Bayern an Odense BK. Der dänische Club ist der einzige in der über 60-jährigen Europacup-Geschichte, der die Königlichen nach einer Heim-Pleite im Hinspiel noch ausschaltete.

1994/95 gewann Real im Uefa-Cup-Achtelfinale zunächst bei Odense 3:2. Im Rückspiel im Bernabeu lag Madrid bis in die Nachspielzeit durch einen Treffer von Ulrik Pedersen 0:1 zurück, ehe Morten Bisgaard (90.+2) den zweiten und entscheidenden Treffer für die Gäste erzielte. In Dänemark ist das Spiel als "Wunder von Madrid" bis heute in bester Erinnerung.

Rekord wenigstens für das ZDF

Das ZDF darf sich über den besten Zuspruch in der laufenden Champions-League-Saison freuen: Die Übertragung des Bayernspiels gegen Real verfolgten am Mittwoch ab 20.45 Uhr durchschnittlich 11,64 Millionen Zuschauer – der Marktanteil betrug 37,7 Prozent.

Die TV-Konkurrenz hatte damit keine Chance. Die Wiederholung des ARD-Dramas „Ein Atem“ mit Jördis Triebel interessierte ab 20.15 Uhr 2,24 Millionen Menschen (7,1 Prozent). Zuvor hatten 4,43 Millionen Zuschauer (15,9 Prozent) die „Tagesschau“ im Ersten eingeschaltet. Dahinter lag schon die Wiederholung des ZDFneo-Krimis „Ein starkes Team: Alte Wunden“ mit 2,03 Millionen Zuschauern (6,4 Prozent).

Bayern droht Strafe wegen Flitzern

Einer der Flitzer ging Bayern-Star Franck Ribéry an die Wäsche
Einer der Flitzer ging Bayern-Star Franck Ribéry an die Wäsche © Imago/Ulmer

Bayern München droht eine Strafe durch die Uefa. Nach dem Schlusspfiff gegen Real lief mindestens ein halbes Dutzend Flitzer auf den Platz, die Ordnungskräfte konnten die Situation erst nach ein paar Minuten bereinigen. Die Uefa pflegt derartige Vorfälle mit einer Geldbuße für den Heimverein zu belegen.

Auch Reals Toni Kroos (r.) erlebte den Platzsturm hautnah mit
Auch Reals Toni Kroos (r.) erlebte den Platzsturm hautnah mit © Imago/Philippe Ruiz

Zwei Flitzern gelang es, sich für ein Foto mit Reals Superstar Cristiano Ronaldo aufzustellen, ehe sie von den Ordnern abgeführt wurden. Ronaldo blieb dabei gewohnt cool, der Portugiese war schon häufiger Ziel von Flitzern. Ein anderer erreichte Bayern-Profi Franck Ribéry, ehe er von einem Aufpasser weggerissen wurde und Ribéry dabei ins Stolpern brachte. "So etwas sollte nicht passieren", sagte Weltmeister Toni Kroos über die Szenen.

Bayern beschwören das "Wunder von Madrid"

Bayern München beschwört nach dem unglücklichen 1:2 das "Wunder von Madrid". "Wir werden in Madrid noch einmal alles versuchen, um das Ergebnis zu korrigieren. Das ist auch unsere Pflicht", sagte Trainer Jupp Heynckes über das Rückspiel: "Am Schluss wird abgerechnet."

Die Begegnung in München habe wie Reals 1:3-Heimpleite im Viertelfinal-Rückspiel gegen Juventus Turin gezeigt, "dass Real Madrid verwundbar ist in der Defensive. Daraus können wir Hoffnungen schöpfen", ergänzte Heynckes. Er habe im Laufe seiner langen Trainerkarriere gelernt, "dass man sich nie aufgeben darf. Wir haben in Madrid nichts zu verlieren, können dort befreit aufspielen."

Auch Sportdirektor Hasan Salihamidzic meinte: "Wir geben nicht auf, fahren nach Madrid und werden alles versuchen." Torschütze Joshua Kimmich ergänzte: "Sie sind leicht favorisiert, aber wir werden alles reinhauen."

Madrid fühlt sich auf dem Weg ins Finale am 26. Mai in Kiew keinesfalls sicher. "Wir werden auch im Rückspiel leiden müssen, die Bayern können das auch im Bernabeu noch wettmachen", sagte Trainer Zinedine Zidane. Kapitän Sergio Ramos pflichtete bei: "Wir haben noch nichts erreicht."

Boateng deutet Abschied aus München an

Jérôme Boateng sieht seine Zukunft nicht mehr zwingend bei Bayern München. "Ich habe beim FC Bayern alles erlebt. (...) Und so komme ich langsam an den Punkt, an dem ich gewisse Fragen für mich beantworten muss: Was sind meine noch nicht erreichten Ziele? Möchte ich mich immer wieder beim gleichen Club mit den gleichen Voraussetzungen beweisen?", sagte der Weltmeister dem Magazin Socrates.

Es gehe ihm "um die Frage der persönlichen Herausforderung", ergänzte Boateng: "Das sind gar nicht unbedingt klassische Karrierefragen, das sind Lebensfragen. (...) Letztendlich sind es die Fragen, die einen als Menschen antreiben." Der 29-Jährige kam 2011 nach München und gewann neben sechs deutschen Meisterschaften dreimal den DFB-Pokal sowie 2013 die Champions League.