Madrid/München. Real MadridsRonaldo ist in der Form seines Lebens – gegen den Deutschen Meister trifft er mit am liebsten

779 Millionen gegen 962 Millionen Euro Marktwert, 69 gegen 86 Titel, Robert Lewandowski gegen Cristiano Ronaldo, die „schwarze Bestie“ gegen das „weiße Ballett“: Das Halbfinale der Champions League zwischen den Mia-san-Mia-Bayern und dem „königlichen“ Real Madrid bietet ein Spiel der Superlative, das Schaulaufen der Superstars.

„Es ist ein Gigantenduell mit riesiger Tradition. Das wird ein Spiel mit vielen Weltklassespielern, mit Leidenschaft, Emotion, vielleicht auch mit Trauer, das viele Millionen Menschen verfolgen werden. Das wird ein Genuss“, betonte Jupp Heynckes vor dem Hinspiel am Mittwoch (20.45 Uhr/ZDF und Sky) erwartungsvoll: „Das sind Höhepunkte.“

Als der Münchner Trainer am Dienstagnachmittag in den überfüllten Presseraum der Allianz Arena kam, war die Bedeutung des „Fußball-Leckerbissens“ (Arjen Robben) auch für den 72-Jährigen sofort zu spüren. 30 Kamerateams und über 100 Reporter wollten von Heynckes vor allem eines wissen: Sind die Bayern nach dem Triple 2013 diesmal für Titelverteidiger Real und den alles überragenden „CR7“ bereit?

Der erfahrene Bayern-Coach, der mit seinen Teams bislang immer das Finale erreicht hat, ist überzeugt davon. „Es gibt keinen Favoriten. Für mich ist die Partie völlig offen. Wir sind sehr gut beieinander, wir spielen eine überragende Saison, die wir damit krönen wollen, ins Finale einzuziehen“, sagte Heynckes mit Blick auf Kiew (26. Mai). Er habe „ein Gefühl wie 2013“.

Auf dem Weg ins Endspiel müssen die Münchner im Gegensatz zum Viertelfinal-Aus in der vergangenen Saison und dem Halbfinal-K.o. 2014 gegen Real insbesondere Ronaldo (33), den spanische Medien zum „Bayern-Fresser“ machten, ausschalten – und der befindet sich wieder einmal in der Form seines Lebens.

„Mit über 30 Jahren hat er sich noch umgestellt, in einen unglaub­lichen Strafraumstürmer verwandelt, man kann ihn nur beglückwünschen“, sagt Juventus Turins Trainer Max Allegri. Wie aktiv sein Madrider Kollege Zinedine Zidane diese Umschulung fördert, untermauerte zuletzt ein Bericht des Portals „El Confidencial“. Danach bat er Ronaldo die über ein Jahrzehnt lang angestammten Sololäufe über den halben Platz zu unterlassen und erarbeitete stattdessen einen Belastungsplan mit Aerobic und Intervallsprints, nach denen der Portugiese umso intensiver kurze Antritte über wenige Meter trainiert. Eben die typischen Bewegungen eines Mittelstürmers.

Als solcher gibt Ronaldo dem Coach ungleich mehr Spielraum. Wo Reals Aufstellung im 4-3-3-System zuvor jahrelang in Stein gemeißelt war, orchestriert Zidane jetzt taktisch unterschiedliche Formationen, die er oft auch während der Partie durch Auswechslungen ändert. Beim 2:1 im Achtelfinale auswärts in Paris wurden sogar die angeschlagenen Mittelfeldlenker Toni Kroos und Luka Modric erstaunlich problemlos ersetzt. Alles fließt, alles geht – solange nur Ronaldo trifft. Und solange Abwehrchef und Kapitän Sergio Ramos aufräumt. Wenn dann liegen Reals Schwächen eher hinten. Vorne hat es nur die Qual der Wahl.

Derweil schöpfte Ronaldo in Lissabon noch einmal Kraft für das große Duell mit seinem deutschen Lieblingsgegner. Den kurzen Liebesurlaub mit Lebensgefährtin Georgina Rodriguez verbrachte er standesgemäß im eigenen „CR7“-Hotel. Im Viertelfinale der vergangenen Saison hatte der Torjäger die Bayern mit fünf der sechs Real-Tore fast im Alleingang aus dem Wettbewerb geschossen. In den jüngsten drei Duellen traf er siebenmal, neun Tore in sechs Treffen sind es insgesamt – ein Tor alle 65 Minuten. Nur gegen Juventus Turin (zehn Tore) war er häufiger erfolgreich.

„Er schießt so viele Tore, das ist Wahnsinn. Ich treffe nicht mal im Training so oft“, sagt Bayern-Stürmer Sandro Wagner bewundernd. Jupp Heynckes nennt Ronaldos Killerinstinkt „überragend“ – kein Wunder, dass der Münchner Trainer-Routinier durchaus hofft, „dass er gegen uns nicht seine besten Tage erwischt“. Anzeichen gibt es dafür nicht.

„Er hat eine einzigartige Karriere hingelegt. Wir werden in der Analyse natürlich auch solch einen Spieler berücksichtigen“, betonte Heynckes, fügte aber umgehend an: „Die Champions League gewinnt die Mannschaft, die am homogensten ist.“ Außerdem habe der FC Bayern in Lewandowski „auch einen Stürmer, der schon 39 Pflichtspieltore erzielt hat“. Dennoch: Selbst Präsident Uli Hoeneß hat einen Heiden-Respekt vor Ronaldo. „Ich habe den noch nie schlecht gesehen“, sagte er. Man könne den Portugiesen „nicht ganz ausschalten. Er hat fast keine Schwächen, kompletter kann ein Stürmer nicht sein. Wir können ihn nur als Team stoppen“, ergänzte Weltmeister Jérôme Boateng.

Doch Ronaldo hin oder her: Die Bayern, die um David Alaba bangen, wollen erstmals seit fünf Jahren wieder den ganz großen Wurf landen. „Wenn im Moment einer Real Madrid schlagen kann, dann der FC Bayern. Die Mannschaft hat offenbar die Riesenqualität, alles zu schaffen, was sie sich vornimmt“, sagte Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge. Man habe eine „breite Brust“, unterstrich auch Kapitän Thomas Müller.

Den Grundstein gegen Real, das in den letzten vier Jahren in der Königsklasse dreimal triumphierte, wollen die Münchner diesmal in der Allianz Arena legen, wo sie im vergangenen Jahr 1:2 verloren hatten. 2014 setzte es unter Pep Guardiola sogar eine 0:4-Klatsche. Thomas Müller forderte deshalb mehr Mut: „Wir müssen nach vorne spielen.“ Die Pleiten seien „Vergangenheit“, versicherte Lewandowski: „Wenn wir unser Spiel spielen, bekommt Real Probleme.“

Das weiß auch der Ex-Münchner Toni Kroos. „Bayern zu schlagen wird schwieriger als letztes Jahr“, sagte er. Aber auf dem Weg zum 13. Titel in der Königsklasse (“Decimotercera“) lasse sich Real „nicht verrückt machen“. Zidane strahlte ebenfalls Zuversicht aus. „Wir sind in Form. Und wir werden unseren Titel bis zum Tod verteidigen“, sagte der Franzose „Unsere Spieler werden ihre Seele auf dem Platz lassen“, kündigte Real-Präsident Florentino Perez an. Es ist angerichtet für das 25. Gigantenduell.