Hamburg. Der Sportdirektor der Franken, der bis Ende 2014 beim Millerntor-Club war, spricht vor dem Duell beider Teams über die brisante Lage

Für Rachid Azzouzi (47) schließt sich ein Kreis. Als er im November vergangenen Jahres als Sportdirektor zur SpVgg. Greuther Fürth zurückkehrte, war ausgerechnet der FC St. Pauli der erste Gegner in der Zweiten Liga. Mit 4:0 triumphierten die Franken damals im eigenen Stadion. Fünf Monate später kommt es an diesem Sonnabend (13 Uhr) zum Rückspiel am Millerntor, wo Azzouzi zweieinhalb Jahre bis Ende 2014 als Sportchef tätig war.

Die Ausgangslage könnte für beide Teams kaum brisanter sein. St. Pauli belegt drei Spieltage vor Saisonende mit 37 Punkten den Abstiegsrelegationsplatz 16, Fürth ist nur um einen Zähler und einen Platz besser. „Es stehen für beide Mannschaften drei Endspiele an, am Sonnabend ist das erste“, sagt Azzouzi. „Aber für uns in Fürth ist das keine neue Situation. Im Grunde hatten wir, seitdem ich dort bin, fast nur Endspiele.“

Azzouzi denkt dabei daran, dass die Fürther damals Tabellen-17. waren und erst elf Punkte gesammelt hatten. St. Pauli war seinerzeit als Siebter (20 Punkte) noch in einer komfortablen Lage. Inzwischen hat sich das Bild gewandelt. „In den 17 Spielen seither, also praktisch einer Halbserie, haben wir 27 Punkte geholt. Das ist mehr als beachtlich. Unser Trainer Damir Buric und die Mannschaft haben einen richtig guten Job gemacht“, findet Azzouzi.

St. Pauli holte in dieser Zeit zehn Punkte weniger und verlor seine jüngsten drei Spiele. Der Trend scheint also klar, aber Azzouzi warnt: „Alles, was war, zählt jetzt nicht. Es geht jetzt nicht mehr um technische und taktische Finessen und um schönen Fußball, sondern nur noch darum, Punkte zu holen – auf welchem Weg auch immer. Es geht vor allem darum, die Situation so anzunehmen, wie sie ist.“

Dies ist in dieser Saison für alle gefährdeten Teams psychologisch besonders schwer, weil sie außer dem kaum noch zu rettenden 1. FC Kaiserslautern viel mehr Punkte auf dem Konto haben, als es für einen unteren Tabellenplatz bisher üblich war. „So extrem wie in dieser Saison habe ich es in all den Jahren noch nicht erlebt, dass die Liga so ausgeglichen ist. Sonst war man mit 37 oder 38 Punkten drei Spieltage vor Schluss schon so gut wie gerettet. Das ist diesmal komplett anders“, sagt Azzouzi. Andererseits hätten die Mannschaften, die ganz vorn sind, eine Punktzahl, mit der man sonst froh sein konnte, noch Dritter zu werden. „Das sagt vieles über die Liga aus. Das ist schon Wahnsinn.“

Vor der Saison hatte Azzouzi als damals vereinsunabhängiger Experte im Abendblatt zwar schon vorhergesagt, dass die Zweite Liga in dieser Saison ausgeglichen sein wird, da etwa die Bundesligaabsteiger Ingolstadt und Darmstadt keine klaren Aufstiegsanwärter waren. Von der extremen Ausprägung wurde aber auch er überrascht.

„Viele Vereine hatten vor der Saison eine sehr hohe Erwartungshaltung. Manche offen, manche ein bisschen heimlich. Das führte dann zwangsläufig dazu, dass viele sehr schnell unzufrieden waren. Sie hatten das Gefühl, sie müssten diesmal ganz vorn dabei sein, nach dem Motto: wenn nicht jetzt, wann dann? Es liegt in der Natur der Sache, dass das nicht klappen kann“, sagt Azzouzi, ohne explizit den FC St. Pauli zu nennen. Seinem Ex-Verein hatte er vor Saisonbeginn aber zugetraut, „Platz eins bis drei“ zu belegen – eine glatte Fehleinschätzung. „Wenn St. Pauli den guten Start fortgesetzt hätte, wäre es ja auch möglich gewesen, dort zu landen“, sagte er jetzt mit Blick auf die zehn Punkte nach den ersten fünf Spielen.

Die Realität heute aber ist der Abstiegskampf, in dem sich Fürth am Sonnabend mit einem Sieg deutlich Luft verschaffen und St. Pauli weiter in die Bredouille bringen könnte. „Ich wünsche mir, dass beide Mannschaften in der Liga bleiben. Aber am Sonnabend schaue ich nur auf meinen Verein“, sagt Azzouzi dazu. Man spürt, dass ihm der Kiezclub nicht gleichgültig ist. Schließlich hatte er etliche Spieler ans Millerntor geholt, die sich so gut entwickelten, dass sie Stammspieler wurden oder dem FC St. Pauli hohe Ablösen (Halstenberg, Rzatkowski) einbrachten. Ende 2014 hatte Azzouzi seinen Posten räumen müssen, weil Thomas Meggle vom Trainer zum Sportchef umfunktioniert wurde. „Ich hege keinen Groll. Es war eine schöne Zeit“, sagt Azzouzi.