Hamburg. Der lange nicht beachtete Torhüter wird zum Matchwinner. Seine Zukunft ist unklar

Julian Pollersbeck hatte einiges an Adrenalin abzuladen. Nach dem Tor von Lewis Holtby ballte er die Fäuste und rannte jubelnd durch die eigene Hälfte, als hätte er selber getroffen. Dass er das 1:0 überhaupt so emotional feiern konnte, lag auch an seinen Paraden, mit denen der Torhüter den HSV lange Zeit im Spiel hielt. Gleich viermal verhinderte Pollersbeck mit seinen teilweise spektakulären Reflexen vor der Pause einen Rückstand gegen Freiburg. „Er hat ein gutes Reaktionsvermögen“, lobte Trainer Christian Titz, wohl wissend, dass der HSV nun endlich wieder einen Spieler zwischen den Pfosten hat, der auch vermeintlich unhaltbare Bälle abwehrt. „Wir sind froh, so einen guten Torhüter zu haben“, sagte der HSV-Coach. Und auch Routinier Aaron Hunt bedankte sich stellvertretend für die gesamte Mannschaft bei seinem Schlussmann. „Er hat zwei richtig gute Dinger rausgeholt, sonst wären wir wahrscheinlich in Rückstand geraten.“

Dabei waren es nicht nur seine Paraden, durch die Pollersbeck zum heimlichen Spieler des Spiels avancierte. Als permanenter Anspielpartner für die Defensive nahm er außerdem die Rolle des ersten Aufbauspielers ein. „Das macht Spaß“, sagte Pollersbeck über seine neue Rolle unter Titz. 68 Ballkontakte – so viele wie kein anderer Profi auf dem Platz – sprechen für sich. Der vor der Saison für 3,5 Millionen Euro von Kaiserslautern verpflichtete U-21-Europameister wird immer sicherer in seinem Spiel. Auch lange Bälle der Gäste pflückte er problemlos herunter und strahlte dabei die Souveränität aus, die seine Vorderleute in der Abwehr oftmals vermissen ließen. Es war zweifellos sein bestes Spiel im erst siebten Anlauf für den HSV. Sich selber dafür loben wollte er allerdings nicht. „Es ist meine Aufgabe, Bälle zu halten“, sagte Pollersbeck nüchtern nach dem überlebenswichtigen Sieg. Der lange Zeit nicht berücksichtigte Keeper ist plötzlich eine wichtige Säule im Team. „Was war, ist völlig egal. Es ist eine Ehre, für diesen Verein vor so geilen Fans zu spielen.“

Ob Pollersbeck auch über die Saison hinaus mit den HSV-Anhängern jubeln wird, ist dagegen unklar. Vor allem Eintracht Frankfurt ist nach Abendblatt-Informationen weiterhin stark an einer Verpflichtung des 23-Jährigen als Nachfolger für den scheidenden Lukáš Hrádecký interessiert. Bevor er eine Entscheidung über seine Zukunft trifft, lebt Pollersbeck den Traum, mit dem HSV doch noch die Klasse zu halten. „Wir wissen, dass vieles möglich ist, wenn man den Glauben nicht verliert“, gibt sich der Torhüter kämpferisch.
Damit das Wunder gelingt, bedarf es in Wolfsburg einer ähnlichen Top-Leistung von Pollersbeck – mit einem weiteren Adrenalinausbruch.