Stuttgart. Die deutschen Tennisdamen verlieren das Fedcup-Halbfinale gegen überragende Tschechinnen mit 1:4

Angelique Kerber suchte Halt. Immer wieder blickte sie in Richtung Trainerbank, flehend fast, so als würde sie von dort, wo ihr persönlicher Cheftrainer Wim Fissette und Teamchef Jens Gerlach saßen, die Antwort auf all die Aufgaben erhoffen, die ihr Petra Kvitova stellte. „Atemlos“ quäkte über die Hallenlautsprecher, der Arena-DJ wollte mit dem Helene-Fischer-Schlager, den man nur hassen oder lieben kann, noch einmal die Stimmung anheizen. „Chancenlos“ allerdings hätte besser gepasst, denn innerhalb von nur 58 Minuten zerschellte am Sonntagnachmittag der Traum der deutschen Tennisdamen vom ersten Fedcuptriumph seit 1992 im Aufschlaggewitter der Tschechin.

6:2 und 6:2 hieß es nach einer brutalen Lehrstunde, mit der Kvitova die Gäste im Halbfinalduell in der mit 4500 Besuchern ausverkauften Porsche-Arena uneinholbar 3:1 in Führung brachte. Dass Julia Görges (29/Bad Oldesloe) und Anna-Lena Grönefeld (32/Nordhorn) das abschließende Doppel gegen Barbora Strycova und Katerina Siniakova beim Stand von 5:7 wegen leichter Bauchmuskelprobleme bei Görges aufgaben und das Endergebnis entsprechend 1:4 lautete, gehört zur Chronistenpflicht, interessierte aber niemanden. Zu bitter schmeckte die Erkenntnis, dass die hoffnungsvollste Generation seit der Ära Steffi Graf im wichtigsten Teamwettkampf wohl ungekrönt bleiben wird. Das Finale im November gegen die USA hätte ebenfalls daheim ausgetragen werden können. Nun spielen dort erneut die Tschechinnen, zum sechsten Mal innerhalb der vergangenen acht Jahre.

„Ich bin wahnsinnig stolz auf meine Mädels. Sie haben alles gegeben, aber Tschechien war einfach zu gut, das müssen wir anerkennen“, sagte Gerlach. Dass der Teamchef, der zu dieser Saison die zum Head of Women’s Tennis im deutschen Verband aufgestiegene Barbara Rittner ersetzt hatte, seine Spielerinnen lobte, war nicht überraschend. Er muss für gute Laune sorgen und dafür, dass seine Spitzenspielerinnen auch künftig zur Verfügung stehen. Doch warum der Gegner mehr Siegeswillen ausstrahlte; warum Görges und Kerber nur an einem Tag ihr Leistungslimit erreichten, konnte er nicht schlüssig erläutern. Das übernahm Rittner, die zugab, „dass der Druck am Sonnabend immens war. Man muss zugeben, dass Tschechien verdient im Finale steht, weil sie großartig gespielt haben.“

Um zu verstehen, warum die Auswahl von Teamchef Petr Pala den Fedcup in Serie gewinnt (bereits fünfmal seit 2011), war die Halbfinalpartie in Stuttgart eine Blaupause. Während es der zweimaligen Wimbledonsiegerin Kvitova (28/Nummer zehn der Weltrangliste) und der ehemaligen Weltranglistenersten Karolina Pliskova (26/Nummer sechs) gelang, auf dem Niveau zu agieren, das man von Top-Ten-Spielerinnen im Kampf um ein Finalticket erwarten darf, war bei den Deutschen einzig die Inkonstanz kon­stant. Immerhin war es Görges (Nr. 11) als deutscher Spitzenspielerin gelungen, nach einem seltsam spannungs­losen Auftritt im Eröffnungseinzel am Sonnabend gegen Kvitova (3:6, 2:6) die Reset-Taste zu drücken.

Gegen ihre frühere Doppelpartnerin Pliskova riss die mittlerweile in Regensburg lebende Norddeutsche am Sonntagmittag auch das Stuttgarter Publikum, das sich am Vortag von 300 tschechischen Fans hatte übertönen lassen, aus seiner Lethargie. Ihr mit unbedingtem Siegeswillen erzwungener 6:4, 6:2-Erfolg eröffnete Kerber die Chance zum Ausgleich. Doch die 30 Jahre alte Kielerin, die Pliskova am Sonnabend 5:7, 3:6 unterlegen war, konnte zu keiner Phase den Druck aufbauen, der nötig gewesen wäre, um Kvitova zu gefährden. Die Tschechin, der im Dezember 2016 ein Einbrecher in ihrer Privatwohnung mit einem Messer die linke Schlaghand zerschnitten hatte, wies eindrucksvoll nach, dass die schweren Blessuren keinerlei körper­liche Langzeitschäden hinterlassen haben. Sie schlug brillant auf, attackierte Kerbers schwachen zweiten Aufschlag aggressiv und war deshalb völlig zu Recht die Spielerin des Wochenendes.

„Petra hat alles getroffen, sie hatte ein unglaubliches Wochenende“, sagte Kerber, die das zweifelhafte Vergnügen hat, beim Porsche Grand Prix in dieser Woche an selber Stelle erneut gegen Kvitova anzutreten. Die Dimension ihrer Niederlage einzuordnen, fiel der Weltranglistenzwölften schwer. „Wir wussten, dass es eine historische Chance war, aber wir wussten auch, dass es gegen einen sehr starken Gegner ging“, sagte sie. Das Ziel, den Fedcup zu gewinnen, sei weiterhin da. „Wir haben diesen Traum, wir hoffen, dass er in Erfüllung gehen kann und werden nächstes Jahr versuchen, es besser zu machen“, sagte sie. Daran glaubt auch Rittner noch. „Es tut allen sehr weh, das Heimfinale verpasst zu haben. Aber wir werden 2019 wieder angreifen.“