Sinsheim/Hamburg. Nach dem 0:2 in Hoffenheim läuft dem HSV die Zeit davon. Abstieg schon am kommenden Wochenende? Heute gucken alle nach Mainz

An diesem Montag um 20.30 Uhr wird Christian Titz seinen Fernseher einschalten. Das Spiel, das dann läuft, will der HSV-Trainer aber nur nebenbei wahrnehmen. „Es ist nicht ratsam, wenn man solche Spiele mit Emotionen anschaut“, sagte Titz am Sonntag, einen Tag nach der 0:2 (0:2)-Niederlage der Hamburger bei 1899 Hoffenheim. Das Spiel, das heute Abend auf dem Eurosport Player zu sehen sein wird, ist das Duell Mainz gegen Freiburg. Sollte der Gastgeber die Partie gewinnen, könnte der HSV die Planungen für die Zweite Liga vorantreiben. Dann würde der Rückstand auf den Rettungsanker – Relegationsplatz 16 – auf acht Punkte anwachsen.

Am Montag sind also alle rund um den HSV Fans des SC Freiburg – kurioserweise gleichzeitig am Sonnabend der kommende Gegner der Hamburger und auch noch nicht frei von Abstiegssorgen. „Eigentlich will ich Freiburg beobachten“, sagte Titz, der jedoch aufgrund der Ausgangslage in einer emotionalen Zwickmühle steckt. „Wahrscheinlich werde ich mir das Spiel hinterher noch mal in Ruhe anschauen.“

Dass der HSV mal wieder vor allem auf die Ergebnisse der Gegner gucken muss, hatte er sich am Sonnabend vor 30.150 Zuschauern in der ausverkauften Wirsol Rhein-Neckar-Arena von Sinsheim in der ersten Halbzeit eingebrockt. Nach dem furiosen 3:2-Heimsieg in der Vorwoche gegen Schalke 04 hatten die Hamburger nach 15 zuvor erfolglosen Spielen wieder Glauben gefunden an die bereits aussichtslos erschienene Rettung. Doch das kleine Zwischenhoch wurde von einem Sturm in Hoffenheim so schnell wieder weggefegt, wie es erschienen war. Das Team von Trainer Julian Nagelsmann überrannte den HSV in den ersten 45 Minuten und entschied das Spiel bereits frühzeitig.

„Man muss einfach anerkennen, dass wir auf eine Mannschaft mit einer sehr hohen Qualität getroffen sind“, sagte Titz am Tag danach. Der Trainer hatte wie schon in seinen ersten drei Spielen eine mutige Grundformation gewählt – doch diese stieß bei der Mannschaft der Stunde in der Bundes­liga erstmals an ihre Grenzen. Hoffenheim, nun schon seit sieben Spielen ungeschlagen, verstand es, das System des HSV mit einfachen Mitteln zu entschlüsseln.

Zum einen nahm Nagelsmanns Team mit Matti Steinmann den wichtigsten Aufbauspieler des HSV aus der Partie. Zum anderen attackierten die schnellen Hoffenheimer Stürmer die hoch stehenden Außenverteidiger der Hamburger immer wieder in hohem Tempo. Sowohl das 1:0 des erneut überragenden Serge Gnabry (18.) als auch das 2:0 von Adam Szalai (27.) wurden über die Außen eingeleitet – und durch individuelle Stellungsfehler in der HSV-Abwehr ermöglicht. „Das Problem war, dass wir keinen Zugriff hatten. Wir sind an unserem eigenen Zweikampfverhalten gescheitert“, resümierte Titz.

Hoffenheims Manager Alexander Rosen sprach nach dem Spiel von einem Gegner, der nicht leblos gewirkt habe. Aber: „Manchmal erlebt man ja auch Gegner, wenn es bei denen um alles geht, dass sie mit Schaum vorm Mund kommen“, sagte Rosen. „Der fußballerische Ansatz war aber gut.“ Auch Hoffenheims Trainer Nagelsmann lobte den HSV dafür, dass er „die Entwicklung der vergangenen Wochen fortgeführt“ habe.

Doch im Kraichgau wurde den Hamburgern noch einmal mit aller Deutlichkeit vor Augen geführt, dass der Kader in der Bundesliga für Höheres nicht reicht. Mit Christian Titz versucht es in dieser Saison der dritte HSV-Trainer mit dem dritten anderen Ansatz. Doch der Turnaround ist auch dem Mannheimer zumindest nach Punkten nicht entscheidend gelungen. Augenscheinlich wurde in Hoffenheim erneut das Fehlen eines Topstürmers. Flügelflitzer Tatsuya Ito brach mehrfach erfolgreich in den Strafraum der Hausherren ein. Doch einen Abnehmer für seine Hereingaben suchte er vergeblich. Titz sprach hinterher von einer „schlechten Box-Besetzung“. Mit 57:43 Prozent Ballbesitz und 494:309 gespielten Pässen hatte der HSV wieder viele Spielanteile. Doch die Torgefahr fehlt. Ein Problem, das seit vier Jahren bekannt ist.

„Hier kann keiner zaubern“, sagte Sportdirektor Bernhard Peters. Ein wenig Zauberei wäre aber notwendig, will der Club noch das Wunder schaffen. Und nichts weniger als das wäre eine mögliche Rettung. Noch nie hatte der HSV nach 30 Spieltagen nur 22 Punkte. Nicht einmal zu Zeiten der Zweipunkteregel. Sollte Mainz an diesem Montag gegen Freiburg gewinnen, könnte der HSV sogar schon am kommenden Wochenende nach einer Heimniederlage gegen Freiburg absteigen.

Was den Hamburgern noch Hoffnung macht? „Die Mannschaft lebt“, sagt Trainer Titz angesichts der Steigerung in der zweiten Halbzeit. Ähnlich sieht es Verteidiger Gideon Jung. „Nach der Pause haben wir gezeigt, wie wir spielen und gegen den Ball arbeiten können. Das macht mich zuversichtlich.“ Die Zuversicht könnte heute ganz schnell wieder schwinden, wenn Mainz gegen Freiburg drei Punkte holt. Und die Rettung des HSV wieder in ganz weite Ferne rückt.