Hamburg. Auch Darmstadt 98 wittert nach Sieg gegen Spitzenreiter Düsseldorf wieder eine Chance auf den Klassenerhalt

Wie viele Profis des FC St. Pauli den Ostermontagabend vor dem Fernseher verbracht und sich statt des „Tatorts“ das Zweitligaspiel zwischen Darmstadt 98 und Fortuna Düsseldorf angeschaut haben, ist nicht überliefert. Es hätte sich für jeden Einzelnen von ihnen auf jeden Fall gelohnt, war es doch ein idealer Anschauungsunterricht, wie eine Mannschaft in einer höchst bedrohlichen Situation den Kampf um die sportliche Existenz angenommen hat und belohnt wird. Der Tabellenvorletzte Darmstadt bezwang – trotz Unterzahl seit der 43. Minute – den Tabellenführer Düsseldorf mit 1:0 (1:0). Es war ein Sieg des Willens gegen die fußballerische Überlegenheit.

Von all dem, was die Darmstädter in dieser Partie gegen den klaren Favoriten auf dem Rasen zeigten, hatten am Ostersonntag die mehr als 29.000 Zuschauer im Millerntor-Stadion von den Profis des FC St. Pauli beim 1:1 gegen den punktgleichen SV Sandhausen nur wenig zu sehen bekommen. Die Leidenschaft und der unbedingte Wille, sich gegen den drohenden Abstieg zu wehren, hatten die St.-Pauli-Anhänger vermisst. „Ich kann meinen Spielern nicht vorwerfen, dass sie nicht gekämpft haben“, sagte Cheftrainer Markus Kau­czinski in der Nachbetrachtung des Spiels dennoch.

Es ist verständlich, dass sich der Coach nach außen vor seine Akteure stellt. Wenn jedoch ein potenziell siegbringender Strafstoß so lässig geschossen und deshalb vergeben wird, wie es Aziz Bouhaddouz gegen Sandhausen praktizierte, ist dies zumindest ein Indiz dafür, dass eben noch nicht bei allen St.-Pauli-Profis angekommen ist, in welch bedrohlicher Lage sie sich befinden. Zugegeben – Platz zehn und 37 Punkte nach 28 Spielen verführen leicht zur unterbewussten Einschätzung, es sei ja alles nicht so schlecht und der Abstieg allenfalls theoretisch möglich.

Die Realität ist allerdings eine andere. Die vier Teams, die vor dem vergangenen Spieltag die letzten vier Tabellenplätze belegt hatten, gewannen über Ostern ausnahmslos ihre Spiele. St. Pauli ist dagegen seit dem 25. Februar, als es ein glückliches 3:2 gegen Kiel gab, sieglos. Am kommenden Wochenende droht erneut der Sturz auf den Abstiegs-Relegationsplatz 16, weil der 1. FC Heidenheim, der auf diesen Rang gepurzelt ist, nur drei Punkte weniger und die bessere Tordifferenz aufweist. Und jetzt wittert sogar die zuvor anscheinend abgeschlagene Mannschaft von Darmstadt 98 ihre Chance auf den Klassenverbleib. St. Paulis Vorsprung auf die „Lilien“ ist in den vergangenen vier Spielen von elf auf sechs Punkte geschmolzen. Jeder kann sich leicht ausrechnen, was die Fortsetzung dieser Entwicklung in den noch ausstehenden sechs Partien bedeuten würde.

„Die Mannschaft weiß, was die Stunde geschlagen hat“, sagte Trainer Kauczinski vor dem Spiel gegen Sandhausen. Den Beleg dafür blieb das Team schuldig. Ist es also tatsächlich wieder nötig, auf einen Abstiegsplatz zu stürzen, um den Ernst der Lage wirklich zu begreifen? Im vergangenen Jahr und auch 2015 hatte sich St. Pauli mit einer erfolgreichen Aufholjagd noch aus fast aussichtslosen Situationen befreit, während es andere Teams, die sich lange sicher fühlten, erwischte. Jetzt droht St. Pauli genau diese Rolle.

„Es wird der Auftrag sein, Dinge zu erzwingen. Wir haben es zuletzt nicht geschafft, die Dinge in eine Richtung zu lenken“, sagte Uwe Stöver angesichts fahrlässig verschenkter Punkte in Kaiserslautern und in Sandhausen. Diese Sätze können durchaus als Kritik am Team verstanden werden.