Berlin. Real-Star lässt kaum ein gutes Haar an seinen Mitspielern, zwei von ihnen pflichten ihm teilweise bei. Löw gibt sich unbesorgt.

Test misslungen, Serie gerissen: Die deutsche Fußball-Nationalmannschaft hat das zweite Länderspiel im Zuge der WM-Vorbereitung mit 0:1 (0:1) gegen Rekordweltmeister Brasilien verloren. Im Berliner Olympiastadion hatte Bundestrainer Joachim Löw eine B-Elf auf den Platz geschickt, die jedoch die erste Niederlage nach 22 Spielen nicht verhindern konnte. Den entscheidenden Treffer für die Südamerikaner erzielte Gabriel Jesus (Manchester City) in der 37. Minute.

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Müller pflichtet Kritiker Kroos bei

Thomas Müller kann die Kritik von Toni Kroos nachvollziehen. "Ich denke, dass man mit der gesamten Leistung nicht ganz so zufrieden war, und das ist ja auch gut. Wir sitzen nicht auf dem hohen Ross und haben trotzdem große Ziele. Das ist eigentlich eine ganz gute Mischung“, sagte der Kapitän des FC Bayern München am Mittwoch in einem Interview von „Sky Sport News HD“.

„Wir sind alles Typen, die immer gewinnen wollen. Dementsprechend kann ich schon nachvollziehen, dass die Stimmung nicht unbedingt super war“, sagte der 28-Jährige. „Man darf nicht vergessen, dass es auch ein Testspiel war, dass der Trainer auch wichtige Erkenntnisse gesammelt hat. Die werden wir als Team, als Trainerstab, als DFB nutzen und sicherlich mit ins Trainingslager nehmen.“ Man habe gewusst, dass man zwei Spiele gegen zwei Topgegner bestreite und wollte eben diesen Testcharakter haben. Auf Müller, Torschütze beim 1:1 gegen Spanien, verzichtete Bundestrainer Joachim Löw dabei.

Kommentar: Löw braucht seine Weltmeister

Kroos hatte nach der Niederlage gegen die Südamerikaner deutlich das Missverhältnis von Wort und Tat bei den Nachrückern um Leroy Sané und Ilkay Gündogan öffentlich angeprangert. „Ich habe von allen mehr erwartet. Aber wenn man die Möglichkeit hat in so einem Spiel, dann kann man hier und da schon eine andere Körpersprache erwarten“, sagte der 28-Jährige. Man habe deutlich gesehen, „dass wir doch nicht so gut sind, wie uns immer eingeredet wird oder wie vielleicht auch einige von uns denken“.

Zwölf Millionen sehen deutsche Niederlage

Überdurchschnittlicher Andrang vor den Fernsehern beim Fußballgipfel zwischen Deutschland und Brasilien: Das Testspiel der beiden Nationalteams verfolgten am Dienstagabend im ZDF ab 20.50 Uhr 12,08 Millionen Zuschauer. Der Marktanteil betrug 38,0 Prozent. Mit dem Sieg gelang Brasilien eine kleine Revanche für die 1:7-WM-Halbfinalpleite gegen Deutschland vor fast vier Jahren. Bereits die Vorberichterstattung ab 20.15 Uhr interessierte 7,79 Millionen Zuschauer (27,2 Prozent). Wegen des Fußballspiels kam das ZDF auf einen Tagesmarktanteil von 21,0 Prozent.

Kroos watscht seine Kollegen ab

Weltmeister Toni Kroos hat die zweite Garde scharf kritisiert. "Alles" habe ihm missfallen, sagte Kroos im ZDF: "Und das, obwohl wir einige Spieler auf dem Platz hatten, die die Möglichkeit hatten, sich zu zeigen auf diesem Niveau. Das haben sie nicht getan."

Unzufrieden: Toni Kroos und Mario Gomez im Test gegen Brasilien
Unzufrieden: Toni Kroos und Mario Gomez im Test gegen Brasilien © Imago/Jan Hübner

Für ihn überwiege nach der Niederlage von Berlin "klar das Negative", ergänzte Kroos: "Da haben wir mal gesehen, dass wir doch nicht so gut sind, wie uns immer eingeredet wird oder wie vielleicht auch einige denken von uns. Das war deutlich zu wenig von vielen. Besonders die mit Ball haben mir gar nicht gefallen, muss ich sagen. Wir haben kaum einen Ball gehalten vorne, haben uns viel zu einfach abkochen lassen, die Zweikämpfe nicht so angenommen."

Die DFB-Spieler in der Einzelkritik

Löw hatte seine Startelf im Olympiastadion nach dem guten Spiel gegen Spanien (1:1) auf sieben Positionen verändert, Kroos war einer von vier Spielern, die in beiden Partien begannen (daneben Jerome Boateng, Joshua Kimmich und Julian Draxler).

Ein Gutes habe der Weckruf gegen die Selecao aber wohl, meinte Kroos: "Vielleicht war es gut zu sehen, dass da noch eine Menge Luft ist nach oben. Das heißt jetzt nicht, dass wir nicht zur WM fahren brauchen, aber es ist ganz gut zu sehen, dass da schon noch ein Stück fehlt."

Seine Kollegen pflichteten ihm bei. "Ich gebe Toni recht, es hat einiges gefehlt. Er hat recht, die Alarmglocken angehen zu lassen. Aber ich sehe für die WM nicht schwarz", sagte Draxler. Ilkay Gündogan meinte: "Wir müssen selbstkritisch sein, klar und deutlich ansprechen, was wir besser machen müssen. Da gibt es einiges."

Löw sah "ein bisschen Verunsicherung"

Joachim Löw sah die Test-Niederlage nicht nur negativ. Hier sind die Antworten des Bundestrainers auf die Fragen in der Pressekonferenz nach dem Spiel.

Frage: Joachim Löw, wie bewerten Sie den letzten WM-Härtetest gegen Brasilien?

Joachim Löw: "Es war irgendwie nicht unser Tag. Wegen der Wechsel ist unser Spiel nicht so rund gelaufen wie normalerweise. Wir haben Brasilien mit einer ganzen Reihe von einfachen Ballverlusten stark gemacht. Die Körpersprache war nicht gut, die Dominanz, die Ausstrahlung, diese Sicherheit, das Verantwortungsgefühl, dagegenzuhalten. Wir sind zu Recht in Rückstand geraten, haben keinen Druck nach vorne entfacht, nicht schnell gespielt."

Kommt Ihnen das gerade recht?

Löw: Naja, so ein Spiel will man nicht verlieren, auch wenn ich gesagt habe, dass das Ergebnis hinten angestellt ist. Jetzt haben wir verloren, damit kann ich trotzdem gut leben. Aber dass wir an drei, vier Punkten sehr intensiv arbeiten müssen, ist klar. Für uns ist das Trainingslager wichtig, 14 Tage am Stück zu trainieren, manche Dinge einschleifen zu können.

Brasilien bekam seine Revanche...

Löw: Wenn die brasilianische Seele jetzt ihren Frieden findet, ist das absolut okay. Es war zu erwarten, dass Brasilien mit wahnsinniger Motivation ins Spiel geht, vielleicht aber auch mit ein bisschen Sorge, wieder zu verlieren. Deshalb hätte ich mir gewünscht, dass wir so anfangen, dass sie hinterherlaufen müssen. Aber wir haben es in der Raumaufteilung nicht gut gemacht, hatten zu viele Spieler hinter dem Ball."

Warum haben Sie Torwart Kevin Trapp durchspielen lassen?

Löw: Ich habe gesagt, wir planen einen Wechsel, wenn es das Spiel zulässt. In der Halbzeit hatten wir das Gefühl, dass wir so weitermachen, weil vielleicht ein bisschen Verunsicherung da war. Klar hat er mit dem Fuß ein paar Bälle zum Gegner gespielt, aber man hat ihn da hinten manchmal mit dem Ball alleine gelassen. Normalerweise haben wir mehr Mumm, hinten herauszuspielen."

Ist eine Erkenntnis des Spiels: Eine erste Elf gibt es doch?

Löw: Es darf nicht nur eine erste Elf geben. Aber bei einem Turnier macht man nur punktuell Wechsel, da ist es einfacher, wenn Spieler in ein Gesamtgefüge kommen, das funktioniert. Spieler wie Hummels, Khedira, Özil, Müller können andere in schwierigen Situationen anleiten.

In den letzten drei Tests geriet die Mannschaft immer in Rückstand, macht Ihnen das Sorgen?

Löw: Nein, das bereitet mir keine Sorgen. Mir bereitet eigentlich kaum was große Sorgen, weil ich weiß, dass die Mannschaft zu ganz anderem fähig ist. Ich weiß, was wir können, was wir spielen können, welche Mentalität wir in der Mannschaft haben. Deshalb mache ich mir keine Sorgen. 2014 und 2010 haben wir auch im März verloren, gegen Chile waren wir ganz schlecht. Sie können sicher sein, dass wir uns steigern."

Kann es sein, dass Sie in diesem Spiel gar nichts Positives gesehen haben?

Löw: Doch. In der zweiten Halbzeit gab es ein paar positive Dinge, mehr Zug nach vorne, bessere Zweikampfintensität, wir wollten das Spiel umdrehen, nicht verlieren, hatten eine bessere Körpersprache. In der ersten Halbzeit war mir das von einigen zu wenig.

Noch mindestens zehn Spiele in 2018

Vor dem Start der WM-Endrunde in Russland stehen für die deutsche Nationalmannschaft noch zwei Testspiele auf dem Programm. Am 2. Juni trifft der Titelverteidiger in Klagenfurt auf Österreich (18.00/ZDF), am 8. Juni findet in Leverkusen die Generalprobe gegen Saudi-Arabien (19.30/ARD) statt. Am 15. Mai benennt Bundestrainer Joachim Löw in Dortmund seinen erweiterten WM-Kader.

Der Fahrplan der deutschen Nationalmannschaft

15. Mai

Nominierung des vorläufigen WM-Kaders in Dortmund

02. Juni

Österreich - Deutschland in Klagenfurt (18.00/ZDF)

08. Juni

Deutschland - Saudi-Arabien in Leverkusen (19.30/ARD)

17. Juni (WM)

Deutschland - Mexiko in Moskau (17.00/ZDF)

23. Juni (WM)

Deutschland - Schweden in Sotschi (20.00/ARD)

27. Juni (WM)

Deutschland - Südkorea in Kasan (16.00/ZDF)

06. September (Nations League)

Deutschland - Frankreich in München

13. Oktober (Nations League)

Niederlande - Deutschland

16. Oktober (Nations League)

Frankreich - Deutschland

19. November (Nations League)

Deutschland - Niederlande in Gelsenkirchen

15. November

Deutschland - Russland in Leipzig

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