Essen . Die Vorwürfe des Müncheners empören nicht nur Liga-Präsident Reinhard Rauball. Auch DFB-Präsident Reinhard Grindel geht auf Konfrontation zu den Bayern

Am Anfang sah es ganz nach einem Männerstreit aus. Der eine wetterte im Kicker gegen einen, so wörtlich, „mäßigen Zweitligisten“. Der andere spottete in seiner Stellungnahme vom „früher erstklassigen Stürmer“. Inzwischen geht es nicht mehr allein um Karl-Heinz Rummenigge gegen Andreas Rettig oder um Rekordmeister FC Bayern gegen Zweitliga-Club FC St. Pauli. Seit Montag hat das vierseitige Rummenigge-Interview im Kicker eine neue Wucht entfaltet: Ein Riss geht durch den deutschen Fußball.

Rauball weist die Vorwürfe sachlich, aber deutlich zurück

Ausgangspunkt war die Bundesliga-Versammlung am Donnerstag voriger Woche. Offenbar hatte sich Rummenigge in Abwesenheit geärgert, dass Rettig die Beibehaltung der umstrittenen 50+1-Regelung im Handstreich durchsetzen konnte. Der Vorstandschef des FC Bayern nannte das Resultat, dass Investoren keine Mehrheit im Club kaufen können, „ein emotionales und populistisches Spektakel von Rettig“. Und wurde da grundsätzlich: „Die Liga ist zerrissen.“ Ursache: Führungsschwäche in der DFL.

Obwohl Rummenigge ihn nicht einmal mit Namen erwähnte, wurde im Kontext schnell klar, wen genau er bei der Deutschen Fußball-Liga (DFL) meinte: Reinhard Rauball, den Präsidenten. Das ist doppelt heikel: Rauball ist auch Präsident von Borussia Dortmund, dem Rivalen im Duell am kommenden Sonnabend in der Bundesliga. BVB-Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke musste sich beeilen, seinem Mentor öffentlich in der Tageszeitung „Die Welt“ beizuspringen. Es kracht gewaltig hinter den Kulissen.

„Der Vorwurf an die DFL ist unberechtigt“, verteidigte sich Rauball im Gespräch mit dieser Zeitung. „Die Frage um 50+1 wird allein von 36 Proficlubs entschieden.“ Es sei ein „fataler Irrtum“ zu glauben, das Präsidium könne 50+1 aufheben — „die ist Bestandteil der Satzung“. Rauball zu Rummenigge: „Es ist eine Fehleinschätzung zu meinen, dass ein Interview allein ausreicht, um diese Satzung zu ändern. Das ist keine Frage der Führung, sondern ausschließlich Angelegenheit der 36 Clubs.“

Der Verweis auf die Satzung wird Karl-Heinz Rummenigge kaum beschwichtigen. Er sagte: „Ich habe mich am vergangenen Donnerstag geistig ein Stück von der DFL verabschiedet. Ich finde die gesamte Entwicklung in der DFL bedenklich.“

Ausgerechnet Rummenigge beklagt Gewinnmaximierung

Dann listet er die Mängel in der Liga auf: Eingeschränkte Wettbewerbsfähigkeit gegen Bayern München, die Beschränkung auf Vermarktung, Stillstand in der Entwicklung, mangelhafte Führung durch das Präsidium. Jeder Satz eine Ohrfeige.

Einmal in Fahrt kam Rummenigge plötzlich auf den Deutschen Fußball-Bund (DFB): „Was mir bei den Verbänden auffällt: Sie werden immer mehr zu Vermarktungs-Maschinen. Doch die Gewinnmaximierung ist nicht Kernaufgabe eines Verbandes. Ein Verband muss sich um den Sport und die Sportler kümmern, der Fußballverband also um den Fußball.“ An anderer Stelle vermisst er Visionen: „Wir sprechen allein darüber, wer wie viel Geld vom Kuchen bekommt.“

Die Erweiterung der Fußball-WM, Gründung der Nations League, Ausbeutung im Europapokal: Rummenigge holte zum Rundumschlag aus: „Wir betreiben gerade Raubbau mit dem Fußball und insbesondere mit der Gesundheit der Spieler.“ Dafür verantwortlich: allein die Verbände. „Die Clubs verhalten sich seit Jahren dem Fußball und den Spielern gegenüber vorbildlich.“

Die Sätze machen die Verbandsvertreter fassungslos: Beklagt hier der FC Bayern, der umsatzstärkste Verein im Land, wirklich Geldgier?

DFB-Präsident Reinhard Grindel wollte den Vorwurf jedenfalls nicht auf sich sitzen lassen. „Der DFB hat gerade durch die Einrichtung seiner Akademie die Weichen gestellt, sich sportlich und wissenschaftlich fundiert den neuen Herausforderungen des Fußballs zu stellen“, hält er Rummenigge entgegen und verweist auf eine „Vielzahl von Innovationen“. „Insofern hat der Fußball im DFB absoluten Vorrang vor Fragen des Sponsorings oder Merchandisings.“

Grindel darf sich auch deshalb herausgefordert fühlen, weil er sich persönlich im Council des Weltverbandes Fifa gegen die Erweiterung der Club-WM ausgesprochen hatte. „Im Übrigen fließen die erhöhten Erlöse aus unseren Partnerverträgen gerade auch der Amateurbasis zu.“ Die neue Liga für Nationalmannschaften („Nations League“) hält er für harmlos: „Die bringt keine zusätzlichen Spiele, sondern tritt an die Stelle von Freundschaftsspielen.“

Doch während der DFL-Vize Peter Peters, Finanzvorstand beim FC Schalke, am Rande des Brasilien-Länderspiels in Berlin eine „versachlichte Diskussion“ und „unaufgeregte Analyse“ einforderte, rollten die Rummenigge-Worte wie eine Lawine über den deutschen Fußball. Einer gegen alle, alle gegen einen. „Die Debatte wird jetzt sehr emotional geführt“, stellte DFB-Direktor und Teammanager Oliver Bierhoff fest, „aber inhaltlich trägt sie nicht.“

Auch Bierhoff hält die harsche Kritik für falsch

Bierhoff in seiner Erwiderung auf Rummenigge: „Wir beanspruchen die Nationalspieler heute nicht mehr als früher, es gibt auch nicht mehr Spiele.“ Jede Vermarktung sei ja abgestimmt. Aber Rummenigge hatte nicht mal erwähnt, dass sein Spieler Thomas Müller beispielsweise vorzeitig zurück zu Bayern München durfte. Damit er nicht überbeansprucht wird.

Mitarbeit: Daniel Berg, Jörn Meyn