Hamburg. Der zum Fußballlehrer gekürte Nachwuchstrainer des FC St. Pauli über nötige Qualitäten, um Profi zu werden

Richtig ausschlafen durfte Timo Schultz am Sonntagmorgen nicht, obwohl dies weder mit der Zeitumstellung noch mit seinen beiden Kindern zu tun hatte. Vielmehr war er bereits am frühen Morgen dienstlich gefordert. Der Cheftrainer des U-17-Bundesligateams des FC St. Pauli stand beim Hamburger Pokalspiel seines Teams bei der 2. B-Jugend des SC Victoria an der Seitenlinie. Schon um 9.30 Uhr wurde die Achtelfinal-Partie im Stadion an der Hoheluft angepfiffen. Am Ende hatte Schultz’ Team standesgemäß mit 8:2 gewonnen.

Für den 40 Jahre alten Timo Schultz war das Pokalduell bei Victoria das erste Spiel, seit er am vergangenen Montag die Urkunde als Fußballlehrer überreicht bekommen hatte. Der frühere Mittelfeldspieler, der bis 2011 69 Zweitliga- und vier Bundesligaspiele für den FC St. Pauli bestritten hatte, ist damit der nächste im Trainerteam des FC St. Pauli, der den hierzulande höchstmöglichen Abschluss in diesem Beruf erreicht hat.

„Unser Ziel ist es, nicht nur junge Spieler, sondern auch Trainer selbst auszubilden“, hat St. Paulis Präsident Oke Göttlich einmal gesagt. So will sich der Verein vom Millerntor dafür rüsten, bei Bedarf auch einmal einen Trainer für das Profiteam aus den eigenen Reihen zu rekrutieren. Mit Thomas Meggle hatte man dies im Herbst 2014 schon einmal probiert, das Unterfangen endete allerdings nach nur 13 Spielen.

Für Timo Schultz sind solche Überlegungen derzeit allerdings nicht aktuell. Vielmehr freut er sich darauf, mit dem erst im vergangenen Dezember verpflichteten Cheftrainer Markus Kauczinski intensiv zusammenzuarbeiten. „Er hat ein gutes Auge für junge Spieler, und ich weiß, dass er Bock darauf hat, Jugendspieler zu fördern“, sagt Schultz. Im Januar hatte er Gelegenheit, Kauczisnki intensiv kennenzulernen und sich mit ihm auszutauschen. Im Rahmen seiner neun Monate langen Ausbildung zum Fußballlehrer absolvierte Schultz das obligatorische Praktikum beim Zweitligateam seines Clubs und war somit auch im Trainingslager in Spanien als Teil des Trainerteams dabei.

Für Schultz war dies allerdings auch keine neue Erfahrung. Schon unter den früheren St.-Pauli-Cheftrainern André Schubert, Michael Frontzeck, Roland Vrabec und Thomas Meggle hatte er als Co-Trainer gearbeitet, ehe er Anfang 2015 ins Nachwuchsleistungszentrum (NLZ) des Kiezclubs wechselte. „Ich fühle mich in dieser Aufgabe mega wohl und konnte bisher viel ausprobieren. Mit dem Wissen, das ich mir jetzt noch in der Fußball-Lehrer-Ausbildung angeeignet habe, werde ich noch mehr ausprobieren, umsetzen und mit den Jungs etwas entwickeln können“, sagt Schultz.

„Timo ist entscheidungsfreudig, klar, in seinem Alltag sehr gut organisiert und offen für neue Ansichten“, sagt St. Paulis NLZ-Leiter Roger Stilz über Schultz. Hinter sechs Nachwuchsteams von Erstligaclubs steht das U-17-Team auf dem siebten Rang der B-Junioren-Bundesliga Nord/Nordwest. „Es ist ein Vorteil für uns, dass wir nicht Erster in der Junioren-Bundesliga werden müssen. So können wir uns darauf konzentrieren, die einzelnen Spieler auf und neben dem Platz zu entwickeln, also auch in ihrer Persönlichkeit“, sagt Schultz. Das über allem stehende Ziel sei, mehr Talente als bisher so weit zu bringen, dass sie im Profiteam nicht nur zum Kader gehören, sondern auch regelmäßig zum Einsatz kommen. Diese Durchlässigkeit sei bisher noch nicht so gegeben. „Wir haben aber mehrere Spieler, die es schaffen werden, am Millerntor zu spielen“, sagt er. „Wir müssen ihnen klar machen, dass der Weg nicht zu Ende ist, wenn sie da oben trainieren dürfen, sondern es dann erst richtig anfängt.“

Schultz hat Respekt vor der Doppelbelastung der Spieler

Gerade dies sei eine Frage der Mentalität, die es ebenso auszubilden gilt wie die rein fußballerischen Qualitäten. Mehr noch. „80 Prozent ist Mentalität, 20 Prozent sportliches Talent. Wenn die nötige Mentalität nicht vorhanden ist, hat man keine Chance. Dann wird man von den Buballas dieser Welt aufgefressen“, sagt Schultz mit Blick auf St. Paulis lauf- und kampfstarken Linksverteidiger Daniel Buballa.

Insgesamt habe er großen Respekt vor dem Programm, das seine Spieler abreißen mit Schulunterricht teils bis 17 Uhr, Training danach und den Spielen am Wochenende. „Als Trainer habe ich es aber wahrscheinlich leichter als die Lehrer“, ahnt Timo Schultz.

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