Mailand. 22-mal vergaben die Preisrichter die Höchstnote 10,0: Aljona Savchenko und Bruno Massot haben ihren Olympiasieg mit dem Paarlauf-Titel bei den Weltmeisterschaften in Mailand veredelt

Die große WM-Party nach der erneut grandiosen Kür fiel aus, Bruno Massot wünschte sich stattdessen einfach nur „ein großes Bett“. Und auch Aljona Savchenko kämpfte nach dem zweiten Goldtriumph binnen fünf Wochen mit ihrer Müdigkeit. „Wir waren ganz weit unten, aber Familie, Freunde und Fans haben uns wieder Energie gegeben“, sagte die nun sechsmalige Weltmeisterin und blinzelte fast schon schläfrig dazu.

Als einzige Goldmedaillengewinner von Pyeongchang stellten sich die Oberstdorfer auch in Mailand der Konkurrenz – und übertrafen ihr Kür-Glanzstück aus der Gangneung Ice Arena sogar noch, indem sie mit 245,84 Punkten den Weltrekord der russischen Olympiasieger von 2014, Tatjana Wolossoschar und Maxim Trankow (237,71 Punkte), deutlich verbesserten. Massot: „Der olympische Geist war noch mal da, wir haben das Maximum unserer Herzen gegeben.“ Dennoch war es nach nur fünf Tagen gezielter Vorbereitung auch ein Kraftakt, der fast grenzenlose Bewunderung am Rande der Bande auslöste. „Nach Olympia noch einen draufzusetzen, ist selten und etwas ganz Besonderes. Diese mentale Stärke ist fantas-tisch. Man kann von einer Jahrhundert-Kür sprechen“, schwärmte Udo Dönsdorf, Sportdirektor der Deutschen Eislauf-Union. Ähnlich euphorisch war Paarlauflegende Hans-Jürgen Bäumler. „Das war perfekt. Ich bin froh, dass ich alt genug geworden bin, um die Nachfolger zu sehen“, sagte der 76-Jährige.

Mit Marika Kilius bildete Bäumler das deutsche Traumpaar der 60er-Jahre. Euphorisiert vom Programm der neuen Weltmeister riet er dem Duo vor Ort zum Rücktritt: „Das war perfekt, mehr geht nicht. Sie können sich nicht noch mal steigern, ich weiß nicht, was die beiden noch wollen.“

Das wissen die Schützlinge von Trainer Alexander König selbst noch nicht genau, auch wenn alle Zeichen auf Abschied stehen. Olympiasieg, WM-Gold, Weltrekord – da ist kaum Steigerungspotenzial in Sicht. Und die gebürtige Ukrainerin Savchenko ist 34, ihr Ehemann Liam Cross wünscht sich Kinder, möglichst schnell. Den 29 Jahre alten Deutsch-Franzosen plagen Rückenschmerzen, auch der mentale Stress vor Olympia hat Spuren hinterlassen.

„Ich bin dankbar, dass Bruno mir diese wunderschönen vier Jahre geschenkt hat, er ist ein Held“, sagte die weltbeste Paarläuferin. So federleicht, wie ihr Weltrekord-Vortrag im Mediolanum Forum von Mailand mit 22 Höchstnoten 10,0 wirkte und Fans vor Rührung schlucken ließ – so einfach war der Weg dahin bei Weitem nicht.

„Es war sehr hart, aber es war unglaublich magisch, wir haben versucht, nicht an die Schmerzen zu denken“, beschrieb Massot das nochmalige Zusammenreißen nach dem Höhepunkt bei den Winterspielen. „Wir können nicht glücklicher sein.“

Ein wenig Bedenkzeit indes will sich das Duo noch gönnen. Nach einem ausgiebigen Urlaub im April und einem ausführlichen Gespräch mit Coach König, der zudem Ende April Oberstdorf den Rücken kehrt und wieder zu seiner Familie nach Berlin zieht, soll die endgültige Entscheidung fallen.

Bereits in Mailand hob Massot zu einer Bilanz der gemeinsamen vier Jahre an, die zugleich eine Hommage an seine Partnerin darstellte: „Es war schwer für sie, mich auf ihr Niveau zu bringen.“ Sie habe das Eis geküsst und Danke gesagt, gestand Savchenko später ergänzend. Die zweimaligen deutschen Meister sind das erste Paar seit 26 Jahren, das Olympia- und WM-Gold direkt nach­einander gewann. Savchenko: „Das war noch mehr als die Kirsche auf dem Kuchen, das war noch die Sahne dazu.“ Nun locken Shows und Eis-Galas, die lukrative Verdienstmöglichkeiten bieten – individuell dosierbar und ganz ohne Wettkampfstress.

Sicher ist, dass Savchenko weiterhin die Schlittschuhe schnüren wird, denn die eisige Bühne bedeutet ihr alles. Ums Geldverdienen ging es ihr nie: „Wir sind die einzigen Sportler auf diesem Niveau ohne Sponsoring, ich habe nur die Bundeswehr und die Sporthilfe. Das ist das Minimum, um die Miete zu bezahlen.“ Ein Olympiasieg, sechs WM-Trophäen – fünf davon mit Robin Szolkowy – sind ihr Lohn.