Hamburg. Vorstand Wettstein: Ziel sei es, für Unruhe im Verein zu sorgen. Neue Kritik an Förderverträgen mit Jugendlichen

Thomas von Heesen war am Donnerstagmittag spät dran. Wenige Sekunden vor dem Anpfiff des Testspiels zwischen dem HSV und Odense BK (siehe Bericht rechts) eilte der Vorstands- und Trainerberater mit einem schwarzen Schirm bewaffnet zum Trainingsplatz. Auf die Frage, ob es die Möglichkeit gebe, nach der Partie über den Abendblatt-Artikel über seine Geschäfte zu sprechen, antwortete er kurz und knapp: „Nein, die gibt es nicht.“

Über den Bericht, der unter anderem von Heesens frühere Doppelrolle als Trainer und Investor beim Kapfenberger SV (Österreich) belegt, wurde beim HSV sehr wohl gesprochen. „Selbstverständlich habe ich den Artikel gelesen und bin dazu mit dem Vorstand im Austausch“, sagte der Aufsichtsratsvorsitzende Bernd Hoffmann, der die Causa vor einem persönlichen Gespräch mit dem letztverbliebenen Vorstand Frank Wettstein allerdings nicht weiter kommentieren wollte.

Wettstein betont, dass sich der HSV korrekt verhalten habe

Und Wettstein? Der HSV-Vorsitzende, der von Heesen nach der Beurlaubung von Sportchef Jens Todt vor einer guten Woche als eine Art Kurzzeitsportchef bis zum 15. Mai verpflichtet hatte, weilte am Donnerstag bei der DFL-Mitgliederversammlung in Frankfurt. Einen Fragebogen zu von Heesens früheren Tätigkeiten wollte er nicht beantworten. Er schrieb lediglich: „Der HSV hat zu jedem Zeitpunkt im Rahmen der bestehenden rechtlichen und verbandsrechtlichen Vorgaben gehandelt und wird dies auch zukünftig beibehalten.“

Die zentrale Frage, ob es aber aus seiner Sicht auch weiterhin vertretbar sei, dass von Heesen als Sportberater im Club eingebunden bleibt, ließ er offen. Er teilte aber mit: „Diese Berichterstattung zum jetzigen Zeitpunkt hat offenbar nur das Ziel, möglichst große Unruhe in den HSV zusätzlich zur schwierigen sportlichen Situation zu tragen.“

Doch was war überhaupt passiert?

In der Donnerstagsausgabe hatte diese Zeitung mithilfe von zahlreichen Dokumenten, Verträgen und E-Mails umfangreich über von Heesens Investitionen der vergangenen Jahre berichtet. Es ging um Beteiligungen an Spielern, die er gleichzeitig trainiert hat. Um die Beratung von Geschäftspartnern, die einen finanziellen Totalschaden beklagen. Und um den mehrfach gescheiterten Versuch, mit dem HSV geschäftlich gemeinsame Sache zu machen.

Thomas von Heesen ließ seinen Anwalt die Frage nach einem möglichen Gewissenskonflikt beantworten. Dieser betont, dass sein Mandant „nicht gegen bestehende Regularien oder Gesetze verstoßen hat“.

Trotzdem ist das Abendblatt das umfassende Datenmaterial am Donnerstag mit verschiedenen Anwälten erneut durchgegangen. Dabei rückten sogenannte Förderverträge von Thomas von Heesens VOH 2 Sportmanagement GbR mit deutschen Teenagern, die bei Vertragsabschluss zwischen zwölf und 15 Jahre alt waren, in den Fokus. Es sind Verträge, die mögliche Transferentschädigungen im Fall eines Vereinswechsels regeln sollen. Von Heesens Anwalt betont auf Nachfrage: „Die Förderverträge der Gesellschaft, an der unser Mandant beteiligt war, wurden vor seiner Zeit als Aufsichtsrat beendet.“ Tatsächlich sind die fünf Förderverträge mit Nachwuchstalenten, die dem Abendblatt vorliegen, auf die Zeit vor seinem Engagement als HSV-Aufsichtsrat (Juli 2014 bis Februar 2015) datiert. Vier der Verträge wurden 2013 abgeschlossen, einer im
Januar 2014. Als problematisch wurden die Verträge dennoch eingestuft.

Jurist hält Förderverträge für eine „Katastrophe“

„Der Vertrag ist eine einzige Katastrophe für einen jungen Fußballspieler und entspricht noch nicht einmal in Ansätzen dem, was die DFVV unter seriöser Beratung von Fußballspielern versteht“, sagt Gregor Reiter, Geschäftsführer der Deutschen Fußballspieler-Vermittler- Vereinigung. Wie auch die anderen Juristen moniert der in der Fußballbranche bekannte Rechtsanwalt aus Duisburg eine ganze Reihe von Punkten. So heißt es beispielsweise in 3.2 aller vorliegenden Verträge mit Jugendlichen: „Fußballspieler wird sich nicht ohne vorherige Zustimmung von Förderer bei einem Verein registrieren lassen oder sich zu einem anderen Verein transferieren lassen.“ Dies würde aus Sicht der Juristen aber für einen Arbeitsvertrag zwischen dem (minderjährigen) Spieler und Förderer sprechen.

Auch Intransparenz und eine Reihe von Rechtswidrigkeiten wurden beanstandet. Unter Punkt 5 heißt es in sämtlichen von-Heesen-Förderverträgen: „Exklusivität: Fußballspieler verpflichtet sich, während der Laufzeit dieses Vertrages keine Dritten mit Aufgaben zu beauftragen, die Gegenstand dieses Fördervertrages sind.“ Eine Klausel, die gegen das normierte Exklusivitätsverbot in der Arbeitnehmervermittlung verstößt und somit unwirksam sei.

Reiters Fazit: „Dass durch einen solchen Vertrag einem minderjährigen Fußballspieler und seinen Eltern eine exklusive Bindung an einen ,Berater‘ – die es in Deutschland nicht gibt – vorgegaukelt wird, unterstreicht die Bedeutung der DFVV und ihr Bestreben nach Aufklärung und der Etablierung von Standards für die Beratung von Fußballspielern in Deutschland.“

Beim HSV bleibt trotz der Aufregung zunächst einmal alles beim Alten. Direkt nach dem Testspiel gegen Odense machte sich von Heesen gemeinsam mit seinem Schirm, Trainer Christian Titz und der Mannschaft auf den Rückweg in den Kabinentrakt. Das Fazit des Donnerstags: Sportlich war es ein guter HSV-Tag. Und es hat nicht geregnet.

Hör-Tipp: Am Sonntag (18.05 Uhr) ist
Aufsichtsratschef Bernd Hoffmann im
„Sportplatz“ von NDR 90,3 zu Gast.