Frankfurt/Main. Deutliches Votum der 36 Fußball-Proficlubs für Oke Göttlichs Antrag, die viel diskutierte Regel zu erhalten

Um 15.01 Uhr verließ Hans-Joachim Watzke den Sitzungsraum des Sheraton-Hotels am Frankfurter Flughafen. „Sind Sie fertig?“, fragte ein Journalist. „Mit den Nerven“, antwortete der Geschäftsführer von Borussia Dortmund lächelnd, bevor er in seinen Mercedes stieg und zurück nach Dortmund brauste. Die Mitgliederversammlung der Deutschen Fußball Liga (DFL) mit den 36 Clubs der beiden höchsten Ligen war da nach dreieinhalb Stunden noch gar nicht beendet – bei dem für ihn wichtigsten Punkt aber hatte der BVB-Chef seinen Willen bekommen: Die 50+1-Regel, die verhindert, dass Investoren die Stimmmehrheit an einem Proficlub übernehmen, bleibt dem deutschen Fußball erst einmal erhalten. „Ich fand, dass das heute eine sehr lebhafte Diskussion war“, sagte Watzke dem Abendblatt. „Ich habe noch einmal klargestellt, dass Borussia Dortmund die 50+1-Regel für elementar schützenswert erachtet.“

Weil das nicht alle so sahen, hatte sich zuvor hinter verschlossenen Türen eine ungewohnt intensive Debatte entwickelt. Es sei, „ordentlich zur Sache gegangen“, berichteten Teilnehmer später. Die endgültige Einführung des Videobeweises in der Bundesliga und eine Offline-Testphase noch ohne Eingriff in der Zweiten Liga waren dabei nur Nebensächlichkeiten. Beim Thema 50+1 aber waren deutliche Konfliktlinien sichtbar: Der BVB, Schalke 04 und Borussia Mönchengladbach etwa waren für die Beibehaltung, ebenso die weitaus meisten Zweitligisten, der HSV, Hertha BSC und der FC Bayern eher dagegen.

Aus der Diskussion heraus formulierte Oke Göttlich, Präsident des FC St. Pauli, einen Antrag für einen „Prozess zur Verbesserung der Rechtssicherheit sowie weitere Überlegungen hinsichtlich geänderter Rahmenbedingungen unter Beibehaltung der 50+1-Regel“. Im Klartext: Die Regel bleibt, und die Clubs beraten nun vor allem darüber, wie in diesem Rahmen die Wettbewerbsfähigkeit der Vereine auch ohne Investoren größer wird – und das Risiko geringer, dass die Regel juristisch zu Fall gebracht wird. 18 der 34 anwesenden Clubvertreter folgten bei der offenen Abstimmung dem Antrag, nur vier stimmten gegen die Formulierung. Neun enthielten sich, drei anwesende Vereine beteiligten sich nicht an der Abstimmung. „Allen, die es gut mit dem Fußball meinen, kann dieses Ergebnis gut gefallen“, freute sich St. Paulis Geschäftsführer Andreas Rettig.

Martin Kind dürfte diese Meinung nicht geteilt haben, für den Präsidenten von Hannover 96, bedeutet das Ergebnis eine Niederlage: Der Unternehmer ist einer der engagiertesten Kämpfer gegen 50+1, er würde seinen Club gern übernehmen. Den Antrag auf eine Ausnahmegenehmigung aber lässt er derzeit ruhen, nachdem erkennbar wurde, dass ihn die DFL wohl ablehnen würde. „Wir warten erst mal ab, was modifiziert wird“, sagte er nun.

In einem zehn Seiten umfassenden Brief an alle 36 Proficlubs und die DFL hatte St. Paulis Clubführung zuvor die aus ihrer Sicht stärksten Argumente für den Erhalt der 50+1-Regel dargelegt. Die Maßnahme trug Früchte. „Wir haben in den vergangenen Wochen viel Kraft und Energie in diese wichtige Sache hineingesteckt“, sagte Rettig, der sich nach der Abstimmung gemeinsam mit Präsident Göttlich als Sieger fühlen durfte. „Es gab eine grundpositive Stimmung für unsere Haltung“, sagte er. „Wir stimmen jetzt aber kein Triumphgeheule an, weil wir wissen, dass noch viel Arbeit vor uns liegt.“

Damit meint Rettig vor allem die Notwendigkeit, die 50+1-Regel rechtssicherer als bisher zu machen. Niemand weiß, ob Hannovers Präsident Kind nicht doch Klage einreicht. Oder ob das Bundeskartellamt nicht doch noch entscheidet über die Beschwerde von Hassan Ismaik, dem Investor bei 1860 München, die dort seit Sommer 2017 liegt. „Ob 50+1 rechtlich hält oder nicht, kann derzeit keiner verlässlich sagen“, sagte DFL-Präsident Reinhard Rauball. „Wir sind keine Träumer, sondern Realisten und wissen, was jetzt auf uns zukommt. Da sind jetzt Experten gefordert“, befand auch Rettig.