Hamburg. Hamburger Rugby-Club startet in die Bundesliga-Rückrunde – und vermisst Unterstützung

Einem Cheftrainer, der die Leistungsfähigkeit der eigenen Mannschaft nicht einzuschätzen vermag, könnte man die Eignung für seinen Job absprechen. Carsten Segert (51) täte man damit allerdings unrecht. Spätestens seitdem er 2009 mit dem namibianischen Erstligisten Windhoek Wanderers als erster deutscher Coach im Ausland einen Meistertitel holte, zählt er zum angesehensten Fachpersonal im deutschen Rugby. Dass er vor dem Rückrundenstart in der Bundesliga Nord-Ost an diesem Sonnabend (14 Uhr, Saarlandstraße) gegen die Spielgemeinschaft Odin/Döhren aus Hannover nicht recht weiß, wo seine Jungs vom Hamburger Rugby-Club (HRC) leistungsmäßig stehen, hat deshalb einen anderen Grund.

So hatte nicht nur das Winterwetter alle geplanten Vorbereitungsspiele zunichtegemacht. Weil Hamburgs einziger Rugby-Bundesligaclub keinen eigenen Platz zur Verfügung hat, konnte seit dem letzten Hinrundenspiel Anfang November kaum einmal regulär draußen trainiert werden. Die Spielstätte an der Saarlandstraße, die sich der HRC mit allen anderen Hamburger Leistungsteams teilt, sperrte der Verband. Das Trainingsgelände am Barmwisch wurde vom Bezirk für unbespielbar erklärt. So blieb Segert nichts anderes übrig, als im Kraftraum, in wechselnden Sporthallen oder mittels Ausdauerläufen die Spielfähigkeit seiner Auswahl zu konservieren.

„Für eine selbst ernannte Sportstadt ist es ein Skandal, dass ein Bundesligaclub kein adäquates Trainingsgelände hat. Unterklassige Fußballvereine bekommen neue Kunstrasenplätze, und wir können nicht mal trainieren. So etwas ist in anderen Städten undenkbar“, sagt Segert, der seit seinem Amtsantritt 2014 mit diesem Umstand hadert. Verleiden kann ihm die missliche Lage den Spaß an der Arbeit allerdings nicht. „Mich reizen solche Aufgaben, Herausforderungen anzunehmen, einen Verein zu entwickeln“, sagt er. Mit dem Heidelberger RK – dem Bayern München des Rugbysports – Meister werden, das könne jeder. „Mir wäre das zu langweilig!“

Dass er Vereine konzeptionell entwickeln kann, das hat der gebürtige Hannoveraner in seinen 20 Jahren als Trainer überall nachgewiesen. Den 1950 gegründeten HRC hat er in der Bundesliga etabliert. Auch wenn der Klassenerhalt in jedem Jahr erstes Ziel ist, kann der Tabellenfünfte bei einem Sieg über Verfolger Odin/Döhren den Blick auf die obere Tabellenhälfte richten. Der ehemalige Nationalspieler, der als Trainer nicht Vorturner sein möchte, sondern seine Spieler zu Eigenverantwortung anleitet, denkt jedoch grundsätzlich langfristig. Als Sportlicher Leiter und Berater des HRC-Vorstands will er die strukturelle Ausrichtung des Vereins optimieren. Beim Aufbau einer eigenen Frauenmannschaft ist Segert intensiv eingebunden, dazu schult er die Jugendtrainer. Und das mit dem eigenen Platz wird er irgendwann auch hinbekommen ...

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