Hamburg. Bundestrainer Marco Sturm hofft nach der Silbermedaille bei Olympia auf einen nachhaltigen Aufschwung

Das Treffen mit Alois Schloder hat Marco Sturm nachdenklich gemacht. Der 70-Jährige ist einer der „Eishockeyhelden von Innsbruck“ – damals, 1976, hatte erstmals ein deutsches Team eine olympische Medaille, die bronzene, gewonnen. Millionen erinnern sich daran. Was aber wenige Monate später passierte, weiß kaum noch jemand. „Der Alois erzählte mir, dass sie bei der WM in Kattowitz um ein Haar abgestiegen wären“, erzählt Sturm. Der 39 Jahre alte Bundestrainer ist also gewarnt. „Das wird verdammt schwer“, sagt der Landshuter über die anstehende WM in Dänemark (4. bis 20. Mai). Denn die Fallhöhe ist für das deutsche Eishockey-Nationalteam noch größer – die Mannschaft gewann schließlich in Pyeongchang sogar Silber und verzückte die Sportnation.

Doch das sind natürlich Sorgen, die sich Sturm gern macht. Knapp drei Wochen nach dem so unglücklich verlorenen Finale gegen Russland ist der Coach noch längst nicht in der Normalität angekommen. „Es herrscht noch ein bisschen Ausnahmezustand. Aber das ist ja auch gut so“, sagte er dem Abendblatt. Er und seine Spieler genießen noch die Euphorie. „Ich werde wirklich überall darauf angesprochen. Dabei hatten wir in Südkorea zunächst gar nicht so richtig mitbekommen, was in Deutschland los ist.“

Sturm, in mehr als 1000 Spielen in der nordamerikanischen Profiliga NHL gestählt, ist ein ehrgeiziger Mann mit ambitionierten Zielen. „Ich war mir vorher schon sicher, dass wir eine gute Rolle spielen können“, sagt er. Dass es aber um Medaillen gehen könne, das habe auch er „erst ziemlich spät“ realisiert. Mit jedem Sieg sei das Selbstbewusstsein gestiegen. Sturm: „In der Mannschaft passte es charakterlich einfach, der Teamgeist war sensationell.“ Und so fehlten im Finale gegen die Russen nur wenige Sekunden, und es hätte sogar zum Olympiasieg gereicht. Enttäuscht waren alle nur kurz – schließlich war es der größte Erfolg der deutschen Eishockeygeschichte.

Und der soll nun für die Zukunft genutzt werden. „Wir erleben gerade einen Boom, sowohl in der Liga als auch im Nachwuchs“, berichtet Sturm. „Sehr viele Kids kommen zum Eishockey, die Clubs erleben einen Ansturm.“ Doch damit das einen dauerhaften Effekt hat, muss die Entwicklung nachhaltig sein – der Bundestrainer fordert daher, in die Ausbildung, auch und gerade der Trainer, mehr zu investieren. Und in Eisflächen, denn der Mangel an geeigneten Hallen ist eines der größten Probleme der Nachwuchsarbeit. „Der Verband, die Liga, die Clubs und die Kommunen sind jetzt gefordert, damit das deutsche Eishockey sich dauerhaft gut entwickeln kann.“

Hamburg ist da ein gutes, oder besser gesagt: schlechtes Beispiel. Nachwuchsarbeit machen vor allem der HSV und die Crocodiles, doch wegen der knappen Eisflächen ist die Aufnahmekapazität arg begrenzt. Ohnehin ist Deutschlands zweitgrößte Stadt Diaspora. „Dabei ist Hamburg ein sensationeller Standort für Eishockey“, sagt Sturm, der selbst noch mit dem ERC Ingolstadt gegen die Freezers im Volkspark gespielt hat. „Ich hoffe sehr, dass sich ein Geldgeber findet und wieder ein DEL-Team hier aufbaut.“

Die Deutsche Eishockey-Liga sieht Sturm auf einem guten Weg. Auch wenn er sich natürlich wünscht, dass mehr junge deutsche Spieler zum Einsatz kommen. Die Liga jedenfalls profitiert von den Erfolgen der Nationalmannschaft – die Zuschauerzahlen gehen seit Olympia nach oben, die Einschaltquoten auch.

Insofern wäre es ein perfekter Abschluss der langen Saison, wenn Sturms Team bei der WM in Dänemark erneut glänzen könnte. Allerdings wird das ungleich schwieriger als bei Olympia, denn diesmal werden viele Spieler aus der NHL mitwirken, sobald deren Teams nicht mehr in den Play-offs vertreten sind. Dabei werden andere stärker profitieren als die Deutschen, die nur sieben NHL-Spieler haben. Zudem ist der Einsatz von Leon Draisaitl, dem Shootingstar der Edmonton Oilers, ungewiss, obwohl sein Team die Play-offs verpasst. „Er verdient mittlerweile so viel Geld, dass es schwierig wird, die notwendige Versicherung für ihn zu finanzieren“, sagt Sturm. Er hofft also auf etwas anderes: Teamgeist – und die Unterstützung vieler Fans. „Ich hoffe, es kommen viele Hamburger – es ist ja nicht weit nach Dänemark.“