Hamburg. Nach der Nullnummer gegen Braunschweig kritisiert der Trainer die Offensive – „mangelnde Entschlossenheit“

„Ich weiß nicht, was uns fehlt“, stammelte Johannes Flum am Sonnabend in den Katakomben des Millerntorstadions nach dem 0:0 gegen Eintracht Braunschweig. Der Mittelfeldakteur des FC St. Pauli wirkte so ratlos wie ein Arzt, der die Krankheit seines Patienten nicht diagnostizieren konnte. „Auf jeden Fall Tore“, schlussfolgerte der 30-Jährige trocken. Akute Sturmflaute lautete der Befund quasi. Denn dem Kiezclub ist es wieder nicht gelungen, eine seiner zahlreichen Chancen zu nutzen.

Die 41. Minute des Zweitliga-Nordderbys war exemplarisch für St. Paulis fehlenden Killerinstinkt vor dem gegnerischen Tor. Sami Allagui legte den Ball quer auf seinen freien Sturmpartner Aziz Bouhaddouz. Der wiederum zögerte zu lang, vergab die Chance kläglich. „Freier vors Tor kannst du nicht mehr kommen. Das habe ich ihm in der Halbzeit deutlich gesagt“, kritisierte St. Paulis Trainer Markus Kauczinski anschließend. „Nicht jeder Ball geht rein. Aber es geht um die Entschlossenheit, mit der man solche Situationen löst.“ Das hat gesessen.

Haben die Hamburger ein Sturmproblem? Fakt ist: Die derzeit verletzten Mittelfeldspieler Christopher Buchtmann (Schambeinentzündung) und Waldemar Sobota (Riss der Plantarfaszie) sind mit jeweils vier Treffern St. Paulis beste Schützen. Der Erfolg der Stürmer hingegen fällt dürftig aus. Allagui (drei Tore), Bouhaddouz (zwei Tore), Jan-Marc Schneider (zwei Tore) und Winterneuzugang Dimitrios Diamantakos (null Tore) haben zusammengerechnet (!) nur halb so oft getroffen wie Holstein Kiels Marvin Ducksch. Der noch bis Sommer verliehene Angreifer des Kiezclubs führt mit 14 Treffern die Torjägerliste der zweiten Liga an.

„Wir haben im heutigen Spiel definitiv einen Mangel an Kaltschnäuzigkeit und Effektivität gezeigt“, analysierte auch Sportchef Uwe Stöver. Doch nicht nur gegen Braunschweig fehlten besagte Tugenden. Mit nur 27 Treffern nach 26 Spieltagen hat St. Pauli als Tabellenzehnter nach Aue und Bochum die drittschlechteste Ausbeute der Liga vorzuweisen. „Die Zahlen lügen nicht“, sagte Trainer Kauczinski. „Wir haben zu wenig Tore geschossen. Das ist aber nicht nur Sache der Stürmer. Das liegt auch an der Vorbereitung.“

Immerhin: St. Paulis Allagui weiß noch, wo das Tor steht. Der 31 Jahre alte Deutsch-Tunesier hat in der 62. Minute Braunschweigs Schlussmann Jasmin Fejzic überwunden, stand zuvor jedoch hauchdünn im Abseits. Der Treffer zählte nicht. „Wir müssen mit so einer Situation nicht hadern, wenn wir vorher die Galligkeit haben und unsere Chancen nutzen“, sagte Kapitän Bernd Nehrig, der gegen die Löwen sein 250. Zweitligaspiel absolviert hatte. „Wir haben die Zielstrebigkeit und den Killerinstinkt in der einen oder anderen Situation vermissen lassen“, sagte Nehrig weiter. Aber das Unentschieden ginge in Ordnung. Denn: Liegengelassene Möglichkeiten werden nur allzu gern bestraft. Braunschweigs Suleiman Abdullahi traf gleich zweimal den Pfosten (55., 81.).

Sowohl Allagui als auch Bouhaddouz und Schneider stehen in Hamburg noch bis Sommer 2019 unter Vertrag, Diamantakos sogar bis 2020. Trotz endender Leihgabe hat der verlorene Torjäger Ducksch offenbar wenig Lust, im Sommer wieder am Millerntor zu spielen. Das bedeutet: Falls es keine Abgänge geben sollte, bleibt die Sturmflotte in derselben Formation bestehen.

Neuzugang Diamantakos spielt keine Rolle bei St. Pauli

„Aziz und Sami sind gut aufeinander eingespielt. Sie suchen sich und wissen, wie der andere sich bewegt“, sagte Kauczinski. Grieche Diamantakos, der bereits in der Saison 2015/16 bei Karlsruhe unter Kauczinski stürmte, spielte bis jetzt kaum eine Rolle. Der 25-Jährige kommt bei vier Einsätzen für St. Pauli lediglich auf 132 Spielminuten. Auch am Sonnabend wechselte der Coach lieber Nachwuchsstürmer Schneider statt Diamantakos ein. Ein Denkzettel.

Dass St. Pauli dennoch gute Angreifer in seinen Reihen hat, die sich bloß in einer Formkrise befinden, hat Bouhaddouz in der Vorsaison bewiesen. Damals erzielte der Marokkaner 15 Treffer, zehn davon in der Rückrunde. „Momentan fehlt das Gefühl der Selbstverständlichkeit. Fußball ist zu 50 Prozent Kopfsache“, erklärte Sportchef Stöver das Phänomen. Aber wie eine nervige Grippe endet auch eine akute Sturmflaute irgendwann. Hoffentlich.