Acapulco. Nach der Trennung von Trainer Juan Carlos Ferrero bezichtigen sich beide Seiten des fehlenden Respekts

Im Prinzip hätten das zehn tolle Tage werden können in Acapulco. Wo das wichtigste Tennisturnier Lateinamerikas direkt hinterm Strand stattfindet, der Playa Revolcadero, die Spieler keine 400 Meter vom Center-Court entfernt mit freiem Blick auf den pazifischen Ozean wohnen und wo das Wetter verlässlich gut ist; 30 Grad am Tag, 22 in der Nacht. Von seinem Bruder Mischa (30), der schon zweimal beim Abierto Mexicano mitgespielt hatte, hatte Alexander Zverev das Beste über die Veranstaltung gehört. Doch als er ankam, war ihm schlecht, als er abfuhr, tat ihm das linke Knie weh, und dazwischen flogen ein paar bleischwere Bälle über große Entfernung hinweg.

In den ersten Tagen lag Deutschlands bester Spieler in Mexiko mit einer Magen-Darm-Grippe flach, die er sich in Rotterdam eingefangen hatte. Bei einem Promotiontermin zu Beginn der Woche mit dem Österreicher Dominic Thiem ging es ihm besser; in einem Freilufttheater auf den Klippen mit dem wohlklingenden Namen Sinfonía del Mar spielten die beiden auf einem Miniplatz. Dabei konnte man wieder feststellen, dass Zverev seine Sache bei Terminen dieser Art ziemlich gut macht. Sätze wie: „Wie kann es einem hier nicht gefallen?“ werden von Veranstaltern gern gehört. Das hat er früh gelernt, und er hat es gut gelernt.

Die sportliche Bilanz der Woche war okay; er gewann drei Spiele und landete zum ersten Mal in diesem Jahr im Halbfinale, doch die mit Spannung erwartete Partie gegen den späteren Turniersieger Juan Martin del Potro vor ausverkauftem Haus (9200 Zuschauer) lief nicht so, wie er es erhofft hatte. Nach einem Aufschlag im zweiten Spiel des ersten Satzes spürte Zverev einen scharfen Schmerz im linken Knie, er ließ das Knie tapen, aber der Schmerz nach jedem Aufschlag blieb. Der Argentinier spielte schlau, zwang ihn mit Slice auf der Rückhandseite weit nach unten und sah ungerührt zu, wie sich der Gegner ärgerte.

Knieschmerzen behinderten Zverev im Halbfinale

Mitte des zweiten Satzes schmerzte das Knie nicht nur beim Aufschlag, sondern auch bei allen anderen Bewegungen, am Ende versuchte es Zverev ohne den Tapeverband, doch das ging auch nicht. Mit geschwollenem Knie saß er nach dem 4:6 und 2:6 in der Pressekonferenz und sagte, das sei jetzt wirklich kein gutes Gefühl. Am Tag danach machte er sich dennoch wie geplant mit der ganzen Familie und seinem Physiotherapeuten Hugo Gravil auf den Weg zum Mastersturnier nach Indian Wells, das diese Woche beginnt. „Ich muss schauen, dass es nichts Erns­tes wird“, sagte er.

Der sportliche Teil ging fast ein wenig unter in den vergangenen Tagen. Zverev war schon in Mexiko angekommen, als die spanische Sporttageszeitung „Marca“ berichtete, Juan Carlos Ferrero gehöre nicht mehr zu seinem Trainerteam, und das seit Ende Januar. In diesem Bericht war von unterschiedlichen Auffassungen des Begriffs Professionalität die Rede. Überraschend: Noch während der ATP-Finals in London Mitte November hatte der Spanier der spanischen Nachrichtenagentur EFE gesagt, er finde den Professionalismus des Partners herausragend.

Damit war der Ball auf Zverevs Seite. Der bestätigte in Acapulco die Trennung; nach einer gemeinsamen Trainingswoche in Melbourne habe es Streit gegeben. „Da waren ein paar Sachen, die er falsch gemacht hat, ein paar, die ich falsch gemacht habe, wir haben uns beide entschuldigt. Dass wir uns gestritten haben, war in Ordnung, ich streite mich auch mit meinem Vater und mit meinem Athletiktrainer Jez Green, aber dann ist etwas gegen meinen Vater und gegenüber Jez passiert, und in so einem Fall kann ich nicht weitermachen.“ Was das genau war, mochte er nicht sagen und beließ es bei der vagen Beschreibung, es sei eine Respektlosigkeit Ferreros gewesen.

Das Wort und der Ball landeten in Spanien, der Return kam zurück, wieder publiziert von „Marca“. Er habe Zverev vom ersten Tag an gesagt, es sei nicht in Ordnung, jeden Tag 20 oder 30 Minuten zu spät zum Training zu kommen, ließ Ferrero wissen. Am Anfang sei das noch in Ordnung gewesen, aber mit steigendem Selbstvertrauen habe der Partner die vereinbarten Regeln nicht mehr beachtet.

Fehlender Respekt, von dem beide Seiten reden, ist eine höchst subjektive Angelegenheit. Es gibt keine Gradmesser, nur ein Gefühl. Ferrero war mal die Nummer eins des Tennis, gewann 2003 die French Open in Paris, und er legte sicher Wert darauf, nicht für einen Handlungsreisenden gehalten zu werden. Zverev, der einmal die Nummer eins werden will, ist eher flache Hierarchien gewohnt.

Schwer zu sagen, wann die lange Zeit gut funktionierende Zusammenarbeit Risse bekam, am Ende hatte er das Gefühl, in eine Uniform gesteckt zu werden, die ihm nicht passte. „Ich bin Deutscher“, sagt er, „aber trotzdem habe ich was Russisches in mir, und die besten russischen Spieler waren immer ein bisschen verrückt. Er wollte aus mir einen sehr ruhigen, balancierten Kerl machen, der ich nie war, nie sein werde. Wenn ich mal einen Schläger kaputtmache, habe ich danach immer viel besser gespielt. Er ist aus einer anderen Schule. Da ist der Trainer König.“

Ob der letzte Ball in dieser Partie jetzt gespielt ist? Vermutlich nicht. Alexander Zverev hat im Moment nicht die Absicht, die frei gewordene Stelle zu besetzen. Er sagt, er würde gern zum alten Zustand zurückkehren, und das schließt sowohl die äußeren Umstände als auch sein Innenleben ein.

Bemisst man die Freiheit in Schlägerwürfen, bewies das Turnier in Mexiko, dass die Konzentration mal geschärft wird, wenn er seinen Frust rauslässt. Dass es andererseits aber nicht zwangsläufig hilft, einen Schläger zu demolieren. Denn dann freuen sich nicht nur die Fans, bei denen das Ding auf der Tribüne landet, sondern auch der Gegner, für den es keine konkretere Beschreibung geben kann, was der Typ auf der anderen Seite empfindet. Aber es sagt ja keiner, dass es leicht ist, den richtigen Weg zu finden.