Hamburg. Nach dem 0:0 im „Allerletzte­­-Chance-Spiel“ gegen Mainz glaubt niemand mehr an ein Wunder. Ab sofort werden die HSV-Planungen für die Zweite Liga forciert

Stefan Walther

HSV-Trainer Bernd Hollerbach brachte am Sonntagmittag Verstärkung in die Katakomben des Volksparkstadions mit. Er wisse, dass es sich um eine sportliche Pressekonferenz handele, sagte Hollerbachs Mitbringsel Heribert Bruchhagen und stellte sich einen Meter weiter links ins Scheinwerferlicht. In dieser besonderen Situation wolle er aber auch für Fragen außerhalb des Sports zur Verfügung stehen. Und Fragen außerhalb des Sports gab es am Tag nach Hamburgs 0:0 gegen Mainz und dem gefühlten Abstieg jede Menge.

„Die Enttäuschung liegt wie ein bleierner Nebel über allen“, gab der Vorstandsvorsitzende des HSV unumwunden zu. Bruchhagen kniff die Augen zusammen, schaute kurz auf den Boden und guckte dann mit entschlossenem Gesicht in die Kameras. „Wir sollten jetzt die Restchance suchen, uns aber auch damit abfinden, wenn der Abstieg so weit ist. Auch das gehört zum Sport dazu. Meine Aufgabe ist es, dass dieses Szenario nicht allzu chaotisch abläuft.“

Der Abstieg also. Es ist das A-Wort, das in Hamburg in den vergangenen 55 Jahren auf dem Index stand und über das in den vergangenen Wochen beim HSV trotz erschütternder Indizienlage niemand öffentlich sprechen wollte.

Am Sonnabend um 17.20 Uhr aber, als Schiedsrichter Markus Schmidt abpfiff und das zwölfte sieglose HSV-Spiel in Folge besiegelte, war Hamburgs Stunde null gekommen. „Es muss in den restlichen Spielen schon etwas ganz Außergewöhnliches passieren. Das muss man ehrlicherweise sagen“, fasste Sportchef Jens Todt die HSV-Gefühlslage in nur zwei Sätzen zusammen.

Dass aber ausgerechnet dieser HSV, der in den beiden Klassenerhaltsendspielen gegen Mainz und Werder kein einziges Tor erzielen konnte, nun vor außergewöhnlichen Wochen steht, glaubt nicht mal im eigenen Club noch jemand. „Wir sind realistisch genug, um zu wissen, dass wir das Spiel hätten gewinnen müssen, um uns eine Restchance im Endspurt der Saison offenzulassen“, gab Stürmer Sven Schipplock zu. „Jetzt wird es natürlich sehr, sehr, sehr, sehr schwer, noch einen abzufangen.“ Viermal „sehr“, mehr „sehr“ geht kaum.

Dabei dürfen die insgesamt 94 Minuten vom Sonnabend stellvertretend für die ganze Saison des HSV herhalten. Hollerbachs Mannschaft kämpfte und arbeitete, stellte allerdings einmal mehr die historische Sturmschwäche unter Beweis. So reichte es trotz großer Torchancen, Filip Kostics Strafstoß und 30 Minuten in Überzahl selbst gegen die ultraschwachen Mainzer nicht zum 19. Saisontor. „Wenn man das Chancenplus sieht, die Latte trifft und sogar einen Elfmeter bekommt, kann man sagen, dass am Ende jemand gefehlt hat, der ein Tor macht“, antwortete Todt auf die Frage, ob es ein Fehler gewesen sei, im Winter keine Sturmverstärkung geholt zu haben. Etwas verklausuliert ergänzte Bruchhagen am Tag danach: „Mit der Hypothese, dass uns bei der Verpflichtung eines neuen Stürmers für weitere 15 Millionen der Zweitligafall und 50-Millionen-Schaden erspart geblieben wäre, wird man ewig leben müssen.“

Nun denn, beim HSV wird nach dem nahenden ersten Abstieg der Clubgeschichte sicher niemand ewig überleben. Ganz im Gegenteil. Hinter den Kulissen hat der vor zwei Wochen neugewählte Präsident Bernd Hoffmann längst damit angefangen, nach Personal für die Zweite Liga zu suchen. Bruchhagen, Todt und auch Hollerbach sollen im Fall des Abstiegs keine Rolle mehr spielen. „Wenn der Aufsichtsrat zu der Überzeugung kommt, dass ein Wechsel auf der Position des Vorstandschefs notwendig ist, stelle ich auch meine Position zur Verfügung“, sagte Bruchhagen am Sonntag, relativierte die eigenen Worte allerdings auf Nachfrage: „Wenn es das Beste für den HSV ist, dann wird man abberufen, und dann kommt eben ein anderer.“

Öffentlich wollte der neue Aufsichtsratschef Michael Krall die Hängepartie um Bruchhagen, Todt und Hollerbach nicht kommentieren. Am Sonnabend und am Sonntag suchte Krall allerdings das Vieraugengespräch mit Bruchhagen. Ob Krall ihm denn aufgezeigt habe, wie es mit dem Führungspersonal des HSV im Abstiegsfall weitergehe? „Diese Frage müssen Sie völlig berechtigt Herrn Krall stellen“, antwortete Bruchhagen eindeutig zweideutig.

Eindeutig eindeutig beantworten konnte der Noch-HSV-Chef immerhin die Frage, wie der HSV die Mittel für die bereits beantragte Zweitligalizenz bekommen könnte: „Es ist klar, dass Transfererlöse notwendig sind, um die Zweitligalizenz zu sichern.“

Nach 20 Minuten war schließlich alles gesagt. „So“, sagte Bruchhagen abschließend. „Genug geredet. Jetzt habe ich schon einen ganz trockenen Mund.“

In diesem Sinne: Mund abwischen, weiter geht’s! Fortgesetzt wird die HSV-Abschiedstour am kommenden Sonnabend. Zum vorerst letzten Mal der Gegner dann: der FC Bayern München.