Hamburg. Lukas Ossenkopp ist beim HSV Hamburg Kapitän, Torjäger und Fanliebling. Das weckt das Interesse anderer Clubs

Lukas Ossenkopp ist gerade verkauft worden. Der Kapitän und Fanliebling des Handball Sport Vereins Hamburg gehört künftig nicht mehr dem Verein an. Zumindest wird ihn der HSV e. V. nicht mehr bezahlen. Der 25-Jährige wechselt zur HSM, zur Handball Sport Management und Marketing GmbH. Im Zuge der in dieser Woche beantragten Lizenz für die 2. Bundesliga wird der Geschäftsbetrieb beim Drittliga-Aufstiegsfavoriten ausgegliedert. Nachwuchs- und Jugendbereich verbleiben beim eingetragenen Verein.

„Damit gehen wir den nächsten Schritt in Richtung Professionalisierung“, sagt Vereinspräsident Marc Evermann vor dem Heimspiel an diesem Sonnabend (18.30 Uhr) gegen den HC Empor Rostock. Höchstens fünf Siege aus den restlichen acht Spielen fehlen dem HSV zur Meisterschaft, allein seit 16 Partien ist der Club ungeschlagen. Die Aufstiegseuphorie im und rund um den HSV ist groß, die Sporthalle Hamburg ist gegen Rostock mit über 3400 Zuschauern bis auf wenige Restkarten so gut wie ausverkauft.

„Auf der Straße werde ich jetzt noch nicht erkannt“, sagt Ossenkopp, „es sei denn, ich treffe jemanden vom Fanclub.“ Der Rückraumschütze ist – auch wenn er das im Gespräch anders sieht – der Star des neuen HSV. Der gebürtige Lüneburger ist seit seinem Wechsel 2016 in seiner erst zweiten Saison der Denker und Lenker im Spiel der Hamburger. Dazu ist der Rechtshänder der erfolgreichste Werfer, übernimmt bei Siebenmetern die Verantwortung und führt mit 142 Treffern die Torschützenliste der 3. Liga Nord an.

„Das ist ein netter Nebeneffekt, dass ich dort auf Platz eins stehe. Wichtiger ist jedoch, dass wir in der Liga Erster sind“, sagt der Star wider Willen, auf den Trainer Torsten Jansen, ein Star des alten HSV, nur ungern verzichtet. Ossenkopp hat in dieser Saison kein Spiel verpasst, kommt sowohl im Angriff als auch in der Abwehr zum Einsatz und spielt nahezu jedes Spiel 40 bis 45 Minuten durch. Erst kurz vor Spielende bekommt er – je nach Spielstand – eine kleine Pause. Seine Bedeutung für den HSV bemisst sich längst nicht nur an Toren.

„Ich kann vieles gut, ohne jedoch ein Überflieger zu sein“, sagt der 1,94-Meter-Mann, der findet, „dass ich für einen Handballer nicht sonderlich groß bin, nicht sonderlich hart werfen kann und auch nicht sonderlich breit daherkomme“. Von Verletzungen blieb er bislang verschont, obwohl die Gegner auch wissen, bei wem sie besonders hart zupacken müssen. „Das zieht sich so durch meine Karriere“, sagt er und ist überzeugt: „Ich glaube, ich habe gute Muskelfasern.“ Das Krafttraining tut ein Übriges.

Es scheint, als sei ein Spieler dieses Kalibers für die aufstrebenden Ambitionen des HSV ein Glücksfall. Der erwähnte Wechsel Ossenkopps also nur eine verbale Spitzfindigkeit? Nicht ganz: Denn der Vertrag des zweitligaerfahrenen Kapitäns läuft im Sommer aus. Gespräche mit dem HSV habe es gegeben, noch sei aber nichts unterschrieben, sagt Ossenkopp, der auch als Drittligaspieler dem Rat eines Beraters vertraut. „Angebote anderer Vereine hat es gegeben. Es ist aber nichts dabei gewesen, wo ich jetzt sagen würde: ,Das mache ich.‘“

Sportchef Martin Schwalb hatte in dieser Woche im Abendblatt angekündigt, erst dann mit den Spielern Verträge zu machen, „wenn wir wissen, in welcher Klasse wir spielen und was wir ausgeben können“. Er vertraue darauf, dass das in Hamburg gebotene Gesamtpaket aus Verein, Trainer, Zuschauern und Stadt die Spieler vor vorschnellen Wechselabsichten bewahre.

Lukas Ossenkopp macht kein Geheimnis daraus, dass er gerne bleiben möchte. „Die Möglichkeiten, die wir hier beim HSV haben, haben wir nirgendwo anders“, sagt er und kann vergleichen. Vor seinem Wechsel hat er seine Tore für die Handballfreunde Springe, mit denen er 2015 in die Zweite Liga aufstieg und ein Jahr später – als bester Torschütze – wieder abstieg, sowie vier Jahre lang für den HSV Hannover geworfen. „Hier in Hamburg ist alles eine Nummer größer“, sagt er. Und nicht ganz ohne Stolz fügt der Fan der HSV-Fußballer – mit Sympathien zudem für Hannover 96 – an: „Wir sind nach dem HSV und St. Pauli die Nummer drei der Stadt.“ Angesichts der sportlichen Tristesse der kickenden Zunft, der Basketballer (Towers) und Eishockeyspieler (Crocodiles) schreiben die Handballer die einzige Erfolgsgeschichte.

Abgänge im Kader wird es jedoch auch im Aufstiegsfall geben. Schon jetzt kommt nicht mehr jeder im Team auf die Einsatzzeiten, die er sich wünscht. „Auch wenn Spieler den Verein verlassen müssen, damit beschäftigt sich jetzt niemand“, sagt Ossenkopp, „es gibt bei uns keine Stinkstiefel.“ Dass Verstärkungen kommen und mögliche Aufstiegshelden gehen müssten, sei nun einmal der Lauf im Leistungshandball. „Und den spielen wir hier ja.“

Lukas Ossenkopp weiß, wovon er spricht. Als 15-Jährigen zog es ihn 2008 ins Sportinternat des Bundesligisten SC Magdeburg. Durchsetzen konnte er sich nicht. Bei der Konkurrenz durch die heutigen Nationalspieler Philipp Weber und Maximilian Janke (beide heute DHfK Leipzig) kam Ossenkopp auf seiner Position damals nicht auf die Spielanteile, die ihm den Durchbruch zum Profi ermöglicht hätten. „Ich musste dann Linksaußen spielen. Das war nicht meine Position“, sagt er rückblickend. Immerhin habe er früh gelernt, selbstständig zu leben und Verantwortung zu übernehmen.

„Durch den Handball habe ich mir mein Studium finanziert“, sagt der Deutsch- und Politik-Student. Nur auf die Karte Handballprofi setze er nicht. Im Sommer nach seinem Masterabschluss könne er sich vorstellen, als Lehrer in Hamburg zu unterrichten. Seine Familie sitzt bei jedem Heimspiel auf der Tribüne, die jüngere Schwester Meret (19) spielt im Nachwuchsteam beim Buxtehuder SV II, und seine Verlobte Sophia, die als Erzieherin arbeitet, wird er nach Saisonende heiraten.

Auch abseits des Sports gibt es also Gründe genug, als Star oder wahlweise Kopf des Teams dem e. V. beziehungsweise der GmbH erhalten zu bleiben.