Kiel. Bis Saisonende ist der Stürmer vom FC St. Pauli an Holstein Kiel verliehen. Sonntag tritt er im Nordderby an

Marvin Ducksch verzieht das Gesicht vor Schmerz. Der Stürmer von Holstein Kiel liegt mit dem Rücken auf dem Rasen, reibt sich die Wade und dehnt sein rechtes Bein. Trotz blauen Himmels ist es so eiskalt, dass seine Atemwolke selbst aus der Distanz zu erkennen ist. Dann beendet Coach Markus Anfang die einstündige Trainingseinheit des Zweitligisten. Ducksch schleicht vom Platz. Als er eine halbe Stunde später auf der Kieler Geschäftsstelle mit goldglitzernden Sneakers zum Gespräch mit dem Abendblatt erscheint, gibt der 23-Jährige Entwarnung. „Alles gut“, sagt er und grinst. Für das Nordderby am Sonntag (13.30 Uhr) beim FC St. Pauli sei er topfit.

Für Ducksch wird es eine besondere Begegnung. Obwohl der ehemalige Junioren-Nationalspieler für Kiel aufläuft, steht er bei St. Pauli unter Vertrag. Die Hamburger haben den glücklosen Angreifer in der Krise vor rund einem Jahr, als der Club abgeschlagen auf dem letzten Tabellenplatz stand, an Holstein Kiel in die Dritte Liga verliehen. „Am Anfang war ich mir nicht sicher, ob es richtig ist, einen Schritt in der Liga zurückzugehen“, sagt Ducksch. Doch seine Entscheidung war so goldrichtig wie die Farbe seines Schuhwerks.

Der gebürtige Dortmunder hat eine bemerkenswerte Entwicklung bei den Schleswig-Holsteinern hingelegt. Mit seinem 1:0-Siegtreffer in Großaspach schoss er Kiel im vergangenen Jahr zum Aufstieg. In der aktuellen Zweitligasaison führt Ducksch mit zwölf Treffern nach 23 Spieltagen gemeinsam mit Mikael Ishak (Nürnberg) und Sebastian Polter (Union Berlin) die Torschützenliste an. Bei St. Pauli hingegen konnte der Offensivspieler nur einmal in zehn Ligaeinsätzen treffen. Er fiel dagegen vor allem durch seine negative Körpersprache auch. Doch in Kiel ist alles ganz anders. Warum?

„Das ist ganz einfach“, sagt Ducksch. „Im Fußball gehört es immer dazu, sich wohlzufühlen. Nicht nur im Verein, auch in der Stadt.“ Beim KSV Holstein sind die Kollegen Steven Lewerenz, Dominick Drexler und Dominik Schmidt schnell zu seinen Freunden geworden. „Es ist familiärer als in Hamburg. In der Stadt begrüßt dich jeder. Hier spürt man eine positive Aura“, sagt Ducksch weiter. Dabei hätte er selbst nie gedacht, dass er sich in dem 240.000 Einwohner zählenden Kiel so wohlfühlen würde. „Schließlich habe ich vorher fast immer in größeren Städten gespielt.“

Auch Trainer Markus Anfang hat großen Anteil an Duckschs Aufschwung. „Marvin ist schnell ein Teil der Mannschaft geworden. Er profitiert von ihr, weil er vorne von ihr sehr gut in Szene gesetzt wird“, sagt der 43-Jährige. Es ist kein Geheimnis, wie wichtig der Torjäger für Holstein Kiel ist. Dennoch soll er von Sommer an wieder für St. Pauli stürmen, wenn die Leihe der Störche ausläuft. So steht es im Kontrakt. „Fakt ist, dass er vom 1. Juli an wieder bei uns unter Vertrag steht. Wir freuen uns über seine positive Entwicklung. Genau das ist der Sinn, einen Spieler für einen gewissen Zeitraum zu verleihen“, sagt St. Paulis Sportchef Uwe Stöver. Auch Ducksch bestätigt die Vereinbarung: „Es ist abgemacht, dass ich bis zum Sommer in Kiel bleibe und dann zurück nach Hamburg gehe.“

Trotzdem spricht vieles gegen eine Rückkehr zu St. Pauli. Der aktuelle Marktwert von Ducksch beträgt 1,5 Millionen Euro. Auch Bundesligaclubs beobachten den besten Offensivmann der Liga. Für St. Pauli wäre es ein gutes Geschäft, Ducksch ein Jahr vor Vertragsende teuer zu verkaufen. Zumal es keine Garantie gibt, dass der 1,88-Meter-Schlaks in Hamburg genauso gut funktioniert wie in Kiel. Außerdem hätte er mit Aziz Bouhaddouz, Sami Al­lagui, Dimitrios Diamantakos und Jan-Marc Schneider große Konkurrenz im Sturm. „Ich habe in meiner Karriere gezeigt, dass ich mich durchsetzen kann“, betont Ducksch dennoch.

Seine Zukunft hängt auch von einem Aufstieg der Kieler ab. Derzeit stehen sie mit zwei Punkten Vorsprung auf Platz drei, sind allerdings seit zehn Spielen sieglos, bei acht Unentschieden. Bleibt Holstein in der Zweiten Liga, wird es bei einem einstelligen Millionen-Etat schwer, Ducksch zu kaufen. „Kiel hat bisher noch nicht bei uns angefragt, ob er über diese Saison hinaus bei ihnen bleiben kann“, sagt Stöver.

Nach dem Gespräch verabschiedet sich Marvin Ducksch höflich. „Von meiner Seite ist alles möglich. Ich werde dort spielen, wo ich meine Chancen am besten einschätze“, sagt er. Es könnte am Sonntag seine letzte Rückkehr ans Millerntor bleiben ...