Bremen/Hamburg. Diskussionen um Urteil: Die Deutsche Fußball Liga verliert im Kostenstreit um Hochrisikospiele gegen Bremen. Revision angekündigt

Die Bremer Polizei ist alarmiert. Wenn der HSV am Sonnabend zum 108. Nordderby in der Bundesliga antritt, werden bis zu 600 „der Gewalt nicht abgeneigte Fans“ aus Hamburg erwartet. Neben einem verstärkten Ordnungsdienst rund um das Weserstadion sind wie in den vergangenen Jahren mehr als 1000 Beamte im Einsatz. Seit Jahren gilt für diese Partie die höchste Sicherheitsstufe.

Aufgekommen für den hohen Personalaufwand bei sogenannten Rot- oder Hochrisikospielen, bei denen Fankrawalle zu befürchten sind, ist bisher der Steuerzahler. Doch das könnte sich sehr bald ändern – auf den Profifußball in Deutschland kommen möglicherweise Millionenforderungen für polizeiliche Mehrkosten bei Fußballspielen zu.

Am Mittwoch billigte das Oberverwaltungsgericht (OVG) in Bremen im Grundsatz Gebührenbescheide des Bundeslandes Bremen an die Deutsche Fußball Liga (DFL) und gab dem Stadtstaat in fast allen Punkten recht. Exem­plarisch ging es um eine Partie zwischen Werder und dem HSV im April 2015. Danach hatte Bremen der DFL die erste Gebührenrechnung in Höhe von 425.718,11 Euro geschickt. Auch wenn die Summe in der mündlichen Verhandlung auf 415.000 Euro reduziert wurde, ist die Forderung rechtens, wie das OVG befand, das mit seiner Entscheidung ein Urteil der Vorinstanz von 2017 kassierte. „Ein guter Tag für den Steuerzahler“, sagte Bremens Innensenator Ulrich Mäurer (SPD), der hofft, dass nun andere Bundesländer nachziehen.

Der Hamburger Senat hielt in einer ersten Stellungnahme jedoch an seiner Haltung fest. „Wir werten das Urteil aus Bremen jetzt zunächst aus, es ist im Übrigen auch nicht letztinstanzlich. Die bisherige Haltung Hamburgs ist ja bekannt, wonach eine Beteiligung der Sportvereine oder der DFL an den Sicherheitskosten bei Polizeieinsätzen derzeit nicht geplant ist“, teilte die Behörde für Inneres und Sport mit. Und auch HSV-Vorstand Frank Wettstein erklärte: „Wir werden die Begründung des Urteils und das weitere Verfahren abwarten. Derzeit sehen wir keine Handlungserfordernisse.“

Tatsächlich ist die Sache noch nicht entschieden. Wegen der Grundsätzlichkeit und der Allgemeinbedeutung der Frage, ließ das Gericht die Revision zu. Und die DFL kündigte nach der krachenden juristischen Niederlage dann auch umgehend an, vor das Bundesverwaltungsgericht ziehen zu wollen. „Der Fußball ist nicht Verursacher von Gewalt, und eine bloße Umverteilung von Kosten führt nicht zur notwendigen Reduzierung der Polizeieinsätze“, sagte Liga-Präsident Reinhard Rauball. Sein Argument: Die öffentliche Sicherheit sei Kernaufgabe des Staates. DFB-Präsident Reinhard Grindel sieht das ähnlich: „Der Fußball ist nicht Störer. Störer sind Gewalttäter, die die Plattform des Fußballs ausnutzen. Der Kampf gegen Gewalt darf nicht privatisiert und kommerzialisiert werden, sondern ist Aufgabe der Polizei.“

Das sah Richterin und OVG-Präsidentin Ilsemarie Meyer ganz anders. Das Gesetz, auf das sich das Oberverwaltungsgericht bezog, verlangt Kostenbeteiligungen bei „kommerzorientierten Großveranstaltungen mit über 5000 Besuchern“, bei denen „erfahrungsgemäß vermehrt Gewalthandlungen“ drohen. In ihrer einstündigen Urteilsbegründung ließ Meyer keinen Zweifel, dass die Forderungen Bremens nach einer Kostenbeteiligung rechtens sind. Die DFL sei als Mitveranstalter zu sehen, dürfe deshalb zu den Gebühren herangezogen werden. Auch die Höhe der Kosten und die Berechnungsart seien in Ordnung. „Die Kosten sind entsprechend der erbrachten öffentlichen Leistung“, so Meyer, die die Gewinnorientierung derartiger Veranstaltungen hervorhob. Die Fußballspiele seien auch aufgrund der Sicherheitsleistungen der Polizei wirtschaftlich erfolgreich.

Da die DFL angekündigt hatte, Rechnungen an die betroffenen Vereine weiterzugeben, ist das (vorläufige) Urteil für Werder Bremen bereits jetzt ein Problem. Seit 2015 hat der Stadtstadt dem Ligaverband bereits zwei Millionen Euro an Gebühren in Rechnung gestellt. Im aktuellen Lizenzierungsverfahren musste der Club deshalb entsprechende Rückstellungen für diese Forderungen bilden. „Das ist in einem sehr engen Wettbewerb eine zusätzliche Belastung, an der wir sehr zu tragen haben werden“ beklagte sich Werders Vereinspräsident und Aufsichtsratsvorsitzender Hubertus Hess-Grunewald, der einen „Sieg auf ganzer Linie für den Bremer Senat“ einräumte. Dennoch sei es angesichts der Revision zu früh für große Siegesgesänge. Wohl wahr. Die Berufung in Leipzig wird, so vermutet man bei der DFL, weitere zwei Jahre in Anspruch nehmen.

Die Bundesliga könnte sich die Mehrkosten problemlos leisten. Schon kursieren Pläne, wonach die Eintrittskarten um den Sicherheitszuschlag von einem Euro und mehr verteuert werden könnten. Anders in der Dritten Liga oder in der Regionalliga, wo regelmäßig Risikospiele mit gewaltbereiten Zuschauern stattfinden. Viele unterklassige Vereine haben kaum Sponsoren und müssen um jeden Euro kämpfen. Sie wären in ihrer Existenz bedroht.

Die Deutsche Polizeigewerkschaft beziffert die Kosten für den Schutz von Fußballstadien auf rund 100 Millionen Euro Steuergeld pro Saison, wie der Vorsitzende Rainer Wendt der „Neuen Osnabrücker Zeitung“ vorrechnete. Deshalb begrüßt Wendt das Bremer Urteil: „Beim Fußball laufen 20-jährige Millionäre in kurzen Hosen über den Rasen, und für die Einsatzkräfte ist kein Geld da, das kann nicht sein.“

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