Pyeongchang. An diesem Montag starten die Skispringer im Team. Um Gold zu holen, muss nicht nur der Olympiazweite von der Großschanze seine beste Leistung abrufen

Deutsche Medaillen im Skispringen werden in Südkorea nicht nur auf der Schanze, sondern vor allem im Bett und in der Tiefgarage des Athletendorfs gemacht. So muss man das wohl verstehen, Andreas Wellinger hat davon erzählt. Jedenfalls betrachtet es der Olympiasieger von der Normalschanze als sein Erfolgsgeheimnis.

Die Voraussetzungen für Gold, Silber und Bronze werden bei den DSV-Adlern in der Unterkunft geschaffen. In der Garage im olympischen Dorf, „die so riesig ist, dass da 10.000 Autos reinpassen“, sagte Wellinger nach dem Gewinn der Silbermedaille von der Großschanze am Sonnabend, haben die Teamkollegen und er ein provisorisches Trainingszentrum eingerichtet, „denn eine Sporthalle gibt es im Dorf ja nicht“. Noch wichtiger jedoch sind die Ma­tratzen, die von den Deutschen in ihrem Quartier ausgetauscht wurden. Der eigene Lieferant habe mehr als 30 Exemplare mit unterschiedlichen Härtegraden zur Verfügung gestellt. „Unsere Matratze fühlt sich deutlich besser an als die, die vorher im Bett war. Und ich bin ziemlich durcheinander, wenn ich schlecht geschlafen habe“, sagte der 22-Jährige.

An diesem Montag (13.30 Uhr MEZ) absolvieren die Skispringer mit dem Teamwettbewerb auf der Großschanze ihren letzten olympischen Wettkampf. „Wenn jeder die Leistung bringt, müssen sich die anderen lang machen, um uns zu schlagen“, sagte Wellinger optimistisch. Seit Sonntagabend steht fest, dass Markus Eisenbichler (Siegsdorf) für eine Medaille nicht mehr infrage kommt. Nach einem letzten Trainingssprung beorderte Bundestrainer Werner Schuster stattdessen Stephan Leyhe ins DSV-Quartett. Der Willinger schaute bisher bei den Einzelwettbewerben nur zu, scheiterte stets hauchdünn in der internen Qualifikation an Karl Geiger (Oberstdorf). „Er springt sehr stabil, hat keine Ausreißer“, rechtfertigte Schuster nun Leyhes Nominierung.

Ob es für Wellinger, Geiger, Leyhe und Richard Freitag (Aue) im Nationenduell mit den norwegischen Flugassen und den Polen um Kamil Stoch, der auf der Großschanze seinen Titel von Sotschi 2014 erfolgreich verteidigte, zu Gold reicht, hängt nicht allein von Überflieger Wellinger ab. Für erneutes Teamgold wie schon vor vier Jahren nimmt Freitag eine entscheidende Rolle ein.

Um den Unterschied zu machen, bedarf es mindestens zweier Topspringer. Alle vier Deutschen waren am Sonnabend von der Großschanze unter den Top 15. Freitag (9.) jedoch ist mit Ausnahme der Skiflug-WM, als er im Januar in Oberstdorf Bronze gewann, weit entfernt von seinem Leistungsvermögen, das ihn den Weltcup bis zum Sturz bei der Vierschanzentournee in Innsbruck hatte bestimmen lassen.

Der 26-Jährige glaubt zwar, inzwischen wieder eine Linie für sich gefunden zu haben, „aber die sollte auch vielleicht irgendwann mal aufgehen. So viel fehlt nicht, es sind nur Kleinigkeiten.“ Werner Schuster weiß um die Bedeutung eines guten Richard Freitag für das Team. Deshalb wählt der Bundestrainer statt einer schonungslosen Analyse aufbauende Worte. „Er springt nach wie vor nicht schlecht“, so Schuster. „Aber nicht schlecht ist im Moment zu wenig, um eine Medaille zu holen. Dafür muss man gut beziehungsweise sehr gut springen.“ Schuster bedauert, dass Freitag sein unglaubliches Potenzial in Pyeongchang noch nicht mit Medaillen belohnen konnte. Schuster: „Es geht jetzt darum, ihn zu unterstützen, den Kopf freizukriegen. Da kann er sich auf die Kollegen verlassen. Ich bin mir sicher, dass Richard dem Team noch mal helfen kann.“

Weil Skispringen ein Tagesgeschäft ist, darf man die Athleten tatsächlich nie frühzeitig abschreiben. Wellinger dagegen hat gerade den Vorteil, einen starken Sprung nach dem anderen sicher zu landen. „Ich mach’s einfach“, antwortete der bayrische Lausbub auf die Frage, wie er sich die Konstanz in seinen Sprüngen erkläre. Am Sonnabend landete er im zweiten Durchgang dank des Aufwindes bei 142 Metern. Zum Doppelgold, wie es Stoch vor vier Jahren gewann, sollte dies dennoch nicht genügen. Der Pole segelte elegant im letzten Sprung des Wettkampfs auf 136,5 Meter, er bekam glänzende Haltungsnoten und Punkte gutgeschrieben für die schlechten Windbedingungen. 285,7 Zähler hatte Stoch am Ende, Wellinger kam auf 282,3. Bronze ging an den Norweger Robert Johansson (275,3).

Wellinger hat es bislang in Pyeongchang geschafft, sich von Sprung zu Sprung zu steigern. „Das ist auch eine meiner Stärken, dass ich kleine Dinge in die richtige Richtung entwickeln kann“, sagte der Wahl-Münchner. Er selbst ist von sich und seiner Coolness überrascht: „Mit der Goldmedaille habe ich alle Erwartungen übertroffen, deswegen konnte ich mich umso entspannter vorbereiten.“ Dazu gehört in Pyeongchang dann auch, mal das Handy mit den minütlich eintreffenden Glückwunschnachrichten beiseitezulegen und einen dänischen Krimi zu lesen. Wo er sich diese Entspannung holt? Natürlich in seinem Bett, auf der gemütlichen Matratze.