Hamburg. Richard Neudecker feierte sein Startelfcomeback für St. Pauli nach vier Monaten

Wenn es im Fußball schlecht läuft, ist der Sündenbock schnell gefunden. Natürlich der Trainer. Auch in der aktuellen Zweitligasaison mussten schon zehn Chefcoaches ihren Posten räumen. Vom Spitzenreiter der Tabelle ist der VfL Bochum als 14. zwar weit entfernt. Mit zwei Entlassungen während der aktuellen Spielzeit und einer Freistellung vor Saisonbeginn liegen die Bochumer aber zumindest in dieser Wertung vorne.

Auch beim FC St. Pauli hat sich das Trainerkarussell weitergedreht. Coach Olaf Janßen wurde nach der 0:5-Pleite in Bielefeld am 16. Spieltag beurlaubt und von Markus Kauczinski ersetzt. Der Rausschmiss hat sich offenbar gelohnt. Denn: Wer die letzten fünf Spiele von Janßen mit den ersten fünf Spielen von Kauczinski vergleicht, stellt fest, dass der neue Chef im Schnitt einen Punkt mehr pro Partie geholt hat als der alte. Keine Seltenheit. Bis auf Union Berlin, wo Jens Keller trotz Tabellenplatz vier durch den erfolgloseren André Hofschneider abgelöst wurde, ist der berühmte Trainerwechseleffekt immer eingetroffen. Der Mythos lebt.

Unter einem neuen Trainer gibt es bei den Spielern meistens auch neue Gewinner. Bei St. Pauli ist Richard Neudecker einer von ihnen. Der 21-Jährige stand am Montag beim Heimspiel gegen Nürnberg (0:0) zum ersten Mal seit mehr als vier Monaten – um genau zu sein: seit 134 Tagen – in der Startelf. „Ich war überglücklich, als ich gehört habe, dass ich von Anfang an spiele. Seit meiner Verletzung habe ich jeden Tag für diesen Moment gekämpft“, sagt Neudecker.

Der Mittelfeldakteur laborierte gegen Ende des vergangenen Jahres erst an einem Bänderanriss im linken Sprunggelenk, dann an einer Achillessehnenreizung. „Seine Aufgabe hat er gegen Nürnberg gut und aufopferungsvoll erfüllt, solange ihn die Füße getragen haben. Ich glaube, dass er noch an Härte zulegen muss“, hatte Trainer Kauczinski nach der Partie gesagt.

Neudecker kann die Kritik nachvollziehen. „Ich habe noch einiges nachzuholen. Jede Minute Spielzeit hilft mir“, sagt er. In der laufenden Saison konnte der ehemalige Juniorennationalspieler immerhin schon 373 Minuten auf seinem Einsatzkonto sammeln. In der gesamten letzten Saison waren es nur 369 Minuten.

Von einem Trainerwechseleffekt hält Neudecker dennoch wenig. „In meinen Augen liegt es nicht am Trainer selbst“, erklärt der gebürtige Oberbayer. Auch wenn er Markus Kauczinski für einen „Toptrainer“ hält, sieht er einen anderen Grund für die positive Kehrtwende. „Jeder Spieler hat wieder das Gefühl, bei null anzufangen und sich neu beweisen zu müssen. Dadurch gibt jeder wieder Vollgas“, meint Neudecker.

Aber wie gelingt es einem Trainer dann, den Effekt möglichst lange festzuhalten? Auch dafür hat der ehemalige 1860-München-Spieler eine Erklärung: „Der Coach muss der Mannschaft zeigen, dass es keine Stammelf gibt. Dann kann der Wechseleffekt lange andauern.“ Dieselbe Startelf wie im Spiel zuvor hat Kauczinski während seiner Amtszeit jedenfalls noch nicht auf den Platz geschickt.