Pyeongchang. Trendsportarten Snowboard und Ski Freestyle sollen die Jugend begeistern – mehr Förderung ist gefragt

Was sich bei ihrem Olympiadebüt ändern wird, weiß Jana Fischer bereits ganz genau: das Tempo. „Hier geht es viel schneller zu“, sagt die 18 Jahre alte Snowboarderin, von den ersten Eindrücken in Südkorea gezeichnet. Bei den Juniorinnen „passierte es immer wieder, dass da ein, zwei gar nicht mithalten konnten.“ Das wird Fischer im Bogwang Snow Park von Freitag an nicht so erleben. Die Schwarzwälderin geht im Boardercross an den Start, bei den Besten dieser Sportart. Ein Parcours führt dabei durch Steilwandkurven und über Buckel. Und oft genug muss man gegen die fünf Mitfahrerinnen die Ellenbogen ausreichend einsetzen, um eine Runde weiterzukommen.

Fischer ist das, was man als Versprechen für die Zukunft bezeichnet. Ein Talent, das schon bei den Olympischen Jugendspielen Gold gewonnen hat. Eine junge Athletin, auf der teilweise die Hoffnungen ruhen, dass deutsche Boarder endlich den Anschluss an die Weltspitze schaffen können. Deutschland ist bei den beiden Funsportarten ein sportliches Entwicklungsland. Man ist dabei, aber die Medaillen holen die anderen. Mit dem Snowboard oder zwei Freeskiern unter den Füßen dominieren die Nordamerikaner die olympischen Wettbewerbe.

Seit dem Debüt 1998 in Nagano gab es fünf Medaillen für deutsche Starter, Nicola Thost holte bei der Premiere immerhin sogar Gold in der Halfpipe. Die beiden letzten gingen vor vier Jahren in Sotschi im Parallelslalom an Anke Karstens (Silber) und Amelie Kober (Bronze). Am Mittwoch wurde dagegen Shaun White zum dritten Mal Olympiasieger in der Halfpipe. Der 31-Jährige ist ein weltweiter Star, Multimillionär und eine Legende auf dem Snowboard. In Chloe Kim (Halfpipe) und Redmond Gerard (Slopestyle) haben in Korea zudem zwei 17 Jahre alte Jungspunde Gold für die USA geholt, weshalb die Amerikaner sich keine Sorgen um die künftige internationale Wettbewerbsfähigkeit machen müssen.

Snowboard ist Punkrock, Alpinski öder Schlager

Und in Deutschland? „Eine Medaille kann man von Jana nicht erwarten“, sagt Hanns-Michael Hölz. Er ist der Präsident des Snowboard-Verbandes Deutschland (SVD), in dem rund 38.000 Boarder und Ski-Freestyler aus 2900 Vereinen organisiert sind. Das klingt nach einer soliden Basis. Doch im Alpenraum oberhalb der Grenze zu Österreich und der Schweiz ist das Fördersystem mit Landeskadern noch nicht so ausgeprägt. Hölz: „Ich sage den Trainern immer: Geht in die Vereine, schaut euch die Talente an und zieht sie euch hoch.“ So wie bei Jana Fischer, die nun bei Olympia startet. Wenn sie im Sommer ihr Abitur gemacht hat, möchte sie in die Sportförderkompanie der Bundeswehr, denn bessere Bedingungen zur Leistungsoptimierung werden derzeit in Deutschland nicht geboten.

Welche Bedeutung Snowboard und Ski Freestyle mittlerweile für die Fünf-Ringe-Bewegung haben, zeigt ein Blick in den olympischen Plan. Von 102 Goldmedaillen werden 20 alleine in diesen beiden Sportarten vergeben. Halfpipe und Slopestyle heißen die Disziplinen dann, Buckelpiste und Big Air, Parallelslalom und Cross. Beim Zugucken herrscht Partystimmung. Damit wollte das IOC kurz vor der Jahrtausendwende dem schwindenden Olympiainteresse beim Nachwuchs entgegenwirken. Wer in den Snow Park in Pyeongchang fährt, sieht diese Rechnung aufgehen.

Konstantin Schad ist mit 31 Jahren ein erfahrener Starter. „Andere Länder haben viel früher Gas gegeben und in den Sport investiert – und die sind deswegen jetzt ganz vorne“, sagt er. Gebt uns mehr Geld, dann sind wir erfolgreicher, das ist eine schnell gewählte Kritikform der Erfolglosen im Spitzensport. Der Boardercrosser aus Miesbach sieht in Deutschland dagegen schon gute Grundlagen gelegt. „Die guten Platzierungen und Siege im Weltcup dieses Jahr sind ein geiler Indikator. Wenn man den Input und die Erwartungen am Output sieht, holen wir schon sehr viel raus.“ Cross-Kollege Paul Berg ist so ein positives Beispiel in diesem Winter, ebenso Parallel-Boarderin Selina Jörg und die in Südkorea verletzt fehlende Ski-Slopestylerin Lisa Zimmermann. Schad: „Wir sind ein noch junger Verband – ich glaube da sehr an die Leistungssportreform.“

Sobald sie beschlossen ist von der neuen Bundesregierung, sieht sie vor, erfolgreiche Verbände zu bevorzugen. Wo Bedarf herrscht? „Beim Material, bei Trainern und Technikern, beim Nachwuchs“, sagt Präsident Hölz. Für eine bessere finanzielle Ausstattung müssen daher in Pyeongchang Medaillen her. „Zwei“, sagt Hölz, „in welchen Wettbewerben auch immer.“

Vielleicht dient die Entwicklung im Beachvolleyball als Mutmacher. Hier sind deutsche Duos durch intelligente Strukturen und auf Erfolgen basierenden Zuwächsen an Fördermitteln fester Bestandteil der Weltspitze. Olympiasiege wie die von Jonas Reckermann und Julius Brink 2012 in London sowie von Laura Ludwig und Kira Walkenhorst vor zwei Jahren in Rio belegen die gebrochene Vorherrschaft der USA und Brasilien. Ob Fischer die eines Tages im Boardercross brechen kann, wird sich zeigen.