Pyeongchang. Fahnenträger Eric Frenzel hat es wieder geschafft: Wie schon in Sotschi 2014 gewann er Gold im Einzel der Nordischen Kombination

Wer Eric Frenzel ein bisschen kennt, der merkt schnell: Der Mann aus dem Erzgebirge ist kein Sprücheklopfer. Auf vollmundige Kampfansagen wartet man bei ihm vergebens. Und so hielt er sich bei aller Zuversicht auch zurück, als es um das mutmaßlich gute Omen ging, das die Rolle des deutschen Fahnenträgers bei der Eröffnungsfeier mit sich bringen würde. Vor vier Jahren in Sotschi hatte Alpin-Star Maria Höfl-Riesch die Mannschaft ins Stadion geführt und anschließend ihren Olympiasieg von Vancouver 2010 in der Super-Kombination wiederholt.

Frenzel verzichtete also wie gewohnt auf große Worte. Stattdessen ließ der nordische Kombinierer am Mittwochabend Taten sprechen. Nach dem Springen von der Normalschanze war er als Fünfter auf die 10-Kilometer-Langlaufstrecke gegangen. Dort konnte ihn dann nichts und niemand mehr halten. Nach knapp einem Drittel der Distanz hatte er bereits die Führung übernommen, das Tempo diktiert und mit einem unwiderstehlichen Antritt am letzten Anstieg die hartnäckigsten Verfolger abgeschüttelt.

Als er die Ziellinie überquerte, klatschten auch die Vertreter des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB) um Präsident Alfons Hörmann auf den Zuschauerrängen lautstark Beifall. Frenzel gilt als Vorzeigesportler; als einer, der bescheiden und bodenständig geblieben ist, aber dennoch meinungsstark auftritt. Hörmann bezeichnete ihn deshalb „als Vorbild in jeder Hinsicht“. Sportlich erlebte der 29-Jährige eine weitere Sternstunde. Er verwies den Japaner Akito Watabe sowie Lukas Klapfer aus Österreich auf die weiteren Podestplätze. „Ich habe nie den Glauben an mich verloren. Mir gelang es ja schon öfter, auf den Punkt topfit zu sein“, erklärte er.

Genau das ist es, was das Phänomen Frenzel ausmacht. Niemand versteht es so gut, zum jeweiligen Saisonhöhepunkt in Bestform zu sein. Zwar stand er im vergangenen Winter bei der Weltmeisterschaft in Lahti im Schatten des vierfachen Weltmeisters Johannes Rydzek. Doch auch dort war er erfolgreich: Zweimal Gold und einmal Silber fügte er seiner ohnehin beträchtlichen Medaillensammlung hinzu. Konkurrenz belebt das Geschäft – auch im eigenen Team. Deutschlands Mannschaft gilt als die stärkste im winterlichen Zweikampf.

Allerdings hatten Rydzek sowie Vinzenz Geiger und Fabian Rießle gestern Pech beim Springen. Sie erwischten die Phasen zwischen wechselnden Winden, die keine großen Weiten zuließen. Selbst eine famose Aufholjagd reichte Rydzek nicht, um in den Medaillenkampf eingreifen zu können. Der Oberstdorfer verkürzte den Rückstand von 1:26 Minuten zwischenzeitlich zwar auf neun Sekunden. Dann aber zog die Spitzengruppe das Tempo an und ließ kein Aufschließen zu. Rydzek wurde am Ende Fünfter; Rießle stürmte von Rang 16 auf sieben. Geiger landete auf dem neunten Platz.

„Gefährlich war der Wind nicht, aber Lotterie. Letztendlich hat der Wind entschieden, wer die Möglichkeit hat, eine Medaille zu gewinnen oder nicht“, resümierte Bundestrainer Hermann Weinbuch. Auch Frenzel gab zu: „Sicher war etwas Windglück dabei. Aber ich hatte einen optimalen Sprung.“ 36 Sekunden hinter der Spitze seien eine „perfekte Ausgangsposition“ gewesen. Lob gab es von allen Seiten. Rydzek meinte: „Eric ist ein ganz Großer. Wie er da am letzten Anstieg attackiert hat, ist sensationell.“ Und Weinbuch erklärte voller Bewunderung: „Er ist kein normaler Mensch.“

Dabei lief es in diesem Winter alles andere als rund. Vor allem mit seinen Sprüngen haderte Frenzel. Beharrlich suchte er nach den Ursachen und fand sie im neuen Bindungssystem. Der sogenannte Anstellwinkel seines Fußes gegenüber dem Ski war darin nicht mehr optimal. Hinzu kamen Probleme mit der Oberschenkel-Muskulatur, die ihn in der Anfahrtshocke behinderten. Die Behandlung bei einem Spezialisten in Potsdam half,, auch die Rückkehr zur alten Bindung gab Sicherheit. Außerdem verzichteten die Deutschen im Vorfeld der Spiele auf den Weltcup in Hakuba, zogen sich zum Training zurück. Im Vorbereitungscamp in Oberstdorf wurden erste Fortschritte deutlich, das Selbstvertrauen kehrte zurück. Bei der Ankunft in Pyeongchang wirkte Frenzel hoch motiviert, aber sichtlich gelassen.

Diese innere Ruhe hat sicher auch mit seinem Familienglück zu tun. Frenzel hat drei Kinder, findet im Kreise seiner Liebsten die nötige Erholung zwischen dem Wettkampfstress. Am Montag waren Ehefrau Laura und der älteste Sohn Philipp in Südkorea angereist. „Meine Familie“, sagte Frenzel, „ist mir das Wichtigste.“ Zwar habe er sie in dieser Saison oft entbehren müssen; gerade in den Phasen, in denen es schwierig war. „Doch ich habe immer ihre Rückendeckung gespürt. Das gab mir Kraft.“

Nun stehen noch zwei Wettbewerbe an. Vor allem mit dem Team will er Gold angreifen. „Wir haben noch eine Rechnung von Sotschi offen“, sagte Frenzel und meinte den verlorenen Zielsprint um den Olympiasieg gegen die Norweger. Damals war er von einer Erkältung geschwächt, die er sich nach dem Triumph von der Normalschanze eingefangen hatte. Diesmal will er besser auf sich und seine Gesundheit aufpassen. „Man soll aus Fehlern lernen“, sagte Eric Frenzel. Ganz der Muster­profi eben.