Pyeongchang . Natalie Geisenberger gewinnt wie schon in Sotschi Gold, Eitberger Silber

Wie wichtig ihr dieser Sieg war, bekam als Erstes ein weißer Tiger zu spüren. „Soohorang“, das Maskottchen der Spiele von Pyeongchang, wird den Medaillengewinnern bei einer kleinen Zeremonie kurz nach dem Wettkampf überreicht. Natalie Geisenberger verpasste dem kleinen Stofftier einen innigen Kuss – und wollte in diesem Moment am liebsten die ganze Welt umarmen. „Mein Traum, den ich vier Jahre lang geträumt habe, ist wahr geworden“, sagte die 30-Jährige nach ihrem dritten Olympiasieg. Schon 2014 in Sotschi war sie nicht zu schlagen gewesen und hatte zudem Gold mit der Teamstaffel geholt. Diese Chance besteht am Donnerstag erneut, und sie freut sich darauf: „Das ist ein besonderer Wettbewerb. Da wollen wir das i-Tüpfelchen draufsetzen.“

Während Geisenberger von Anfang an als Favoritin für die rasanten Fahrten in der anspruchsvollen Eisrinne von Pyeongchang galt, überraschte Olympiadebütantin Dajana Eitberger mit Platz zwei. Dritte wurde die Kanadierin Alex Gough, die damit die erste olympische Rodelmedaille für ihr Land ergatterte. Undankbare Vierte wurde die Oberhoferin Tatjana Hüfner, die im letzten Durchgang noch vom Podest rutschte und mit hängendem Kopf den Zielbereich verließ.

Dagegen konnte Eitberger ihr Glück kaum fassen. Dank eines sensationellen vierten Laufes, bei dem sie vor allem im unteren Teil zu fliegen schien, schob sie sich noch von Rang vier nach vorn: „Das ist Wahnsinn. Für mich war die Olympiateilnahme ja schon ein Erfolg. Die wollte ich schon feiern. Aber jetzt geht’s erst richtig los - anderthalb Wochen lang“, jubelte sie und gab den „Marschbefehl“ ins Deutsche Haus. Dort wollte sie am liebsten mit Mojito anstoßen. „Wenn sie keinen haben, tut es Sekt aber auch“, meinte die 27-Jährige aufgekratzt. Geisenberger sah es genauso.

Im olympischen Dorf teilen sich die Bayerin und die Thüringerin ein Appartement. Man kann sich gut vorstellen, was dort in den nächsten Tagen so passieren wird. Allerdings, erklärte Eitberger, werde sie auf die Zimmerkollegin aufpassen und erst einmal allein das Dorf unsicher machen. „Sie muss ja in der Teamstaffel noch einmal die Bahn runter.“ Kaum jemand zweifelt daran, dass Geisenberger das nach vier tollen Läufen in den vergangenen beiden Tagen noch ein fünftes Mal gelingt. „Ich war so entspannt wie nie bei einem Großereignis“, verriet sie. „Ich wusste, ich habe alles gewonnen, und das sogar mehrfach: Olympiagold, WM-Titel, Gesamtweltcup, EM-Titel. Deshalb bin ich völlig relaxt an den Start gegangen.“

Allerdings musste Geisenberger auch erst einmal den Sturz ihres guten Freundes Felix Loch verkraften. Sein nächstes Olympiagold vor Augen hatte der Topfavorit am Sonntagabend gepatzt und im letzten Moment alles verloren. „Damit klarzukommen war schwierig für mich. Er tat mir so leid“, gestand die Vorzeigerodlerin aus Miesbach. Gleichzeitig war Lochs Fauxpas ein „Wachrüttler“ für sie. „Ich wusste dann, welch große Auswirkungen ein kleiner Fehler haben kann.“ Cheftrainer Norbert Loch meinte angetan: „Sie war in einem Klassefeld wieder eine Klasse für sich.“

Geisenberger dominiert die Szene fast nach Belieben. Als erste Frau überhaupt hatte sie zum sechsten Mal in Serie den Gesamtweltcup gewonnen. Bei allen 13 Rennen in diesem Winter, ob Weltcup oder Sprintrennen, stand sie auf dem Podest. Ihre Erfolgsserie als Rekordsiegerin baute sie auf 48 Weltcuptriumphe aus. Und die Motivation ist nach wie vor hoch: „Da ist ein gewisses Suchtpotenzial dabei – ganz oben zu stehen und die deutsche Hymne zu hören“, sagte sie und kündigte an, die Heim-WM in der kommenden Saison in Winterberg in Angriff zu nehmen. Ob sie bei den Winterspielen 2022 in Peking erneut dabei sein wird, ließ sie offen.

Nirgends gibt es so viele Bahnen wie in Deutschland

Die seit Jahrzehnten herrschende deutsche Dominanz lässt die Konkurrenz staunen. Seit 1998 gewann stets eine deutsche Rennrodlerin Olympiagold: Silke Kraushaar, zweimal Sylke Otto, Hüfner und jetzt zum zweiten Mal Geisenberger. Die musste deshalb einem japanischen Journalisten die Vormachtstellung erklären. Deutschland profitiere von seiner Infrastruktur, meinte sie. Kein anderes Land unterhält vier Kunsteisbahnen (Oberhof, Altenberg, Königssee, Winterberg). Da sie allesamt unterschiedliche Charakteristiken aufweisen, können somit verschiedene Fahrtechniken erlernt werden. Weiterhin sorgen gute Trainer und Techniker für optimale Förderung. „Der Konkurrenzkampf ist von klein auf da. Niemand kann sich Larifari leisten, sonst wird man überholt“, sagte die Dreifach-Olympiasiegerin.

Das erklärt auch die Dominanz bei den Doppelsitzern, die fast noch größer ist. Die wohl größten deutschen Goldfavoriten gehen heute Mittag (12.20 Uhr MEZ) auf die Bahn. Toni Eggert und Sascha Benecken wirkten im Vorfeld souverän und dominierten das Abschlusstraining. Die Gesamtweltcupsieger aus Thüringen fuhren am Dienstag in beiden Läufen Bestzeit.

Pech hatten die Sotschi-Olympiasieger Tobias Wendl und Tobias Arlt, die im letzten Lauf vor dem Rennen in der berüchtigten Kurve neun stürzten. „Das geht hier sehr schnell, jetzt sind wir wachgerüttelt“, sagte Arlt. Den Deutschen Konkurrenz zu machen, wird allenfalls den Österreichern Peter Penz und Georg Fischler zugetraut. Ihr Sieg wäre aber eine Sensation.