Dortmund/Hamburg. Nach dem 0:2 in Dortmund warten die Hamburger nun seit neun Spielen auf einen Sieg – Rückstand auf Platz 15 beträgt schon sechs Punkte

Keine Frage, für Fußballprofis gibt es schönere Aufgaben, als jede Woche ein neues Negativerlebnis kommentieren zu müssen. Die Gelegenheit, sich dabei Routine anzueignen, hatten die Spieler und Funktionäre des HSV allerdings in der jüngeren Vergangenheit reichlich. Das 0:2 bei Borussia Dortmund war bereits der neunte vergebliche Anlauf, einen Sieg in der Bundesliga einzufahren. Nur vier Treffer konnte der HSV seit dem 26. November 2017 (3:0 gegen Hoffenheim) erzielen – ein lächerlicher Wert.

Während sich Spieler und Offizielle in der Vergangenheit häufig in Schönrederei übten, gab es dieses Mal keine Zweifel, dass der HSV beim Tabellendritten ein sehr ordentliches Spiel hingelegt und sich vor allem in der Defensive sehr kompakt präsentiert hatte. Ein „super Auswärtsspiel“ attestierte Mergim Mavraj seinem Team, was dann doch etwas übertrieben war, vor allem aber darauf fußte, dass der BVB in der ersten Hälfte ohne Torchance blieb. Erfreulich auch, wie verbissen sich der HSV nach dem 0:1 durch Michy Batshuayi (49.) gegen die 13. Saisonniederlage stemmte. Wille, Kampfgeist, Leidenschaft, Motivation – diese Begriffe wählte Bernd Hollerbach, als er sein Team nach seiner ersten Niederlage als HSV-Trainer dennoch lobte.

Bestätigt fühlten durfte sich Hollerbach durch einige Statistiken: So liefen seine Spieler mit insgesamt 124,2 Kilometern mehr als sieben Kilometer mehr als die Borussen-Profis und legten auch deutlich mehr intensive Läufe (762) zurück als der BVB (654). Einen ersten Aufschluss, woran es beim HSV-Spiel jedoch immer noch krankt, lieferte die Bilanz der angekommenen Pässe: Während es Dortmund auf einen Wert von 428 Pässen brachte, fanden beim HSV nur 251 Pässe den Weg zum Mitspieler.

Eine Erklärung für den miesen Wert: Im neuen System mit einer (in der Defensivbewegung) Fünfer-Abwehrkette und zwei Sechsern schalten sich zu wenige Spieler in die Offensive ein. Wo sich wenig Anspielmöglichkeiten bieten, geht schneller der Ball verloren – eine negative Folge der neuen Kompaktheit unter Hollerbach.

Dennoch wäre es gegen die keineswegs stabile BVB-Defensive ein Leichtes gewesen, sich mehr als nur Halbchancen herauszuspielen. „Wir sind sicher vier-, fünfmal über die Außen in den Sechzehner eingedrungen, aber es gelingt uns einfach nicht, die Ansätze in den Kontern zu Ende zu führen“, analysierte Clubchef Heribert Bruchhagen. „Uns fehlt die Entschlossenheit, das ist das Manko des heutigen Spiels.“

Logisch, dass sich das Gespräch mit Hollerbach nach dem Auslaufen um die Sturmflaute mit nur 17 Toren in 22 Partien (Minuswert der Liga) drehte. Wer, so die Kernfrage, soll bloß die Tore für den Klassenerhalt schießen?

Ein Retter der vergangenen Jahre ließ sich am Sonntag auf dem Platz blicken – Nicolai Müller, mit fünf Toren und sieben Scorerpunkten bester Offensivmann der Vorsaison. Müller mache Fortschritte, das Knie werde nach der Belastung nicht mehr dick, berichtete Hollerbach, der hofft, dass der 30-Jährige in den kommenden zwei Wochen wieder mit Balltraining beginnen kann. Zwar wollte sich der HSV-Trainer auf keinen Zeitpunkt für das Comeback festlegen, doch er glaubt, „dass er von seiner Konstitution her ein Spieler ist, der schnell wieder fit werden kann“.

Eine Rückkehr Müllers erscheint aber – wenn überhaupt – erst im Bundesliga-Schlussspurt möglich. Deshalb kümmert sich das Trainerteam noch intensiver um die einsatzfähigen Angreifer – wie Fiete Arp, der aufgrund einer Erkältung und des Abiturstresses einen schweren Start in die Rückrunde hatte.

„Es war nur eine Frage der Zeit bei der Belastung, aber jetzt bin ich darüber hinweg“, sagte der 18-Jährige nach dem Dortmund-Spiel. Mit der Schule und dem HSV hat Arp einen neuen Plan erstellt, wie die krankheitsbedingten Fehlzeiten in der Schule kompensiert und mit dem Training beim HSV in Einklang zu bringen sind. So absolvierte er vergangene Woche mit dem neuen Co-Trainer eine Extraeinheit, die nicht nur ein Einzelfall bleiben soll. „Er ist auf jeden Fall auf dem aufsteigenden Ast“, glaubt Hollerbach.

Sein größter Patient bleibt jedoch Bobby Wood, der im Signal-Iduna-Park erneut eine der Bundesliga unwürdige Leistung bot. Seiner Körpersprache nach hat der glücklose Angreifer, der seit 1144 Spielminuten auf ein Erfolgserlebnis wartet, ein massives mentales Problem.

„Er muss sehr viele Negativerlebnisse verarbeiten, aber er soll sich nicht verrückt machen, im Training gut arbeiten und sich dort die Sicherheit holen. Ich bin sicher, dass der Knoten platzen wird“, sagte Hollerbach.

Die Frage bleibt, ob er es in dieser Saison noch schafft – dem HSV läuft die Zeit davon. Zwar verloren am Wochenende auch die direkten Konkurrenten Köln und Mainz, doch nach den Siegen des VfB Stuttgart (1:0 gegen Mönchengladbach) und Bremen (3:1 gegen Wolfsburg) beträgt der Rückstand auf den rettenden Platz 15 bereits sechs Punkte.

„Ich habe das Gefühl, dass uns schon viele abgeschrieben haben, aber dafür ist es deutlich zu früh“, sagte Sportchef Jens Todt trotzig. Auch Hollerbach will von Auflösungserscheinungen nichts wissen: „Wenn wir so mutig weitermachen, werden die Ergebnisse kommen.“ Gelingt es dem HSV in den kommenden Partien gegen Leverkusen, in Bremen und gegen Mainz nicht, die Ergebniskrise zu beenden, könnte schnell alles zu spät sein.