Hamburg. Der kommende Gegner diente für den HSV schon häufiger als Wendepunkt im Abstiegskampf

Der Tag begann frostig für den HSV. Bei der ersten der zwei Trainingseinheiten standen Bernd Hollerbach bei minus drei Grad gerade mal 18 Feldspieler zur Verfügung. Mit Fiete Arp, Kyriakos Papadopoulos, Mergim Mavraj, Aaron Hunt, Lewis Holtby, Sejad Salihovic und Luca Waldschmidt fehlten gleich sieben arrivierte Profis. Muss der HSV am Sonnabend in Dortmund (15.30 Uhr/Sky und im Abendblatt-Liveticker) etwa mit einer Notelf antreten? „Wenn ich zweimal die Woche doppelt trainiere, bekommen die über 30-Jährigen einmal frei“, gab Hollerbach Entwarnung bei den Routiniers Hunt (31), Mavraj (31) und Salihovic (33). Arp (18) wiederum war in der Schule, der gelb-rot-gesperrte Papadopoulos (25) holte konditionelle Rückstände bei einem Waldlauf nach, Waldschmidt musste wegen Fersenproblemen passen, Holtby (27) liegt mit einem grippalen Infekt flach. Bis auf die beiden Letztgenannten mischten alle Profis am Nachmittag wieder mit.

Hollerbach kann beim Tabellenvierten also fast aus den Vollen schöpfen. Selbst Walace, der zur Geburt seines zweiten Kindes zu seiner Freundin nach Brasilien reisen darf, kann beim BVB auflaufen. „Er ist sicher dabei. Der Stichtag der Geburt ist vom 9. auf den 18. Februar verschoben worden“, sagte Hollerbach. „Er hat mir versichert, fokussiert auf unsere nächste Aufgabe zu sein.“ Das wird bitter notwendig sein, denn bei drei Punkten Rückstand auf den Relegationsplatz helfen dem HSV aktuell nur Siege.

Der jüngste dreifache Punktgewinn liegt zweieinhalb Monate zurück. Am 26. November gegen Hoffenheim (3:0) gewann der HSV unter dem damaligen Trainer Markus Gisdol letztmals in der Bundesliga. In den darauffolgenden acht Spielen holten die Hamburger vier Remis und gingen ebenso häufig als Verlierer vom Platz. „Mich interessiert nur die Zeit, seitdem ich hier bin. Und da sind wir ungeschlagen. Die Mannschaft glaubt an sich, lässt sich auch nach einem Rückstand nicht hängen“, sagte Hollerbach.

Seine verhaltene Euphorie liegt an der Stärke des kommenden Gegners. „Sie haben eine hervorragende Offen­sive“, lobt der HSV-Coach den mit 45 Toren zweitbesten Angriff der Liga. Schon als Spieler war Dortmund nicht gerade der Lieblingsgegner des früheren Linksverteidigers (nur ein Sieg in 14 Duellen). Als Trainer lechzt der Franke nun nach einer besseren Bilanz – doch wie soll das gelingen? Hollerbach: „Wir müssen aus einer stabilen Grundordnung immer wieder den Weg nach vorne suchen und mutig sein, um Chancen zu kreieren.“

Hoffnung, dass die acht Spiele anhaltende Sieglosserie reißt, zieht der HSV auch aus den Erfahrungen der Vergangenheit. Nicht zum ersten Mal haben die Hamburger den BVB in einer nahezu aussichtslosen Situation vor der Brust. Am siebten Spieltag der Saison 2014/15 reiste der damals sieglose HSV als Schlusslicht nach Dortmund, gewann 1:0 dank eines Tores des mittlerweile an Leeds United ausgeliehenen Stürmers Pierre-Michel Lasogga und rettete am Ende in zwei dramatischen Relegationsspielen gegen Karlsruhe die Klasse. Ein Jahr zuvor steckten die Hamburger beim Debüt von Trainer Mirko Slomka als Tabellen-17. ebenfalls in akuter Abstiegsnot, als der BVB am 22. Spieltag furios mit 3:0 geschlagen wurde. Später schlich der HSV mit rekordträchtigen 27 Punkten in die Relegation, in der Greuther Fürth nach zwei Unentschieden dank der Auswärtstorregel bezwungen wurde.

Talente Ambrosius und Vagnoman stehen im Kader

Und diesmal? Wieder steht der HSV auf einem Abstiegsplatz, wieder geht Dortmund als klarer Favorit ins Spiel – und wieder rechnet sich der vom Aussterben bedrohte Dino der Liga etwas Zählbares aus. „Es könnte ein ähnliches Spiel werden wie in Leipzig. Da hatten wir auch die Möglichkeiten, das Spiel für uns zu entscheiden.“ Dass es in Leipzig bei einem 1:1 blieb, lag auch an der mangelhaften Chancenverwertung von Bobby Wood. Der seit 1089 Minuten torlose US-Nationalstürmer wird auch in Dortmund in der Startelf stehen, weil Konkurrent Arp nach einem Virusinfekt sowie verpasster Einheiten wegen schulischer Pflichten nicht im Vollbesitz seiner Kräfte ist. „Fietes Situation ist schwierig. Erst war er krank, jetzt stehen die Abiturprüfungen an“, sagt Hollerbach.

In Dortmund wird Arp von der Bank starten. Genauso wie erstmals die Talente Stephan Ambrosius und Josha Vagnoman. „Ich hoffe, ich verrate jetzt nicht zu viel, aber beide werden wohl im Kader stehen“, sagt Clubboss Heribert Bruchhagen, der fest an ein weiteres Kapitel der Dortmund-dient-als-Wendepunkt-Serie glaubt. „Wir sind nicht chancenlos.“

Außenstürmer Nicolai Müller absolvierte erstmals nach seinem Kreuzbandriss wieder
eine halbstündige Reha-Einheit auf dem Platz.