Hamburg. Julius Thole/Clemens Wickler sind das jüngste deutsche Beachvolleyball-Nationalteam. Am Sonntag wartet die erste Prüfung auf sie

Wohlige Wärme lässt im Beachcenter am Dulsberger Alten Teichweg Hamburgs nasskalten Winter schon mal vergessen. Und wenn Julius Thole und Clemens Wickler am Sonntagmittag gegen 12.30 Uhr zu ihrem ersten gemeinsamen Match in den 35 Zentimeter tiefen Sand treten, ähneln die Temperaturen um 20 Grad Celsius denen, die bei fast wolkenlosem Himmel derzeit auf Kish Island, einer iranischen Ferieninsel am Persischen Golf, gemessen werden. Das eine hat mit den anderen eigentlich nichts zu tun, und doch eine ganze Menge. Gewinnen Thole/Wickler morgen gegen ihre Nationalmannschaftskollegen Philipp Arne Bergmann/Yannick Harms vom TC Hameln, dürfen sie am 19. Februar in der Qualifikation des dortigen Weltserienturniers aufschlagen.

Was kompliziert klingt, ist der Tatsache geschuldet, dass maximal vier Paare eines Landes im Hauptfeld internationaler Turniere antreten können. Für Kish haben fünf deutsche Teams gemeldet, einzig Nils Ehlers/Lorenz Schümann sind wegen ihrer Weltranglistenpunkte gesetzt. Die übrigen vier müssen drei Teilnehmer für die Qualifikation ausspielen, Country Quota heißt diese Übung bei den Beachvolleyballern. Bei Turnieren außerhalb Europas darf die interne Ausscheidung im Heimatland gespielt werden, auch in einer Halle.

Thole/Wickler fangen bei null an. „Das wird dieses Jahr ein ganz, ganz mühsamer Weg durch viele Qualifikationsspiele“, ahnen die beiden, ohne vor diesen Herausforderungen zurückzuschrecken. „Entspannt und selbstbewusst“ wollen sie sich der Aufgabe stellen, „wir geben uns Zeit, unsere Ziele zu erreichen und werden nicht in Panik verfallen, sollte es Rückschläge geben. Die werden vermutlich kommen“, sagen sie.

Ende des Jahres möchten sie sich in der Rangliste so weit nach oben gepritscht haben, dass sie mit Beginn der Qualifikation für die Sommerspiele 2020 in Tokio auf der Welttour direkt für die Hauptfelder qualifiziert sind. Das spart Kraft und garantiert Preisgelder. Fünf Sponsoren, Sporthilfe, Team Hamburg und ihr Verein, der Eimsbütteler Turnverband (ETV), sorgen momentan für ein halbwegs auskömmliches Einkommen. Der ETV will mit ihrer Hilfe eine Beachvolleyball-Abteilung aufbauen und im Bezirk neue Plätze anlegen. Ein Angebot des HSV, für den unter anderem die Olympiasiegerinnen Laura Ludwig/Kira Walkenhorst Erfolge feiern, hatte Wickler im Herbst abgelehnt. Thole wiederum ist seit mehr als acht Jahren Mitglied im größten Breitensportverein Hamburgs.

Wickler (22), 1,91 Meter, Abwehrspieler, und Thole (20), 2,06 Meter, Blocker, sind das jüngste der vier Nationalteams, die am Bundesstützpunkt Alter Teichweg bis zu zwölfmal in der Woche für Olympia trainieren, und wahrscheinlich jenes mit der größten Perspektive. Vergangenes Jahr baggerte Thole noch erfolgreich an der Seite des Kielers Schümann (26), Wickler wurde mit Tim Holler (26/Esslingen) in Timmendorfer Strand sogar deutscher Meister. Bundestrainer Martin Olejňák (47) empfahl dennoch den Partnertausch: „Julius und Clemens sind jung, haben großes Potenzial. Gehen sie konsequent ihren Weg, können sie Weltklasse werden.“ Auch charakterlich passten beide zusammen. In Thole, den Jüngeren, sieht der Slowake den „Leader“, Wickler lobt er für dessen Ballkontrolle und Präzision.

Talent muss dem Paar nicht bescheinigt werden. Thole, 2014 U-18-Europameister, und Wickler, 2013 U-19-Weltmeister, 2015 erstmals deutscher Meister (mit Armin Dollinger/Dachau), haben schon in jungen Jahren ihre Begabungen am Strand nachgewiesen.

Wickler, bei der Bundeswehr Sportkompanie in Appen stationiert und Student im Fachbereich Wirtschaftswissenschaften an der Fernuniversität Hagen, plagten in den vergangenen Jahren des Öfteren Knieprobleme, im September 2017 ließ er bei Prof. Karl-Heinz Frosch in der Asklepios-Klinik St. Georg einen Sporn unterhalb der Kniescheibe entfernen, der Schmerzen an der Patellasehne verursachte. Nach der Operation musste er große Sprünge erst mal vermeiden, am Sonntag will er wieder mit voller Kraft angreifen. „Mal sehen, wie das alles klappt, noch sind wir kein eingespieltes Paar“, sagt er. Vergangene Woche hatten Thole/Wickler in Polen mit den dortigen Nationalteams trainiert, erfahrenen Profis, zwei Testspiele gegen diese bestritten, beide zwar verloren, „doch es war zweimal sehr knapp“, sagt Wickler.

Der gebürtige Hamburger Thole, er studiert an der hiesigen Uni im fünften Semester Jura, war 2014 mit der SVG Lüneburg in die Bundesliga aufgestiegen, eine Karriere unterm Hallendach kam für ihn trotzdem nicht infrage. „Beim Beachvolleyball hast du eine weit höhere Eigenverantwortung, du kannst, selbst wenn es schlecht läuft, nicht ausgewechselt werden, und du musst alle Elemente des Spiels beherrschen.“ Das Spiel in der Halle sei längst nicht so intensiv wie im Sand, sagt auch Wickler, „beim Beach bist du ständig in Aktion, das liebe ich“.

Beim Umzug nach Hamburg ist Wickler in Laura Ludwigs ehemalige Wohngemeinschaft in Hasselbrook eingezogen. Beachvolleyballer Valentin Begemann (28) lebt dort immer noch. Thole teilt sich seit Kurzem mit einem Medizinstudenten und Yannick Harms (24) Räume. Am Sonntagmittag ruht die Freundschaft für eine Stunde. „Wer verliert, muss abwaschen“, sagt Thole.