Hamburg. Sportchef Jens Todt erklärt, warum der Verein auf Wintertransfers diesmal verzichtete. Alle Abstiegskonkurrenten wählten eine andere Strategie

Während Werder Bremen am Mittwochabend noch den Transfer des Berliner Verteidigers Sebastian Langkamp für 2,5 Millionen Euro einfädelte, hatte Jens Todt sein Büro bereits verlassen. Als das Transferfenster für die Bundesliga um 18 Uhr schloss, war der Sportchef des HSV auf dem Weg nach Winterhude, wo er mit einem Freund zum Abendessen verabredet war. Todt erlebte den „Deadline Day“ mit deutlich weniger Hektik als viele seiner Amtskollegen, denn schon vor einigen Tagen stand fest, dass die Hamburger in diesem Winter keinen Spieler mehr verpflichten werden. Untätig blieb der Manager in der abgelaufenen Transferperiode aber nicht, wie er im Gespräch mit dem Abendblatt betonte: „Wir waren auf allen Positionen vorbereitet.“

Tatsächlich führte der Manager in den vergangenen Wochen immer wieder Gespräche mit Spielerberatern. Am Trainingsplatz neben dem Volksparkstadion wurde Todt selten ohne Handy am Ohr gesichtet. Ein Spieler, für den sich der HSV zuletzt intensiver interessierte, war Lukasz Teodorczyk vom RSC Anderlecht. „Er ist ein hart arbeitender Stürmer, mit dem wir uns beschäftigt haben“, bestätigt Todt, der den 26-Jährigen am 11. Januar im spanischen La Manga bei einem Testspiel des RSC gegen Heerenveen (0:0) beobachtete. Ein Transfer kam dennoch nicht zustande. „Das Gesamtpaket stimmte nicht“, sagt Todt. Was der Sportdirektor meint: Der HSV konnte sich den polnischen Nationalspieler, der im Vorjahr mit 20 Treffern Torschützenkönig in Belgien wurde, nicht leisten. Auch die Leihe von Leverkusens Admir Mehmedi oder Newscastles Aleksandar Mitrovic waren aus finanziellen Gründen nicht zu realisieren. „Wir wollten Mehmedi ausleihen, ein Kauf wäre ohnehin utopisch gewesen“, sagt Todt. Da keine Neuzugänge verpflichtet wurden, mussten die wechselwilligen Luca Waldschmidt, der sich laut „Sportbild“ mit dem SC Freiburg über einen Wechsel einig gewesen sein soll, und Bakery Jatta, dem eine Anfrage des abstiegsbedrohten Zweitligisten Greuther Fürth vorlag, in Hamburg bleiben.

Insbesondere der Fall Mehmedi zeigt das Dilemma des HSV. Leverkusens Reservist wechselte für acht Millionen Euro zum VfL Wolfsburg. Erfolgsabhängig kann die Ablöse noch auf zehn Millionen Euro anwachsen. Es sind Summen, mit denen der HSV ohne Investor Klaus-Michael Kühne nicht mithalten kann. Der Logistikunternehmer signalisierte diesen Winter keine Bereitschaft für weitere Darlehen, die von der Führungsetage des HSV ohnehin abgelehnt worden wären.

„Herr Kühne hat uns in der Vergangenheit genug geholfen“, hatte Vorstandschef Heribert Bruchhagen am vergangenen Wochenende gesagt. Doch ist der HSV ohne frische Millionen von Kühne überhaupt konkurrenzfähig auf dem Transfermarkt? „Unsere Finanzkraft liegt im unteren Mittelfeld der Bundesliga“, räumt Todt ein. „Wir müssen in Zukunft verstärkt Spieler aus der Zweiten Bundesliga verpflichten. Auch der Nachwuchsbereich wird für uns eine immer wichtigere Säule.“

Während Todt am Status quo festhalten muss, verstärkte sich die Konkurrenz im Abstiegskampf mit neuem Personal (siehe unten). Unter allen Bundesligisten gab Borussia Dortmund (24,5 Millionen Euro) das meiste Geld für Neuzugänge aus. Nach den Westfalen investierte Branchenprimus Bayern München (13) in diesem Winter am stärksten auf dem Transfermarkt. Hinter den beiden finanzkräftigsten deutschen Clubs folgen in dieser inoffiziellen Rangliste bereits die Abstiegskandidaten Bremen (10,0), Wolfsburg (9,75), Köln (6,0), Mainz (3,8) und Stuttgart (3,5).

„Trotz der Transfers der Konkurrenz bin ich fest vom Klassenerhalt überzeugt, weil unsere Spieler noch Steigerungspotenzial haben“, sagt Todt. „Wir haben uns bislang unter Wert verkauft.“ Auch Trainer Bernd Hollerbach, der sich nach seinem Amtsantritt intern zunächst für Verstärkungen im Angriff und der Abwehr aussprach, teile diese Ansicht.

Ganz ohne Transferaktivitäten schloss der HSV die aktuelle Wechselfrist allerdings nicht ab. Mit der Leihe von Stürmer Batuhan Altintas an den türkischen Zweitligisten Giresunspor konnte immerhin ein Profi vorübergehend von der Gehaltsliste gestrichen werden.

Gideon Jung brach am Mittwoch das Training wegen Rückenproblemen ab.