Hamburg. St. Paulis Trainer stellt sich vor seine bisher enttäuschenden Stürmer und sieht keine Offensivproblematik. Drei Talente vor dem Absprung

Die Kiebitze an der Kollaustraße wunderten sich, als Aziz Bouhaddouz schon knapp eine Minute nach Beginn der regenerativen Fahrradtour ins Niendorfer Gehege wieder am Trainingszentrum ankam. Ein Plattfuß an seinem Rad sorgte dafür, dass der Marokkaner sein Gefährt wechseln musste, ehe er mit seinen Kollegen die müden Beine lockern konnte. Es war eine Szene, der man eine gewisse Symbolik nicht absprechen konnte. Beim Null-Tore-Stürmer des FC St. Pauli ist derzeit nicht nur auf dem Platz die Luft raus. Angesichts dieser Symbolik musste er selber darüber schmunzeln.

Weit weniger lustig ist für den Kiezclub die Offensivflaute in der Zweiten Liga. Mit 21 Toren in 20 Partien stellt St. Pauli die viertschlechteste Offensive der Liga. Die Stürmer Bouhaddouz (null Treffer), Jan-Marc Schneider und Sami Allagui (beide zwei) kommen zusammen auf vier magere Tore. Vor allem bei Allagui, der ablösefrei von Hertha BSC Berlin ans Millerntor kam, um in engen Spielen den Unterscheid zu machen, ist die Geduld der Fans so langsam am Ende. Neben seiner Torbilanz stören sich viele Anhänger an der lässigen und bisweilen körperlosen Spielweise. Bei seiner Auswechslung am Sonntag gegen Darmstadt gab es von Teilen der Fans höhnischen Applaus. „Ich konnte das zunächst nicht einordnen im Spiel, weil ich so im Fokus war“, sagt Trainer Markus Kauczinski: „Das kann ich nicht nachvollziehen und war unnötig. Sami hat alles gegeben und hier und da unglücklich agiert. Man kann Dinge besser machen. Das trifft auf andere aber auch zu“, nahm der Coach seinen Stürmer in Schutz.

Ohnehin will Kauczinski die Offensivflaute nicht zu hoch hängen. Er verweist auf die Tatsache, dass St. Pauli seit seinem Amtsantritt Anfang Dezember in vier Partien sieben Tore geschossen hat. Zur ganzen Wahrheit gehört aber eben auch, dass nur Schneider in diesem Zeitraum ein Stürmertor erzielen konnte.

Das Angriffsspiel – gerade gegen tief stehende Mannschaften wie Darmstadt – ist seit Saisonbeginn zu leicht auszurechnen. St. Pauli tut sich schwer, kreativ aus dem Mittelfeld heraus Chancen zu kreieren. Gegen massiv stehende Teams kommen häufig lange Bälle, in der Hoffnung, dass man über zweite Bälle gefährlich werden kann. Lang anhaltende Drangperioden sind ebenso wenig zu sehen wie das regelmäßige Durchbrechen über die Flügel. Automatismen? Fehlanzeige. Vieles im Offensivspiel ist nur Stückwerk. „Bei uns fehlt manchmal der letzte Pass. Da treffen wir häufig nur die zweitbeste Entscheidung. Darunter leiden auch die Stürmer“, kritisierte Kauczinski. „Ich kann unser Stürmer nur unterstützen, wenn sie gut arbeiten und das tun sie. Sie müssen hartnäckig bleiben und es wie Versicherungsvertreter machen: immer weiter probieren“, sagte Kauczinski. Doch auch die Geduld des Übungsleiters ist nicht unendlich.

Nach der Verpflichtung von Dimi­trios Diamantakos (24) ist der interne Konkurrenzkampf im Sturm eröffnet. Der Grieche, der über eine gute Athletik und feine Schusstechnik verfügt, deutete bei seinem 30-Minuten-Debüt an, dass er St. Pauli helfen kann. „Er ist jemand, der sich schnell zurechtfindet. Dimitrios muss jetzt im Training zeigen, dass er besser ist, aber er wird eine Verstärkung“, erklärte der St.-Pauli-Trainer.

Weitere Zugänge wird es für Kauczinski nicht geben. Dafür stehen drei Talente, die aktuell kaum Chancen auf Einsatzzeiten haben, vor dem Absprung. Offensivallrounder Kyoungrok Choi (22), Linksverteidiger Joel Keller (22) und Flügelspieler Maurice Litka (22) dürfen St. Pauli in der Winterpause verlassen. Während Choi und Litka verliehen werden sollen, plant der Kiezclub bei Keller einen Verkauf. Bis zum 31. Januar, dem Ende der Transferfrist, sollen alle Personalien geklärt sein.